OGH 5Ob610/88

OGH5Ob610/8811.4.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** V*** B*** registrierte GenmbH, Hauptplatz 9-12, 2500 Baden, vertreten durch Dr. Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Walter R***, Schlosser, Richard Riedelgasse 20, 2542 Kottingbrunn, vertreten durch Dr. Erwin Englert, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1988, GZ R 59/88-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 2. Dezember 1987, GZ 3 C 682/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 247,-- an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Genossenschaft ist auf Grund des ihr in dem von ihr gegen Johanna R*** eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren am 28. April 1986 erteilten Zuschlages Eigentümerin der Liegenschaft EZ 106 KG Kottingbrunn mit dem Grundstück Nr. 115/9, auf dem sich ein von Johann R*** (mit Zustimmung dessen Frau Johanna R***) errichtetes Fertigteilhaus mit der Anschrift Richard Riedelgasse 20 befindet. Dieses Haus wurde von Johanna R*** und Johann R*** deren Sohn, dem nunmehr Beklagten, im Jahr 1976 zur unentgeltlichen Benützung zur Verfügung gestellt. Seither wohnt der Beklagte in diesem Haus.

Mit der am 29. Dezember 1986 erhobenen Klage begehrte die klagende Genossenschaft unter Hinweis auf den ihr in dem genannten Versteigerungsverfahren erteilten Zuschlag, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr die Liegenschaft Kottingbrunn, Richard Riedelgasse 20 geräumt zu übergeben. Die frühere Eigentümerin der Liegenschaft, Johanna R***, habe an der Liegenschaft keine Benützungsrechte ausgeübt, sodaß eine Übergabe gemäß § 156 EO nicht möglich sei. Die Liegenschaft werde hingegen vom Beklagten mit der Behauptung, an ihr Bestandrechte zu haben, benützt. Tatsächlich sei aber ein rechtskräftiger Bestandvertrag nicht begründet worden. Der Beklagte benütze die Liegenschaft titellos.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe mit Mietvertrag vom 17. August 1981 die Liegenschaft von seinen Eltern gemietet. Da die klagende Partei in diesen Mietvertrag eingetreten sei, sei das Räumungsbegehren nicht berechtigt. Die klagende Partei replizierte hierauf, daß der Mietvertrag erst im Jahre 1985 nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens gegen Johanna R*** abgeschlossen und rückdatiert worden sei; der Mietvertrag sei daher "von der Verpflichteten in der Absicht einer Gläubigerschädigung abgeschlossen" worden und werde "daher von der klagenden Partei angefochten". In der Tagsatzung vom 29. Juni 1987 brachte die klagende Partei ergänzend vor, daß es sich bei dem vom Beklagten behaupteten Mietvertrag um ein Scheingeschäft handle; wenn jedoch dieser Mietvertrag nicht als Scheingeschäft zu qualifizieren sei, so werde er von der klagenden Partei "wegen Gläubigerbenachteiligung nach der Anfechtungsordnung angefochten". Außerdem sei der Mietzins unangemessen niedrig, weshalb der Mietvertrag wegen laesio enormis angefochten werde. Schließlich stimmten auch Grundeigentümer und Vermieter nicht überein.

