OGH 8Ob558/88

OGH8Ob558/8827.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** Austria AG, 1041 Wien, Argentinierstraße 23, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Peter E***, Angestellter, 1170 Wien, Gschwandnergasse 53/3/18, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen S 437.607,26 s. A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1988, GZ 3 R 225/87-36, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. April 1987, GZ 32 Cg 637/84-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.171,85 (einschließlich S 1.288,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 437.607,26 s.A. mit der Begründung, sie habe diesem am 22. Jänner 1982 die Tankstelle in Brunn am Gebirge verpachtet und mit ihm einen Liefervertrag über Rohölprodukte abgeschlossen. Per Feber 1984 hafte der eingeklagte Betrag für die Lieferung von Rohölprodukten aus.

Der Beklagte wendete ein, ihm seien vom Vertreter der klagenden Partei ein Nettogewinn von monatlich S 10.000,-- sowie für den Fall, daß dieser Gewinn aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht erreicht würde, Stützungszahlungen seitens der klagenden Partei zugesagt worden, so daß ihm dieses Einkommen zur Verfügung stehen sollte. Der Beklagte habe gut gearbeitet und die vorgegebenen Umsatzziffern sogar überschritten. Wegen einer Baustelle von Frühjahr 1983 bis Oktober 1983 habe er erhebliche Umsatzeinbußen erlitten, doch habe die klagende Partei ihr Versprechen auf Leistung auf Stützungszahlungen nicht eingehalten. Der klagenden Partei sei bekannt gewesen, daß die Tankstelle für einen Pächter keinen Gewinn bringen könne, doch habe sie dies verschwiegen und den Abschluß des Pachtvertrages in der Absicht vorgenommen, selbst daraus zur Abdeckung ihrer Investitionen Gewinn zu ziehen. Der abgeschlossene Tankstellenvertrag sei wegen Verschleierung der tatsächlichen Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen sittenwidrig. In Wirklichkeit habe nämlich der Beklagte Produkte der klagenden Partei in völliger persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verkaufen müssen. Das Vorliegen eines Scheinvertrages ergebe sich schon aus dem jährlichen Pachtschilling von nur S 120,--.

Hilfsweise wendete der Beklagte eine Gegenforderung von S 300.000,-- aus dem Titel des Schadenersatzes ein, den er im Umweg über eine Bankgarantie zu tragen gehabt hätte. Eine weitere Gegenforderung von S 86.400,-- leitete der Beklagte aus seiner Abgabenschuldigkeit beim Finanzamt Mödling ab und machte schließlich noch S 230.000,-- für nicht ausbezahlte Stützungszahlungen für 23 Monate geltend.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - ohne Fassung eines dreigliedrigen Spruches - statt und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte meldete sich auf Grund einer Annonce bei der klagenden Partei und führte mit deren Vertreter, Dr. F***, Vorgespräche. Dieser machte den Beklagten darauf aufmerksam, daß er als selbständiger Kaufmann eine Tankstelle pachten wird und daß der Erfolg von seinem Einsatz und seiner Tüchtigkeit wie auch vom jeweiligen Standort abhänge. Einen bestimmten Nettogewinn stellte Dr. F*** dem Beklagten nicht in Aussicht. Er erklärte ihm vielmehr, daß der Gewinn auch vom Zubehörverkauf abhänge. Es wurde besprochen, daß eine Tankstelle dann nicht rentabel sei, wenn sie nicht mindestens S 10.000,-- abwerfe.

Die Klägerin gewährt Stützungszahlungen bei Umbauarbeiten an der Tankstelle oder bei gesperrten Straßen, wenn auf Grund dieser Umstände der Pächter durch eigene Leistung zum Erfolg der Tankstelle nicht beitragen kann. Diese Stützungen beruhen auf freiwilliger Basis. Dr. F*** sagte keine Stützungszahlungen zu. Er sagte insbesondere nicht zu, daß der Beklagte mit Stützungszahlungen rechnen kann, falls der Beklagte S 10.000,-- an Nettogewinn nicht erreicht.

