Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.841 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.473,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist Engländer und lebt mit seiner Gattin Irene Renate W*** seit Mai 1981 in Österreich. Beide kamen am 18. September 1981 in die Geschäftsstelle der Klägerin, wo Irene Renate W*** einen Vertrag über die Gewährung eines Abstattungskredites von 350.000 S mit einem Zinsfuß von 11 % und vereinbarten Verzugszinsen von 6 % pro Jahr schloß. Sie unterfertigte das Vertragsformular und eine Pfandbestellungsurkunde, mit welcher sie der Klägerin an der in ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaft EZ 805 KG Strassen ein Pfandrecht bis zum Höchstbetrag von 300.000 S einräumte (auf der Liegenschaft waren damals schon Pfandrechte der V*** über 221.000 S, der R*** B*** über 788.400 S und der Klägerin über
140.000 S bücherlich sichergestellt).
Der Beklagte unterfertigte seinerseits am 18.September 1981 einen Bürgschaftsvertrag für den Kreditvertrag seiner Gattin. Nach dessen Text übernahm er damit zur Sicherstellung aller Forderungen des Kreditgebers einschließlich Zinsen, Spesen und sonstigen Nebengebühren, die aus diesem Schuldverhältnis entstanden sind und in Hinkunft entstehen werden, die Haftung als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB. Diese Bürgschaft war zeitlich nicht begrenzt. Sowohl Irene Renate W*** als auch der Beklagte unterfertigten am 18.September 1981 weiters ein Blankoakzept, und zwar Erstere als Annehmerin, der Beklagte als Bürge für die Bezogene. Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Kreisgerichtes Leoben vom 8.Oktober 1985, GZ 9 C 264/85-4, wurde Irene Renate W*** unter anderem auch schuldig erkannt, der Klägerin den per 31.März 1985 aushaftenden Kreditsaldo von 413.756,39 S sA zu ersetzen. Der Debetsaldo auf dem Kreditkonto der Irene Renate W*** belief sich per 31.Dezember 1986 auf 413.336,43 S.
Mit ihrer am 12.Jänner 1987 beim Erstgericht eingelangten Klage nahm die Klägerin den Beklagten als Bürgen und Zahler aus dem Bürgschaftsvertrag vom 18.September 1981 in Anspruch. Sie begehrte von ihm die Zahlung des aus dem Abstattungskredit seiner Gattin per 30. März 1985 aushaftenden Schuldsaldos in Höhe von 413.756,39 S sA. Der Beklagte hielt dem - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren noch von Interesse - entgegen, er habe bei der Darlehensaufnahme seiner Gattin lediglich einen Bausparvertrag unterfertigt. Ihm sei die Tatsache der Unterfertigung eines Bürgschaftsvertrages nicht bewußt geworden. Ein Bürgschaftsvertrag sei daher nicht zustande gekommen. Andernfalls wäre der Beklagte, der der deutschen Sprache "nur recht mangelhaft kundig sei", von den Vertretern der Klägerin zu einem solchen Vertragsabschluß arglistig veranlaßt worden. Jedenfalls hätten aber die Vertreter der Klägerin einen Irrtum des Beklagten über den Charakter des abzuschließenden Vertrages herbeigeführt. Er sei von ihnen in keiner Weise über die von ihm unterfertigte Urkunde informiert worden.
Das Erstgericht erkannte den Beklagten zur ungeteilten Hand mit der laut "Urteil 9 Cg 264/85 des Kreisgerichtes Leoben schuldig erkannten Irene Renate W***" schuldig, der Klägerin den Betrag von 413.336,43 S samt 15,5 % Zinsen seit 14.Jänner 1987 zu ersetzen. Das Mehrbegehren im Umfang von 419,96 S sA wurde (mittlerweile rechtskräftig) abgewiesen. Das Erstgericht traf (in der Fassung der vom Berufungsgericht unbekämpft vorgenommenen Klarstellung) über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus noch folgende wesentliche Tatsachenfeststellungen:
Der Bürgschaftsvertrag war bereits vor dem 18.September 1981 sowohl mit dem Beklagten als auch mit dessen Gattin abgesprochen. Dabei wurden dem Beklagten Umfang und Wirkung eines Bürgschaftsvertrages zwar nicht dezidiert erklärt, es wurden aber im Rahmen der Kreditsicherstellung die Sicherheiten durchbesprochen. Vom Beklagten wurde die Unterschrift als Bürge und Zahler verlangt und dabei auch die Bedeutung der Worte "Bürge und Zahler" erklärt. "Es war von Haus aus eine Wechselbürgschaft von der Bürgschaft durch den Beklagten vereinbart." Hermann P***, der Geschäftsleiter der Klägerin, erklärte dem Beklagten jedenfalls, nachdem sich dieser auch zur Kreditrückzahlung bereit erklärt hatte, daß er für den Kreditvertrag mithaften und mitbürgen müsse.