Der Beklagte bestritt demgegenüber das Vorliegen eines Scheingeschäftes. Sein Vater scheine als Vermieter auf, weil er das Haus aus eigenen Mitteln errichtet habe. Der Einwand der laesion enormis sei verjährt; darüber hinaus hätten ihm seine Eltern das Haus günstig vermietet; seine Mutter habe damals mit einem Versteigerungsverfahren nicht gerechnet, weil eine Sanierung ihres Unternehmens möglich erschienen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen:

Johanna R*** war auch Alleininhaberin des protokollierten Einzelunternehmens Maschinenfabrik Johann K***, dessen Prokurist ihr Mann, Johann R***, war. Die klagende Genossenschaft war Hausbank dieses Unternehmens; sie gewährte der Johanna R*** zahlreiche Firmenkredite, die teils durch Einräumung von Pfandrechten ob den der Johanna R*** gehörigen Liegenschaften besichert wurden. Im Jahr 1978 geriet Johanna R*** bei der Rückzahlung ihrer Firmenkredite erstmals in Zahlungsschwierigkeiten. Ab diesem Zeitpunkt gewährte die klagende Partei ihr keine weiteren Firmenkredite mehr, sie drängte vielmehr auf eine Reduzierung der aushaftenden Darlehen. Im Jahr 1978 betrug das Gesamtobligo der Maschinenfabrik Johann K*** gegenüber der klagenden Partei ca. S 8,3 Mill., welches sich bis 1979 auf rund S 7,2 Mill. reduzierte. Im Jänner 1981 betrug der Gesamtkreditrahmen der Maschinenfabrik Johann K*** bei der klagenden Partei S 5,430.000,--; damals haftete ein Gesamtobligo von S 6,982.000,-- aus. Es bestand somit zu dieser Zeit eine Überziehung des Kreditrahmens von etwas mehr als S 1,5 Mill. Im Oktober 1981 betrug der Kreditrahmen insgesamt S 5,351.000,-- und das Gesamtobligo S 7,667.000,--. Der Gesamtkreditrahmen war durch vereinbarte Abstattungen gesunken, die aber nicht geleistet wurden. Das Gesamtobligo erhöhte sich von Jänner bis Oktober 1981 um fast S 700.000,-- durch Zinsenbelastungen und Bankspesen. Im Jahr 1981 faßten Johann und Johanna R*** den Entschluß, mit ihrem Sohn einen schriftlichen Mietvertrag über das Haus Richard Riedelgasse 20 in Kottingbrunn abzuschließen. Johann und Johanna R*** wollten im Jahr 1981 einen schriftlichen Mietvertrag abschließen, weil das Unternehmen sich damals bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden hatte und die Ehe ihres Sohnes geschieden worden war. Durch einen Mietvertragsabschluß wollten sie sicherstellen, daß ihr Sohn auf jeden Fall in diesem Haus bleiben könnte. Johann R*** beauftragte Dr. Johann R***, der als Konzipient in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Fritz P*** tätig ist, mit der Vorbereitung eines Mietvertrages mit seinem Sohn und mit dem Aufsetzen eines anderen Mietvertrages. Am 10. August 1981 fand zwischen Johann R***, seiner Tochter und Dr. R*** eine Konferenz statt, anläßlich welcher der Inhalt der beiden Mietverträge detailliert besprochen wurde. Für die Übergabe des Vertragsentwurfes an Johann R*** wurde der 17. August 1981 vereinbart. Dr. Johann R*** setzte entsprechend den Weisungen von Johann R*** einen schriftlichen Mietvertragsentwurf auf und datierte diesen mit 17. August 1981 (Beilage ./1). Entsprechend dem Wunsch von Johann R*** wurde als Beginn des Mietverhältnisses der 1. Jänner 1981 und als Hauptmietzins ein Betrag von S 1.300,-- monatlich wertgesichert zuzüglich Betriebskosten und öffentlichen Abgaben angeführt. Als Vermieter scheinen in diesem Vertrag beide Eltern des Beklagten auf, Johann R*** wünschte ebenfalls als Vermieter aufzutreten, da er das Haus auf dem Grundstück aus seinen finanziellen Mitteln errichtet hatte. Dr. R*** übergab diesen schriftlichen Vertragsentwurf am 17. August 1981 an Johann R***. Der Vertrag selbst wurde im Sommer 1981 - der genaue Tag der Unterfertigung des Mietvertrages kann nicht festgestellt werden - von den Vertragsparteien unterfertigt. Seit 1981 bezahlte der Beklagte seinen Eltern den vereinbarten Mietzins. Johann und Johanna R*** machten jedoch von der Wertsicherungsklausel keinen Gebrauch. Am 13. Mai 1982 fand ein weiteres Treffen zwischen Johann R*** und Dr. Johann R*** statt. Johann R***

