Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es lautet:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Waisenpension für die Dauer der Ausbildung, die die Arbeitskraft des Klägers überwiegend beansprucht, bis längstens 31.Juli 1988 im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Waisenpension über den 31.Juli 1988 hinaus bis 1.Dezember 1988 weiterzugewähren, wird abgewiesen."
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 28.Februar 1961 geborene Kläger erkrankte 1965 an Meningitis, deren Spätfolgen im September 1967 zur Rückstellung des Klägers vom Pflichtschulbesuch um ein Jahr führten. Der Kläger begann erst im Schuljahr 1968/69 mit dem Besuch der Volksschule und besuchte nach Absolvierung von vier Volksschulklassen fünf Jahre das Gymnasium in Mattersburg, anschließend fünf Jahre die Höhere Technische Lehranstalt in Wiener Neustadt, wo er im Schuljahr 1981/82 erfolgreich maturierte. Vom 1.Juli 1982 bis 28.Februar 1983 absolvierte er seinen achtmonatigen Präsenzdienst und inskribierte im darauffolgenden Sommersemester 1983 Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien. Dieses Studium ist ordnungsgemäß innerhalb von 10 Semestern abzuschließen. Mit Bescheid vom 2.März 1987 gewährte die beklagte Partei über Antrag des Klägers für die Dauer der Ausbildung ,die die Arbeitskraft überwiegend beansprucht, die Waisenpension ab 1.März 1987 bis längstens 31.Juli 1987 weiter, wobei sie eine Verzögerung des Studiums durch den Präsenzdienst von fünf Monaten zugrundelegte. Der Kläger begehrt die Weitergewährung der Waisenpension bis 1. Dezember 1988, da er wegen Krankheit um ein Jahr später die Schulausbildung begonnen und vor Aufnahme des Hochschulstudiums durch acht Monate den Präsenzdienst geleistet habe. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Waisenpension bis 31.Oktober 1988 im gesetzlichen Ausmaß weiterzugewähren und wies das Mehrbegehren ab.
Gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG verlängere sich die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus, wenn sich das Kind in einer Schulausbildung befinde, die wegen Erfüllung der Wehrpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis verzögert worden sei. Da der Kläger krankheitsbedingt die Volksschule erst um ein Jahr später habe besuchen können, führe dies zu einer Verlängerung seines Anspruches auf Waisenpension um 12 Monate. Die Kindeseigenschaft bleibe auch während der üblichen Unterbrechungen in der Schulausbildung, insbesondere während der Ferien, aufrecht. Der Kläger habe unmittelbar nach der Matura seinen Präsenzdienst abgeleistet und zum frühest möglichen Zeitpunkt anschließend das Hochschulstudium aufgenommen, aus der Erfüllung der Wehrpflicht sei somit keine über die achtmonatige Wehrpflicht hinausgehende Verzögerung eingetreten. Die Kindeseigenschaft verlängere sich daher insgesamt um 20 Monate über das 26.Lebensjahr hinaus. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein unüberwindbares Hindernis im Sinne des § 252 Abs.2 Z 1 ASVG innerhalb einer bereits begonnenen Schulausbildung liegen müsse, auf die zeitliche Lagerung komme es nicht an. Es bestehe daher ein Anspruch des Klägers auf Weitergewährung der Waisenpension für die Zeit vom 28.Februar 1987 bis 28.Februar 1988. Auch der Einwand der beklagten Partei, die Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes könne nicht zur Gänze, sondern lediglich für fünf Monate, um welche sich das Studium durch Verlust eines Wintersemesters verzögert habe, berücksichtigt werden, treffe nicht zu.
Maßgeblich sei, ob sich bedingt durch die Ableistung des Präsenzdienstes eine Verschiebung des Hochschulstudiums ergebe. Der Kläger habe wegen der Erfüllung seiner Wehrpflicht sein Studium nicht schon im Oktober 1982 als dem frühest möglichen Zeitpunkt nach der Reifeprüfung beginnen können. Auch ohne Ableistung des Präsenzdienstes wären die Ferienmonate Juli, August und September 1982 Zeiten gewesen, während welcher die Kindeseigenschaft fortgedauert hätte.
Rechtliche Beurteilung
Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist teilweise berechtigt.
Gemäß § 252 Abs.2 Z 1 ASVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der 44.Novelle (Artikel VI Abs.13 der 44.ASVG-Novelle) besteht auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres die Kindeseigenschaft weiter, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 26.Lebensjahres. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis verzögert worden, so besteht die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum.
Da das Gesetz nur darauf abstellt, daß die Schul- oder Berufsausbildung unter anderem durch Krankheit verzögert wurde, aber keinerlei Einschränkung hinsichtlich des Zeitpunktes einer solchen Verzögerung enthält, kommt es, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, auf die zeitliche Lagerung des Verzögerungsgrundes nicht an. Dieser kann daher, wie hier, auch schon vor der Aufnahme der Schul- oder Berufsausbildung gegeben sein. Da feststeht, daß durch die Krankheit des Klägers der Besuch der Volksschule um ein Jahr verzögert wurde, kommt der Revision der beklagten Partei insoweit keine Berechtigung zu.
Zutreffend verweist sie aber darauf, daß im vorliegenden Fall der Präsenzdienst nicht in seiner gesamten Dauer berücksichtigt werden kann. Wird vor Vollendung des 26.Lebensjahres die Wehr- oder Zivildienstpflicht erfüllt oder liegt eine Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis vor, normiert das Gesetz nicht generell die Verlängerung der Kindeseigenschaft um die effektive Dauer der Behinderung, sondern um einen der Dauer der Behinderung in der Schul- oder Berufsausbildung angemessenen Zeitraum, der je nach der zeitlichen Lagerung des Hinderungsgrundes im Einzelfall durchaus unterschiedlich zu bemessen ist. Während des Präsenzdienstes besteht die Kindeseigenschaft nicht weiter. Diese ist beim Kläger daher zunächst mit Ablegung der Reifeprüfung erloschen. Der Präsenzdienst des Klägers, den er im Anschluß an die Matura ableistete, bewirkte eine Verzögerung seiner Hochschulausbildung nur um das Wintersemester 1982/83, weil der Kläger die Möglichkeit hatte, ohne weiteren, durch die Semestereinteilung bedingten Zeitverlust unmittelbar anschließend im Sommersemester 1983 sein Studium aufzunehmen. Daß dieses aber durch den Beginn nicht im Herbst, sondern im Sommersemester eine weitere Verzögerung erfahren hätte, wurde nicht vorgebracht. Da die beklagte Partei eine Studienverzögerung um fünf Monate zugestanden und bereits berücksichtigt hat, wurde damit das Weiterbestehen der Kindeseigenschaft des Klägers für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum ausreichend berücksichtigt, so daß es dabei zu bleiben hat.
Dem Kläger steht daher die Waisenpension insgesamt noch 17 Monate über die Vollendung des 26.Lebensjahres hinaus, somit bis 31. Juli 1988, zu.
Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision spruchgemäß zu entscheiden.
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