OGH 10ObS156/89

OGH10ObS156/899.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (Arbeitgeber) und Otto Tiefenbrunner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Götz K***, Schauspieler, 1130 Wien, Glasauergasse 28, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*** U***, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65,

vertreten durch Dr. Adolf Fiebich, Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistungen der Unfallversicherung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Dezember 1988, GZ 31 Rs 290/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16.Juni 1988, GZ 13 Cgs 1174/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 27.Mai 1987 lehnte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Entschädigung anläßlich des Unfalls vom 10. November 1986 ab, weil die Voraussetzungen des § 175 Abs. 2 Z 1 ASVG nicht vorlägen.

Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage richtet sich auf Unfallheilbehandlung gemäß §§ 189 ff ASVG, Familien- und Taggeld gemäß § 195 ASVG, Unterstützung gemäß § 196 ASVG, Rehabilitation gemäß §§ 198 und 201 ff ASVG, Versehrtenrente gemäß §§ 203 ff ASVG und Versehrtengeld gemäß § 212 ASVG im gesetzlichen Ausmaß. Sie stützt sich im wesentlichen darauf, daß der Kläger zur Unfallszeit Angestellter der M***, Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH gewesen sei. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei ihm auch die Entwicklung und Vorbereitung neuer Projekte für Film- und Fernsehproduktionen oblegen, zu denen die Verfilmung eines Dreipersonenstückes mit ihm, Marianne M*** und Andreas V*** gehört habe. Dieses Projekt habe er mit Marianne M*** im Wiener Lokal "K***-D***" von 19.00 Uhr des 9.November 1986 bis gegen 2.00 Uhr des 10.November 1986 ausführlichst besprochen. Auf der unmittelbar nach Ende dieser Besprechung mit seinem PKW angetretenen Fahrt in seine Wohnung in 1130 Wien, Glasauergasse 28, habe er in der Hadikgasse einen Verkehrsunfall erlitten.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß es sich um keinen Wegunfall gehandelt habe. Das Erstgericht sprach aus, daß "die beim Kläger bestehende Gesundheitsstörung nicht Folge eines Arbeitsunfalles vom 10.11.1986" sei und wies das Klagebegehren ab.

Nach seinen wesentlichen Feststellungen schlossen der Kläger und die M***-Film (und Fernsehproduktions-) GesmbH zu Beginn des Jahres 1986 einen Arbeitsvertrag, in dem sich der Kläger als Arbeitnehmer "für die Tätigkeit als Darsteller der Rolle M*** bei der Film-Video-Produktion M*** UND M*** verpflichtete. Es handelte sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis vom 12.Mai bis 31. Oktober 1986. Die Dreharbeiten für diese Produktion hätten schon im Jahre 1985 beginnen sollen, mußten aber verschoben werden, wodurch der Kläger einen beträchtlichen Verdienstentgang erlitt. Deshalb wurde zwischen ihm und der M***-Film GesmbH besprochen, daß er dieser andere Filmprojekte vorschlagen könne, deren Verfilmbarkeit sie prüfen wollte. Die Dreharbeiten für die Serie M*** UND M*** begannen am 20.Mai 1986 und waren vor dem 31. Oktober 1986 beendet. Schon während dieser Dreharbeiten verfolgte der Kläger die Idee, ein Stück des Autors S*** verfilmen zu lassen. Er besprach dies nicht nur mit dem Autor, sondern erwähnte dieses Projekt auch gegenüber der M***-GesmbH. Für die Beurteilung der Verfilmung (Verfilmbarkeit) durch diese Gesellschaft wären ein fertiges Drehbuch und ein Besetzungsvorschlag erforderlich gewesen. Ende Oktober 1986 lag jedoch nur ein Textbuch über drei der vorgesehenen fünf Akte des Stückes S*** vor. Weil der Kläger eine Rolle mit Marianne M*** besetzen wollte, vereinbarte er mit dieser eine Besprechung der Verfilmung für den 9.November 1986. An diesem Tag sollten im Wiener Restaurant "K***-D***" ab 22 Uhr eine (mit den erwähnten Filmprojekten in keinem Zusammenhang stehende) Abschiedsfeier für Bühnenmitarbeiter des Raimundtheaters und eine Geburtstagsfeier für den Vater Marianne M*** beginnen. Der Kläger und seine Kollegin trafen einander bereits um 19.00 Uhr in dem genannten Lokal. Nachdem sie etwa drei Stunden über verschiedene Verfilmungsmöglichkeiten des Stückes S*** gesprochen hatten, kamen um etwa 22.00 Uhr die Bühnenmitarbeiter des Raimundtheaters, der Vater Marianne M*** und andere Gäste, unter denen sich auch dem Kläger bekannte Schauspieler befanden. Der Kläger verbrachte den weiteren Abend in diesem Kreis, wobei sowohl über Privates als auch über Berufliches gesprochen wurde. Nach dem Ende der Feier fuhr der Kläger am 10.November 1986 um etwa 2.00 Uhr mit seinem PKW in Richtung seiner Wohnung. Auf der Linken Wienzeile zog er sich bei einem Verkehrsunfall verschiedene schwere Verletzungen zu.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes stand die Besprechung zwischen dem Kläger und Marianne M*** am 9. November 1986 in keinem Zusammenhang mit seiner Rolle in der Fernsehserie M*** UND M*** und war daher nicht von dem Arbeitsvertrag mit der M***-GesmbH umfaßt. Schon deshalb liege kein Arbeitsunfall vor. Ein solcher läge aber auch bei einem Zusammenhang der Besprechung mit dem erwähnten Arbeitsverhältnis nicht vor. Die dem künftigen Filmprojekt dienende Besprechung habe nämlich nur von 19.00 bis 22.00 Uhr gedauert. Danach habe der Kläger vier Stunden nur mehr an einer privaten Feier teilgenommen, wodurch der allfällige zeitliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit unterbrochen worden sei. Deshalb sei der anschließende Heimweg nicht mehr versichert gewesen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und erachtete die Rechtsrüge schon deshalb als nicht berechtigt, weil der die Versicherung begründende Arbeitsvertrag lediglich vom 12.Mai bis 31. Oktober 1986 bestanden habe und die auf diesem Arbeitsvertrag beruhenden Dreharbeiten jedenfalls vor dem 31.Oktober 1986 beendet gewesen seien. Deshalb habe zwischen diesem Arbeitsvertrag und dem Gespräch des Klägers mit Marianne M*** in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1986 kein örtlicher, zeitlicher oder ursächlicher Zusammenhang bestanden.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil "im revisionsstattgebenden Sinn" abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen (§ 1d5 Abs. 1 ASVG). Arbeitsunfälle sind auch Unfälle, die sich auf einem mit der Beschäftigung zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeitsstätte ereignen (Abs. 2 Z 1 leg. cit.).