übergab den Mietvertrag unterfertigt an Dr. R*** und beauftragte ihn mit der Gebührenanzeige an das Finanzamt. Unter einem bezahlte Johann R*** an Dr. R*** einen Geldbetrag von S 2.860,-- als Gebühren für die Mietverträge und einen Kostenakontobetrag von S 3.000,--. Dr. R*** stellte über diese beiden Geldbeträge Quittungen aus. In der Folge wurde der Handakt, in dem sich diese beiden Mietverträge befanden, in der Anwaltskanzlei Dr. Fritz P*** irrtümlich abgelegt. Infolge dieses Versehens der Anwaltskanzlei unterblieb zunächst eine Gebührenanzeige an das Finanzamt. Im Jänner 1985 rief die Schwester des Beklagten bei Dr. R*** an und fragte ihn, warum die Mietverträge noch nicht an Johann R*** zurückgesendet worden seien. Erst auf Grund dieses Telefonanrufes erlangte die Kanzlei Dr. P*** von dem Versehen Kenntnis, daß die beiden Verträge außer Evidenz geraten waren. Am 24. Jänner 1985 zeigte Dr. R*** die Mietverträge beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern an und beantragte eine Sofortbemessung. Zur Zeit der Unterfertigung des Mietvertrages zwischen Johann und Johanna R*** als Vermieter und dem Beklagten als Mieter befürchteten die Vertragsparteien bereits, daß es möglicherweise einmal zu einer Zwangsversteigerung dieser Liegenschaft kommen könnte. Damals waren aber noch keine Klagen oder Exekutionen gegen die Maschinenfabrik K*** oder gegen Johann oder Johanna R*** persönlich anhängig. Ob den der Johanna R*** gehörenden Liegenschaften fand eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung erstmals auf Grund eines Rückstandsausweises vom 17. Mai 1982 zugunsten der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse statt (E 4926/82). Auch nach Abschluß des gegenständlichen Mietvertrages gab es im Einvernehmen zwischen Johanna R*** und der klagenden Partei Sanierungsbemühungen. Es wurde abgesprochen, daß Johanna R*** gehörende Baugründe parzelliert und abverkauft würden. Die klagende Partei entließ diese Baugründe aus der hypothekarischen Haftung, damit sie verkauft werden konnten; mit den Kaufpreisen erfolgten Kreditrückzahlungen. Ende des Jahres 1985 betrug die Gesamtverbindlichkeit der Maschinenfabrik K*** rund S 7,6 Mill., die damit ungefähr die gleiche Höhe wie im Oktober 1981 hatte. Die Kreditrückzahlungen nach Liegenschaftsverkäufen und das Ansteigen des Obligos durch weitere Zinsenbelastungen und Bankspesen hoben sich ungefähr gegeneinander auf. Johann und Johanna R*** bemühten sich auch mit Billigung der klagenden Partei als dem Hauptgläubiger, das Unternehmen als Ganzes samt allen Betriebsgrundstücken zu verkaufen. Als Kaufinteressent fand sich Ing. Siegfried F*** und es war die Rede davon, daß die klagende Partei an Ing. F*** bzw. das von ihm betriebene Unternehmen einen neuen Kredit zur Finanzierung des Kaufpreises für das Unternehmen vergeben würde, wenn Ing. F*** gewisse Voraussetzungen erfülle. Mit diesem Kaufpreis sollte Johanna R*** ihre Kreditverbindlichkeiten an die klagende Partei zurückzahlen. Nur die Betriebsgrundstücke sollten an das von Ing. F*** betriebene Unternehmen verkauft werden, nicht aber die Johanna