Der Beklagte wurde als Angestellter für ca. ein Jahr aufgenommen. Er war meist als Springer mit fixem Gehalt eingesetzt. In dieser Zeit kann er sich mit dem gesamten Betrieb einer Tankstelle vertraut machen und auch mit Pächtern sprechen. Während dieses Jahres absolvierte er einen fünfwöchigen Kurs. Er wurde mit der Verkaufsförderung vertraut gemacht und wurde in die Buchhaltung und die Formulare Euro-Data eingeführt. Es wurde ihm das beigebracht, was er für das Führen einer Tankstelle benötigt, somit auch das Kommerzielle, die Kalkulation und die Buchhaltung. Er schloß den Kurs mit sehr gutem Erfolg mit einer Prüfung ab und erwarb den Gewerbeschein.

Am 20. Jänner 1982 rief ihn Dr. F*** an, daß er nunmehr eine Tankstelle für ihn in Brunn am Gebirge habe.

Dr. F*** besprach den Vertrag Beilage ./A, der einen integrierenden Bestandteil dieser Entscheidung bildet, Punkt für Punkt. Der Beklagte stellte auch einige Fragen. Es war ihm die Höhe der Spannen jeweils bewußt. Es handelte sich um einen Standardvertrag. Dr. F*** sagte dem Beklagten auch dabei nicht S 10.000,-- monatlich Nettogewinn zu, auch nicht Stützungszahlungen, sollte er die S 10.000,-- nicht erreichen. Zur Zeit des Vertragsabschlusses lagen jedoch der Klägerin Informationen vor, die erkennen ließen, daß die Tankstelle richtig geführt für den Pächter sehr wohl einen Gewinn von zumindest S 10.000,-- abwirft und der Pächter keinem hohen wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt sein wird. Der Beklagte unterzeichnete den Vertrag am 20. Februar 1984 und übernahm die Tankstelle am folgenden Tag. Bei Beginn mußte er eine Bankgarantie über S 300.000,-- für den Erstbefüllungskredit beibringen.

Dr. F*** war auch Gebietsvertreter für die Tankstelle des Beklagten. Er überwachte den Verkauf und die Sicherheitsvorschriften. Am Beginn der Tätigkeit war der Umsatz sehr gut. Die monatlichen Analysen zeigten eine Unterdeckung. Es wurde ein Status gemacht und dieser mit dem Beklagten besprochen. Es fanden mehrere Gespräche statt, und zwar mit Dr. F***, Friedrich K***, bei der Klägerin zuständig für die Buchhaltung der Tankstellen, und mit Herrn S*** von der Steuerberatungskanzlei S*** & S***. Der Beklagte wurde auf die schlampige Führung der Lagerhaltung, auf den Schwund, auf die schlampige Führung der Außenstände und auf die hohen Personal- und PKW-Kosten hingewiesen. Nach den Unterredungen versprach der Beklagte eine Besserung. Die defizitäre Ertragslage ist auf das Wirtschaften des Beklagten zurückzuführen; dies auch durch Unterlassen von Überwachungsmaßnahmen. Die defizitäre Ertragslage ist nicht durch Umstände hervorgerufen worden, die außerhalb seines Einflusses lagen. Die Erlösdifferenzen sind dadurch entstanden, daß Umsätze nicht verbucht wurden und Diebstähle in einem Ausmaß vorlagen, das über der branchenüblichen Norm liegt.

Der Beklagte war auch nicht in dem Maß anwesend, in dem man das bei dem Umsatz erwarten hätte müssen. Er war oft nicht anwesend, als ihn Dr. F*** sprechen wollte.

