Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde am 26. Juni 1987 nach § 55 a EheG geschieden. Nach dem anläßlich der Scheidung abgeschlossenen und insoweit pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich stehen die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten der Mutter allein zu.
Mit Beschluß vom 12. Jänner 1989 (ON 43) entzog das Erstgericht (auf Antrag des Vaters) der Mutter die elterlichen Rechte (Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses), sprach aus, daß diese Rechte dem Vater allein zustehen (Punkt 2. des erstgerichtlichen Beschlusses) und verwies die Mutter mit ihrem Antrag auf Einschränkung des Besuchsrechtes des Vaters auf die vorgenannten Aussprüche (Punkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses).
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag des Vaters, ihm die elterlichen Rechte zu übertragen, abwies. Den Verweisungsausspruch über die Einschränkung des Besuchsrechtes des Vaters hob das Rekursgericht auf und trug dem Erstgericht im Umfang der Aufhebung nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Nach den vom Rekursgericht übernommenen und ergänzten Feststellungen des Erstgerichtes befindet sich die Minderjährige seit der Ehescheidung bei der Mutter und weist eine gewisse Präferenz zum Vater auf. Diese drückt sich dadurch aus, daß sich die Minderjährige bei Anwesenheit beider Elternteile dem Vater zuwendet, auf dessen Schoß setzt und bei der Übergabe an ihn klammert. Die Minderjährige neigt deshalb stärker zum Vater, weil das emotionale Klima im Milieu der väterlichen Seite ihr in ihrer derzeitigen Entwicklungsphase mehr entspricht und sie vor der Trennung ihrer Eltern in der väterlichen Umgebung aufgewachsen ist. Diese Präferenz ist nicht auf Erziehungsfehler der Mutter zurückzuführen. Die Mutter wirkt lediglich vom Naturell her weniger gefühlsbetont als der stark gefühlsbetonte Vater. Grundsätzlich ist der Verbleib der Minderjährigen aus kinderpsychologischer Sicht bei jedem der beiden Elternteile denkbar. Beide haben ein starkes Interesse an der Beziehung zum Kind. Probleme ergeben sich aus den zwischen den Eltern bestehenden großen Spannungen und Konflikten. Diese Spannungssituation tritt beim Zusammentreffen beider Elternteile mit dem Kind, so etwa bei der Übergabe der Minderjährigen von einem Elternteil an den anderen auf. In dieser Situation beginnt die Minderjährige unruhig und stereotyp zu reagieren. Diese regelmäßig auftretende Stereotypie ist ein symptomatisches Anzeichen einer beginnenden Neurotisierung des Kindes, die zeigt, daß es unter dieser Situation leidet. Sonstige psychische Schäden liegen nicht vor. Die Spannungssituation bei der Übergabe, die zu den Stereotypien führt, ist immer sehr kurzfristig. Das Kind baut die Spannung rasch ab und stellt sich rasch um.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß die Übertragung der Elternrechte an den Vater gerechtfertigt sei, weil die vorliegenden Verhältnisse eine Gefährdung des psychischen und leiblichen Wohles des Kindes bedeuteten und bei ihrer Beibehaltung die bereits eingetretenen psychischen Schäden der Minderjährigen vergrößert würden.
Nach der Auffassung des Rekursgerichtes komme eine Übertragung der elterlichen Rechte an den anderen Elternteil nur in Betracht, wenn eine Gefährdung des Kindes gegeben sei. Es müßten besonders wichtige Gründe vorliegen und eine Änderung dringend geboten sein. Dies sei etwa der Fall, wenn der betreuende Elternteil die Erziehung vernachlässige oder seine Erziehungsgewalt mißbrauche. Dagegen rechtfertige eine geringfügige Veränderung der Interessenlage noch nicht die Entziehung der Eltenrechte. Es genüge auch nicht, wenn die Erziehung beim Vater besser wäre als die an sich ordnungsgemäße bisherige Erziehung durch die Mutter oder wenn es dem Wohl des Kindes besser entspräche, beim Vater zu sein. Im vorliegenden Fall lägen keine wichtigen Gründe dafür vor, der Mutter die elterlichen Rechte zu entziehen. Die bei der Übergabe des Kindes auftretenden Spannungszustände betreffen die Eltern in gleichem Maß. Da eine Verbesserung der Lebensverhältnisse des Kindes ohne Änderung der Einstellung der Eltern nicht zu erwarten sei, sei auch eine Änderung in den elterlichen Rechten nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt.
Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, daß eine einmal getroffene Regelung, welchem Elternteil die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten allein zustehen, nicht bereits bei geringfügiger Änderung der Interessenlage, sondern nur dann geändert werden soll, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, wenn also besonders wichtige Gründe vorliegen und eine Änderung dringend geboten ist (EFSlg. 48.397, 43.321, 35.998; EvBl. 1979/185 uva). Ein Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen soll nur ausnahmsweise angeordnet werden, wenn aus besonderen Umständen eine wesentliche Verbesserung der Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes zu erwarten ist (EFSlg. 43.388 mwN). Dem Rechtsmittelwerber ist zuzugeben, daß dann, wenn solche Gründe vorliegen, der Grundsatz der Kontinuität der Pflege- und Erziehungsverhältnisse zurückzutreten hat (7 Ob 616/88). Dem Rekursgericht ist aber darin beizupflichten, daß solche Gründe hier nicht gegeben sind. Die emotionale Präferenz des Vaters durch das Kind ist kein Grund, der Mutter die Elternrechte zu entziehen. Der bei Übergabe des Kindes von einem Elternteil auf den anderen auftretende Spannungszustand ist immer nur kurzfristig, das Kind baut die Spannung rasch ab und stellt sich rasch um. Die seelische Irritation des Kindes geht somit über das Maß nicht hinaus, das häufig nach der Zerrüttung einer Ehe bei Kindern zu beobachten ist. Sie hat nach den Feststellungen des Rekursgerichtes ihre Ursache in den zwischen den Eltern selbst noch bestehenden Spannungen und Konflikten. Es wird daher Aufgabe der Eltern sein, diese Spannungen und Konflikte in Gegenwart des Kindes zurückzustellen. Ebenso wie es zur Pflicht des erziehungsberechtigten Elternteils gehört, durch Einflußnahme auf das Kind dahin zu wirken, daß dieses dem Besuchsrecht des anderen Elternteils positiv gegenübersteht, gehört es zur Pflicht des anderen Elternteils, auf das Kind so einzuwirken, daß es die Rückführung an den erziehungsberechtigten Elternteil als normales und positives Ereignis empfindet und Spannungen hiebei nicht auftreten. Da der Rechtsmittelwerber dem Kind sehr zugetan ist, kann erwartet werden, daß er sich im Interesse seines Kindes dieser Aufgabe nicht entzieht. Davon, daß dem Kind eine aufgrund wesentlich geänderter Verhältnisse gebotene Verbesserung seiner Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten verwehrt würde, kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen keine Rede sein. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
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