Nachdem die Klägerin mangels Zahlungen die Rückstände einmahnte, richtete der Beklagte am 25.August 1983 an sie ein Schreiben, in dem er auf seine Zahlungsschwierigkeiten hinwies und erklärte, er werde in absehbarer Zeit alle Rückstände in Ordnung bringen und die laufenden Tilgungsraten zahlen.
Aus den weiteren Urteilsausführungen des Erstgerichtes geht unmißverständlich hervor, daß es seine Feststellungen in dem Sinne verstanden wissen wollte, der Beklagte habe am 18.September 1981 im vollen Wissen um die Tragweite seiner Handlung einen Bürgschaftsvertrag unterschrieben. In rechtlicher Hinsicht bejahte es daher die Zahlungspflicht des Beklagten als Bürge und Zahler. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, billigte dessen Rechtsansicht über die vom Beklagten wirksam eingegangene Bürgschaftsverpflichtung und führte aus, den Feststellungen könne weder eine arglistige Beeinflussung des Vertragswillens des Beklagten durch die Klägerin noch eine sonstige Irreführung entnommen werden.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung. Die Klägerin stellt den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit der Beklagte darauf beharrt, "infolge Dissenses" sei kein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen, ist er darauf zu verweisen, daß seine den Formerfordernissen des § 1346 Abs 2 ABGB entsprechende Bürgschaftserklärung von der Klägerin angenommen wurde und damit ein Bürgschaftsvertrag zustande gekommen ist. Es liegt hier keine "äußere Uneinigkeit" der Parteien vor, sondern es bestand nach dem objektiven Sinngehalt der Vertragsurkunde zwischen ihm und der Klägerin Konsens, weil deren Annahme seiner Bürgschaftserklärung voll entsprochen hat. Von einem Dissens kann daher keine Rede sein (vgl. Koziol-Welser, Grundriß8, I, 103 f). Im übrigen bindet selbst eine ungelesen unterschriebene Urkunde grundsätzlich den Erklärenden, doch ist sie wie jede andere Erklärung unter den Voraussetzungen der §§ 870, 871 ABGB anfechtbar, wenn die Vorstellung des Unterschreibenden mit dem Inhalt nicht übereinstimmt. Hatte der Unterzeichner keine genaue Vorstellung vom Inhalt der Urkunde, so nimmt er diesen - abgesehen von unüblichen Bestimmungen und Klauseln und von solchen, die sachlich nicht hineingehören - bewußt in Kauf (Koziol-Welser, aaO, 116 f; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 871; SZ 42/121; SZ 54/111 ua). Für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm in Anspruch genommenen Tatbestände nach den §§ 870, 871 ABGB ist aber der Anfechtende behauptungs- und beweispflichtig (SZ 53/108 ua). Eine solche Behauptung hat der Beklagte in erster Instanz aufgestellt und vorgebracht, er sei im Hinblick auf seine recht mangelhaften Deutschkenntnisse von den Vertretern der Klägerin - offensichtlich gemeint: durch Unterschieben des Bürgschaftsvertragsformulars - über den Charakter des abzuschließenden Vertrages getäuscht, jedenfalls aber darüber durch mangelnde Aufklärung in Irrtum geführt worden. Entgegen seiner Meinung hat aber bereits das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben, daß dem Beklagten nach den vorliegenden Feststellungen der Beweis für eine solche (arglistige) Irreführung nicht gelungen ist. Diese Feststellungen sind nach den übereinstimmenden Ausführungen der Vorinstanzen, unter anderem im Lichte der Korrespondenz des Beklagten mit der Klägerin und der geführten Vorbesprechungen dahin zu verstehen, daß er die Vertragsurkunde am 18.September 1981 ungeachtet seiner allfälligen mangelhaften Deutschkenntnisse im vollen Bewußtsein über die Tragweite seiner Handlung und damit auch über das Wesen der von ihm abgegebenen Bürgschaftserklärung unterschrieben hat. Es liegen daher die vom Beklagten geltend gemachten Feststellungsmängel nicht vor. Soweit der Beklagte aber in diesem Zusammenhang aus seiner Parteiaussage zitiert oder einzelne Zeugenaussagen hervorhebt, verläßt er damit nicht nur die festgestellte Sachverhaltsgrundlage, sondern er unternimmt mit seinen diesbezüglichen Revisionsausführungen auch den Versuch einer in dritter Instanz unzulässigen Bekämpfung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Der Revision mußte aus allen diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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