OGH 11Os27/89 (11Os28/89)

OGH11Os27/89 (11Os28/89)18.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ofner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Laszlo Josef S*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 9.September 1988, GZ 9 Vr 935/84-162, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen (Schuldspruch wegen der Vergehen der Verleumdung und der Körperverletzung sowie Freispruch) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB sowie im Strafausspruch und demgemäß auch der (mit-)angefochtene Beschluß aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seinen Rechtsmitteln der Berufung und der Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.Jänner 1951 geborene Angestellte Laszlo Josef S*** des Verbrechens des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Punkt 1 des Schuldspruches), des Vergehens der Verleumdung nach dem § 297 Abs 1, erster Fall, StGB (Punkt 2 des Schuldspruches) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Diesbezüglich liegt ihm zur Last,

1) am 20.Juli 1984 in Draßburg Rauchwaren, Bargeld, Stempelmarken, Briefmarken, Feuerzeuge und Geldbörsen im Gesamtwert von 128.771 S der Maria Pauline W*** mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben, wobei er den Diebstahl durch Abdrehen des Zylinderschlosses der Eingangstür zur Trafik der Genannten, sohin durch Einbruch in ein Gebäude, beging;

2) am 4.September 1985 in Neufeld a.d. Leitha Bezirksinspektor Walter T*** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt zu haben, daß er ihn wissentlich einer Verletzung der Amtspflicht falsch verdächtigte, nämlich durch die wahrheitswidrige Behauptung gegenüber Abteilungsinspektor Eugen E*** des Gendarmeriepostenkommandos Eisenstadt, Bezirksinspektor Walter T*** habe betrunken Dienst versehen;

3) am 13.Oktober 1985 in Hornstein Othmar S*** dadurch, daß er ihn über einen Stiegenabgang hinunterstieß, wodurch der Genannte eine Prellung mit Blutunterlaufung und Schwellung im Bereich der rechten Augenbraue erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt. Zu weiteren Anklagevorwürfen erging ein - unbekämpft gebliebener - Freispruch. Überdies wurde die bedingte Nachsicht der über Laszlo Josef S*** mit dem Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 6.November 1987, AZ 9 E Vr 197/84, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten widerrufen. Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer ausdrücklich auf die Ziffern 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten (inhaltlich nur die Schuldspruchfakten 1 und 2 betreffenden) Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung bekämpft. Überdies ficht der Angeklagte den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise berechtigt. Der Beschwerdeführer macht zum Schuldspruchfaktum 1 Begründungsmängel geltend. Das Erstgericht erachtete die den Diebstahl in Abrede stellende Verantwortung des Angeklagten auf Grund von Verfahrensergebnissen für widerlegt, denen zufolge der Angeklagte zur mutmaßlichen Tatzeit in unmittelbarer Nähe des Tatortes gesehen und eine Teilabdruckspur seines rechten Ringfingers an der Innenseite der Eingangstüre zur Trafik gefunden wurde, eine größere Menge an Zigaretten sichergestellt werden konnte, die von zwei Personen auf Anordnung des Angeklagten (während gegen ihn eine Hausdurchsuchung im Gang war) in Müllsäcken versteckt verbracht werden sollten und nach der Aussage zweier Zeugen (Alfred und Heinz M***) im PKW des Walter M*** "ganze Bögen von Wertzeichen, darunter Stempelmarken zum Nennwert von 90 S, 180 S, 200 S und 240 S" gefunden wurden, von denen das Schöffengericht annahm, daß "es sich um Wertzeichen aus dem Einbruchsdiebstahl handelte" (Urteil S 14), die Walter M*** (zur Zeit der Hausdurchsuchungen) vom Angeklagten zur Verwahrung übergeben worden waren (Urteil S 5 und 14). Zutreffend weist nun der Beschwerdeführer darauf hin, daß sich das Erstgericht in diesem Zusammenhang nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt habe, daß es sich nach den für glaubwürdig befundenen Aussagen der Zeugen Alfred und Heinz M*** um ganze Bogen von Kfz-Steuermarken zu 90 S, 180 S und höheren Wertes gehandelt haben soll (Band IV S 77 und 80 dA; Urteil S 5), während der von der Geschädigten beigebrachten Aufstellung zufolge kein einziger ganzer Bogen von Kfz-Steuermarken überhaupt gestohlen worden war (Band I S 23 dA). Diese Divergenz steht an sich der Urteilsannahme einer Identität der von den Brüdern M*** im PKW entdeckten Wertzeichen mit den beim gegenständlichen Diebstahl erbeuteten entgegen.