R*** gehörenden Privatliegenschaften. Falls der Kaufpreis für das Unternehmen nicht ausgereicht hätte, um die gesamten Kreditverbindlichkeiten gegenüber der klagenden Partei abzudecken, so hätten die Privatliegenschaften für das restliche Obligo weitergehaftet. Es kam zu einer Einigung zwischen Johanna R*** und Ing. Siegfried F***; mit Billigung der klagenden Partei wurden zwei Kaufverträge zwischen Johanna R*** und der FK-hydraulik, Maschinengesellschaft mbH, deren Geschäftsführer Ing. Siegfried Finz war, abgeschlossen. Diese beiden Kaufverträge vom 28. Juli 1982 wurden vom Rechtsanwalt der klagenden Partei, Dr. Ludwig P***, aufgesetzt. Mit dem einen Kaufvertrag verkaufte Johanna R*** die Firmenliegenschaften der Maschinenfabrik K*** um einen Kaufpreis von S 4,500.000,-- an die FK-hydraulik, Maschinengesellschaft. Ein Teilbetrag des Kaufpreises von S 3,800.000,-- sollte von der Käuferin bei Dr. Ludwig P*** als Treuhänder hinterlegt werden; der Treugeber sollte mit diesem Betrag die Freilassung der Liegenschaften hinsichtlich der Pfandrechte der klagenden Partei erwirken. Der Restkaufpreis von S 700.000,-- sollte durch Übernahme von Verbindlichkeiten der Maschinenfabrik Johann K*** berichtigt werden. Mit dem zweiten Kaufvertrag vom 28. Juli 1982 veräußerte Johanna R*** die Maschinen und maschinellen Anlagen um S 2,000.000,--, die Betriebs- und Geschäftsausstattung um S 100.000,-- und das Warenlager um S 400.000,-- an die FK-hydraulik, Maschinengesellschaft mbH. Die vereinbarten Kaufpreise für alle Unternehmensbestandteile betrugen somit ingesamt S 7 Mill. Zu einer Kreditgewährung der klagenden Partei an die FK-hydraulik, Maschinenfabrik mbH kam es schließlich nicht, weil Ing. F*** die verlangten Unterlagen nicht beigebrachte hatte. Es unterblieb daher die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises durch die FK-hydraulik, Maschinengesellschaft mbH. Johanna R*** hatte das Unternehmen jedoch bereits vor dem vereinbarten Termin der Kaufpreiszahlung an den Geschäftsführer Ing. Siegfried F*** tatsächlich übergeben. Am 26. Mai 1983 wurde über das Vermögen der FK-hydraulik, Maschinengesellschaft mbH zu S 174/83 des Handelsgerichtes Wien der Konkurs eröffnet. Infolge dieser Konkurseröffnung scheiterte die von Johanna R*** beabsichtigte Sanierung durch Veräußerung des ganzen Unternehmens. Am 9. Novemer 1983 brachte die klagende Partei zu 3 Cg 1477/83 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt erstmals eine Wechselklage gegen Johanna R*** ein. Vorher gab es keine Klagsführungen der klagenden Partei gegen Johanna R*** bzw. die Maschinenfabrik Johann K***. Am 5. April 1984 beantragte die klagende Partei zu hg E 71/84 gegen die verpflichtete Partei Johanna R*** die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 106 KG Kottingbrunn. Erst durch das Vorbringen der Verpflichteten in diesem Versteigerungsverfahren erlangte die klagende Partei Kenntnis davon, daß Johann und Johanna R*** das Haus Richard Riedelgasse 20 an den Beklagten vermietet hatten. Der im Versteigerungsverfahren bestellte Sachverständige ermittelte für die Parzelle Nr. 115/9, auf welcher sich das Fertigteilhaus Richard Riedelgasse 20 befindet, einen Schätzwert von S 1,735.500,--. Der Ertragswertberechnung lag dabei ein vom Sachverständigen ermittelter ortsüblicher Mietzins von S 6.000,-- monatlich netto zugrunde. Am 24. April 1985 erhob die verpflichtete Partei Einwendungen gegen den Schätzwert und gab bekannt, daß das Haus um einen monatlichen Mietzins von S 1.300,-- an ihren Sohn vermietet sei. Unter Zugrundelegung dieses Ertragswertes wurde sodann der Schätzwert der Parzelle 115/9 mit S 1,321.920,-- ermittelt. Mit rechtskräftigem Beschluß vom 28. April 1986, E 71/84-67, wurde das Grundstück Nr. 115/9 der klagenden Partei um das Meistbot von S 881.280,-- zugeschlagen. Nach Erteilung des Zuschlages verweigerte die klagende Partei die Annahme von Mietzinszahlungen des Beklagten für das Haus Richard Riedelgasse 20. Der Beklagte erlegte hierauf den Mietzins für das Haus bei Gericht.