Spruch:
Das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Februar 1989, AZ 7 a Bl 71/88, mit dem aus Anlaß der Berufung des Angeklagten Heinz G*** das Urteil des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 1.September 1988, GZ 5 U 266/88-8, ersatzlos aufgehoben wurde, verletzt die Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustellG iVm § 6 Abs. 1 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und dem Kreisgericht Wiener Neustadt eine neue Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Heinz G*** aufgetragen.
Text
Gründe:
Aufgrund einer Anzeige des Gendarmeriepostens Ebenfurt wurde der am 28.Dezember 1939 geborene kaufmännische Angestellte Heinz G*** mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 1988, GZ 5 U 266/88-3, des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 1.200 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Nachdem der Bezirksanwalt erklärt hatte, keinen Einspruch zu erheben, wurde die Strafverfügung dem Beschuldigten zugestellt. Laut Rückschein wurden der erste Zustellversuch am 27.Juni 1988, der zweite am 28.Juni 1988 und, da der Adressat beide Male nicht angetroffen worden war, die Hinterlegung beim Zustellpostamt vorgenommen, wobei der Beginn der Abholfrist auf den 29.Juni 1988 fiel.
Am 13.Juli 1988 überreichte Heinz G*** persönlich bei Gericht einen Einspruch gegen die Strafverfügung (vgl. S 19 dA). Daraufhin wurde eine Hauptverhandlung anberaumt, nach deren Durchführung das Bezirksgericht Wiener Neustadt Heinz G*** mit Urteil vom 1. September 1988, GZ 5 U 266/88-8, des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannte und zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 1.550 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 25 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilte. Darnach hat Heinz G*** am 22.Mai 1988 in Ebenfurt seine Ehefrau Edda G*** durch Würgen am Hals und durch Ausreißen von Haarbüscheln am Körper verletzt, wodurch sie eine Druckempfindlichkeit und Schmerzhaftigkeit im Bereich beider Halsseiten und eine Schmerzhaftigkeit im Bereich der Kopfhaut erlitt. Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte das Rechtsmittel der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe an. Aus Anlaß dieser Berufung hob das Kreisgericht Wiener Neustadt als Berufungsgericht mit Entscheidung vom 21.Februar 1989, AZ 7 a Bl 71/88, das angefochtene Urteil aus dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 4 (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. b) StPO ersatzlos mit der Begründung auf, daß die an den Beschuldigten am 28.Juni 1988 durch Hinterlegung zugestellte Strafverfügung mit Ablauf des 12.Juli 1988 in Rechtskraft erwachsen und der erst am 13.Juli 1988 erhobene Einspruch des Angeklagten daher verspätet sei.
Rechtliche Beurteilung
Diese Entscheidung des Kreisgerichtes Wiener Neustadt steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß dem § 17 Abs. 3, dritter Satz, ZustellG gelten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Erster Tag dieser Frist ist jener, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels oder des Einspruchs gegen eine Strafverfügung beginnt demnach erst mit dem diesem Tag folgenden Tag zu laufen. Im vorliegenden Fall war also die Zustellung der Strafverfügung an den Angeklagten durch Hinterlegung nicht schon am 28.Juni 1988, sondern erst am 29. Juni 1988 wirksam geworden. Die Einspruchsfrist begann daher am 30. Juni 1988; sie endete mit Ablauf des 13.Juli 1988. Der Einspruch wurde vom Angeklagten folglich rechtzeitig erhoben. Soweit das Berufungsgericht die Zustellung nicht mit dem Beginn der Abholfrist, sondern schon mit dem Tag, an dem der zweite Zustellversuch unternommen worden war, sowie als Beginn der Rechtsmittelfrist den 29.Juni 1988 annahm und den am 13.Juli 1988 eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung als verspätet ansah, verstößt seine Entscheidung gegen die Bestimmung des § 17 Abs. 3 ZustellG iVm der Fristberechnungsvorschrift des § 6 Abs. 1 StPO. Zufolge dieses Rechtsirrtums unterließ es das Berufungsgericht, sich mit der Frage der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe zu befassen, deren Überprüfung der Angeklagte mit seiner Berufung angestrebt hatte, was sich für ihn nachteilig auswirken konnte.
Der von der Generalprokuratur gemäß dem § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher stattzugeben und gemäß dem § 292 StPO spruchgemäß zu erkennen.
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