Die Pflichtversicherung der Dienstnehmer beginnt unabhängig von der

Erstattung einer Anmeldung mit dem Tag des Beginnes der

Beschäftigung ... (§ 10 Abs. 1 ASVG). Die Pflichtversicherung der im

§ 10 Abs. 1 leg. cit. bezeichneten Personen erlischt, soweit in den

Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des

Beschäftigungs-, ... verhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an

dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches (§ 11 Abs. 1 leg. cit.).

Ob das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur M***-GesmbH am Unfallstag noch nicht beendet war oder ob der Kläger trotz früherer Beendigung dieses Beschäftigungsverhältnisses daraus noch mindestens bis zum Unfallstag Anspruch auf Entgelt hatte, ob also die Pflichtversicherung am Unfallstag noch bestand, ist aus nachstehenden Gründen ebensowenig entscheidungswesentlich wie die Frage, ob die Besprechung des Klägers mit Marianne M*** am 9. November 1986 zwischen 19.00 und 22.00 Uhr mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung im Zusammenhang stand. Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen war diese Besprechung um etwa 22.00 Uhr beendet. Anschließend nahm der Kläger bis etwa 2.00 Uhr des folgenden Tages an einer mit der versicherten Tätigkeit in keinem Zusammenhang stehenden Abschiedsfeier für Bühnenmitarbeiter des Raimundtheaters und an der gleichzeitig stattfindenden Geburtstagsfeier des Vaters Marianne M*** teil. Daß er während dieser Feiern nicht nur über private, sondern auch über berufliche Dinge sprach, ist im Hinblick auf die Zusammensetzung der dem Theatermilieu angehörenden Gästen geradezu selbstverständlich, stellte aber keine Fortsetzung der den Feiern vorangegangenen Besprechung dar. Die Teilnahme des Klägers an dieser Feier als Gast diente daher nicht mehr betrieblichen Interessen der M***-GesmbH, sondern ist den privaten Verrichtungen des Klägers zuzuzählen. Wegen der langen Dauer dieser privaten Verrichtung - immerhin vier Stunden - wurde der Zusammenhang mit der möglicherweise versicherten Besprechung so endgültig gelöst, daß der anschließende Heimweg schon aus diesem Grund nicht mehr unter Versicherungsschutz stand, zumal besondere Umstände, die den Kläger an einem früheren Heimweg gehindert hätten, weder behauptet wurden, noch nach der Situation anzunehmen waren (vgl. Brackmann, Handbuch der SV II 60. Nachtrag insb. 487 g bis l vorl. Absatz mwN).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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