Angezeigt wäre es ferner gewesen - auch hierin kann dem Beschwerdevorbringen Berechtigung nicht abgesprochen werden -, angesichts der unverkennbaren Bedeutung, die von den Tatrichtern dem (bereits erwähnten) Versuch einer Verheimlichung des Besitzes einer größeren Menge von Zigaretten verschiedener Sorten beigemessen wurde, im Urteil die Tatsache zu erörtern, daß sich unter den sichergestellten Tabakwaren (s. Bd. I S 79 und ON 9 dA) eine Reihe solcher Zigarettensorten, von denen einzelne (etwa "Ernte 23" und "Milde Sorte") in besonders großer Menge bei dem Diebstahl erbeutet worden waren (s. Bd. I S 19 dA), überhaupt nicht befanden. Schon diese Unvollständigkeit der Urteilsbegründung bewirkt die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO im Umfang des Schuldspruches nach den §§ 127 ff StGB, zumal nicht völlig ausgeschlossen werden kann, daß bei einer eingehenderen Befassung mit den angeführten für die Begründung der Täterschaft des Angeklagten herangezogenen Verfahrensergebnissen das Schöffengericht zu einer anderen Lösung der Schuldfrage gekommen wäre (vgl. Mayerhofer/Rieder2, ENr. 34 zu § 281 Z 5 StPO). Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO insoweit über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei auch auf das Beschwerdevorbringen zur Z 11 des § 281 Abs 1 StPO nicht mehr eingegangen zu werden braucht. Mit der Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches ist aber auch dem bekämpften Widerrufsbeschluß die Grundlage entzogen, sodaß er, um die vom Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen der §§ 494 a und 494 b StPO in der Fassung des StRÄG 1987 angestrebte "Gesamtregelung" der Straffrage in erster Instanz zu ermöglichen, mit aufzuheben war.

Dagegen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen keine Berechtigung zu.

Gegen seinen Schuldspruch wegen des Vergehens der Verleumdung wendet sich der Angeklagte unter Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe der Z 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Das Vorbringen zum erwähnten formellen Nichtigkeitsgrund, mit dem vor allem die erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite bekämpft werden, ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Urteilsannahmen zu erwecken. Daß sich die Beschwerdebehauptungen dabei zu einem erheblichen Teil in dem haltlosen Vorwurf erschöpfen, das Erstgericht habe die "Aussage des Zeugen Inspektor Eugen E*** in der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 8.September 1988 nicht berücksichtigt" (vgl. dazu insbesondere Band IV S 64 dA; US 6, 7 und 23), darf nicht unerwähnt bleiben. Die Rechtsrüge hinwieder entbehrt der prozeßordnungsgemäßen Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes, weil sie auf der urteilsfremden Annahme aufbaut, der Angeklagte habe sich an Eugen E*** "zwecks Einholung eines Ratschlages" gewendet. Die gesetzmäßige Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes erfordert aber das Festhalten an allen Urteilsfeststellungen, deren Vergleich mit dem Gesetz und den daraus abzuleitenden Vorwurf unrichtiger Rechtsfindung (vgl. Mayerhofer-Rieder2, ENr. 30 zu § 281 StPO).

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d StPO zurückzuweisen.

Mit seinen übrigen, durch die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Abschließend sei noch auf die Bestimmung des Art. XX Abs 4 StRÄG 1987 hingewiesen.

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