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß eine titellose Benützung des Einfamilienhauses durch den Beklagten nicht vorliege. Der Beklagte sei auf Grund eines rechtswirksamen Mietvertrages mit der Voreigentümerin aus dem Jahr 1981 Mieter der Liegenschaft. Nach § 1120 ABGB sei die klagende Partei als Rechtsnachfolgerin im Eigentum in diesen Mietvertrag eingetreten. Von einem Scheingeschäft könne keine Rede sein. Der vereinbarte Mietzins betrage wohl nicht einmal die Hälfte des ortsüblichen Mietzinses von S 6.000,--, es sei jedoch die dreijährige Frist für den Einwand der Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes längst abgelaufen. Was die Anfechtung des Mietvertrages anlange, so komme nur § 2 Z 1 AnfO in Betracht, nach welcher Bestimmung alle Rechtshandlungen anfechtbar seien, die der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, in den letzten 10 Jahren vor der Anfechtung vorgenommen habe. Bezüglich aller anderen Anfechtungstatbestände sei die Anfechtungsfrist abgelaufen. Es sei nicht erwiesen, daß die Vertragsparteien bei Abschluß des Mietvertrages 1981 die Absicht einer Gläubigerbenachteiligung gehabt hätten. Zwar habe sich die Maschinenfabrik Johann K*** in finanziellen Schwierigkeiten befunden und hätten die Vertragsparteien befürchtet, daß es möglicherweise einmal zu einer Zwangsversteigerung der Liegenschaft kommen könnte. Durch den Mietvertragsabschluß habe daher gesichert werden sollen, daß der Beklagte auf jeden Fall im Haus bleiben könne. Johann und Johanna R*** hätten damals aber noch ernstlich gehofft, daß eine Sanierung und eine Fortführung des Unternehmens möglich sein werde, es hätten auch nach Abschluß des Mietvertrages noch ernstliche Sanierungsbemühungen stattgefunden. Durch den Abschluß des Mietvertrages hätten die Mietvertragsparteien lediglich fahrlässig eine Gläubigerschädigung bewirkt. Wohl habe man eine Zwangsversteigerung befürchtet, es sei aber aus damaliger Sicht nicht damit gerechnet worden, daß es sicher zu einer Zwangsversteigerung kommen werde. Der subjektive Tatbestand der Absichtlichkeit der Gläubigerschädigung liege daher nicht vor. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht billigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht aus rechtlichen Gründen, sodaß es ein Eingehen auf die von der Berufung geltend gemachten Bedenken gegen die vom Erstgericht im Zusammenhang mit der Benachteiligungsabsicht und deren Kenntnis durch den Beklagten getroffenen Feststellungen als entbehrlich erachtete. Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen folgendes aus:

Bei der Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht nach § 2 Z 1 AnfO sei die positive Kenntnis des Anfechtungsgegners erforderlich, daß sein früherer Vertragspartner die Gläubiger habe benachteiligen wollen; fahrlässige Unkenntnis reiche für die Anfechtung nicht aus. Es wäre daher unerheblich, ob eine mangelnde Kenntnis des Beklagten von einer Benachteiligungsabsicht verschuldet gewesens sei, ob ihm eine solche Absicht bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bekannt sein müssen. Der Anfechtende habe die Kenntnis der Benachteiligungsabsicht zu beweisen, es träfen ihn die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises der positiven Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Benachteiligungsabsicht