Der Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis auf. Zu diesem Zeitpunkt hafteten S 753.905,59 unberichtigt aus (./B). Die Klägerin ersuchte den Beklagten mit Schreiben vom 2. Februar 1984 (./D), den aushaftenden Saldo bis spätestens 17. Februar 1984 zu überweisen. Ausgehend von S 753.905,59 ergibt sich nach Abzug von S 300.000,-- für die Bankgarantie und einer Gutschrift der Klagebetrag.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß dem Beklagten mangels einer entsprechenden Vereinbarung kein Anspruch auf Stützungszahlungen zustünde. Bei ordnungsgemäßer Führung der Tankstelle hätte er ein befriedigendes Betriebsergebnis erzielen können. Er sei nicht in Irrtum geführt worden; der Vertrag sei nicht sittenwidrig.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit der Maßgabe, daß es (dreigliedrig) aussprach, die eingeklagte Forderung bestehe zu Recht, die eingewendete Gegenforderung bestehe nicht zu Recht und demnach sei der Beklagte schuldig, gemäß dem Klagebegehren zu zahlen. Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil der bestellte Sachverständige die rechtserheblichen Fragen hinreichend beantwortet habe und der Beklagte nicht habe aufzeigen können, aus welchen Gründen die Bestellung anderer Sachverständiger (aus den Fachgebieten des Tankstellengewerbes, der Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater sowie der Betriebswissenschaft) erforderlich gewesen sei. Das Berufungsgericht erachtete auch die Beweisrüge als nicht berechtigt und übernahm daher die erstgerichtlichen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen, daß der Beklagte nicht in jenem Maße in der Tankstelle anwesend gewesen sei, in dem man es hätte erwarten können, weil diese Feststellung für die Entscheidung nicht wesentlich sei.

In der Rechtsrüge ging der Beklagte bei seinem Hinweis auf vorvertragliche Schutz- und Aufklärungspflichten nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und wiederholte wörtlich seine Ausführungen in der Klagebeantwortung. Das Berufungsgericht erachtete hiedurch die Rechtsrüge als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, führt aber doch aus, daß nach den erstgerichtlichen Feststellungen kein Anhaltspunkt für eine Sittenwidrigkeit des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages oder für ein Scheingeschäft gegeben sei. Es lägen auch die Voraussetzungen für die vom Beklagten geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht vor. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern, in eventu, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die klagende Partei begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist, wie der Oberste Gerichtshof nach Prüfung feststellte, nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Der Beklagte macht unter diesem Rechtsmittelgrund abermals die bereits vom Berufungsgericht verneinten Mängel des Verfahrens erster Instanz (Unterlassung bestimmter Fragestellungen an den bestellten Sachverständigen, Nichtbeiziehung weiterer Sachverständiger) geltend. Mit Revision können aber weder vom Berufungsgericht bereits verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz noch die Unterlassung der Aufnahme von bloß zur Stützung relevanter Tatsachen angebotenen Beweisen zu Kontrolltatsachen geltend gemacht werden; diese gehören nämlich zum Gebiet der im Revisionsverfahren unanfechtbaren Beweiswürdigung. Die Revision geht bei der Darstellung des Rechtsmittelgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern verneint im wesentlichen, daß der Rechtsstandpunkt des Beklagten dann erfolgreich gewesen wäre, wenn nicht die Feststellung unterlassen worden wäre, daß auch sein Vorgänger diese Tankstelle nicht rentabel hatte führen können. Dies habe die klagende Partei dem Beklagten verschwiegen. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen das schlechte Betriebsergebnis, das der Beklagte erzielte, ausschließlich auf seine Gestion zurückzuführen ist. Darüber hinaus wiesen auch die Vorinstanzen zutreffend darauf hin, daß es nicht entscheidungswesentlich ist, wie der Vorpächter wirtschaftete, sondern daß es ausschließlich darauf ankommt, welche Ursachen für das schlechte Betriebsergebnis während der Tätigkeit des Beklagten verantwortlich sind.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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