(vgl. EvBl 1982/142 zum gleichgelagerten Fall des § 28 Z 1 KO). Die Behauptungen der Klägerin zur Anfechtung seien unzureichend gewesen, denn sie hätten nicht einmal erkennen lassen, welchen der drei Tatbestände des § 2 AnfO die Klägerin gemeint habe. Im Hinblick auf die Behauptung, daß der Vertrag erst 1985 geschlossen worden sei, habe sie auch den Standpunkt vertreten können, daß § 2 Z 2 oder 3 AnfO Gegenstand der Anfechtung sei. Ein gesetzlicher Anfechtungstatbestand sei nur dann und so weit zu prüfen, als er durch die Sachverhaltsbehauptungen des Klägers gedeckt sei. Die Anfechtungsklage, die bloß eine bestimmte Rechtshandlung ohne Vorbringen zu einem spezifischen Anfechtungstatbestand behaupte, sei deshalb unschlüssig (vgl. König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung RN 397, 399). Bei Geltendmachung des Anfechtungstatbestandes nach § 2 Z 1 AnfO hätte daher die Klägerin behaupten und beweisen müssen, daß dem Beklagten bei Abschluß des Mietvertrages bekannt war, daß diesen Vertrag seine Mutter (als Schuldner der Klägerin) in der Absicht abschließen wollte, ihre Gläubiger zu schädigen, bzw. seine Mutter die Schädigung der Gläubiger in Kauf nahm. Eine Behauptung über diese Kenntnis des Beklagten sei nicht aufgestellt worden, es sei lediglich behauptet worden, daß Johanna R*** den Vertrag in Gläubigerschädigungsabsicht geschlossen habe. Die Rüge der Klägerin, es hätte festgestellt werden müssen, daß beide Vertragspartner (also auch der Beklagte) die Absicht gehabt hätten, das Mietobjekt im Falle einer Zwangsversteigerung dem Zugriff des Erstehers zu entziehen, entbehrt daher einer Tatsachenbehauptung. Werde ein bestimmter Sachverhalt nicht behauptet, so bedeute die Unterlassung von Feststellungen keinen Verfahrensmangel, außer bei Verletzung der Anleitungspflicht (RZ 1967, 105). Eine Anfechtungsklage, in der bloß die Anfechtbarkeit einer bestimmten Rechtshandlung ohne Sachverhaltsvorbringen zu einem spezifischen Anfechtungstatbestand behauptet werde, sei unschlüssig (JBl 1986, 665). Bei unschlüssigem Vorbringen bestehe eine Anleitungspflicht selbst bei anwaltlicher Vertretung; der Verstoß gegen die Anleitungspflicht stelle einen Verfahrensmangel dar (Fasching, Zivilprozeßgesetz, Rz 655 f). Die Verletzung der materiellen Prozeßleitungspflicht in Form der Anleitungspflicht führe dann zu einem Stoffsammlungsmangel, sei also Ursache für die Unvollständigkeit eines festgestellten Sachverhalts, bedürfe aber der ausdrücklichen Geltendmachung, um berücksichtigt werden zu können (Fasching aaO, Rz 1764 f). Eine derartige Mängelrüge sei nicht erhoben worden, sodaß das mangelhafte Vorbringen der Klägerin nicht mehr saniert werden könne. Die Feststellungen des Erstgerichtes, die sich mit der Frage der Anfechtung befaßte, seien daher im wesentlichen überschießende Feststellungen, weil durch Tatsachenbehauptungen nicht gedeckt. Selbst wenn man im Sinne der Rechtsprechung (zB. JBl 1986, 121) davon ausgehe, daß die überschießenden Feststellungen berücksichtigt werden könnten, weil sie in den Rahmen eines geltend gemachten Klagegrundes fielen, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Die Berufungswerberin übersähe nämlich, daß Voraussetzung der Einzelanfechtung einer Schuldnerrechtshandlung die Uneinbringlichkeit einer Geldforderung sei (§ 8 AnfO; SZ 7/352;

SZ 14/74; EvBl 1940/327; EvBl 1960/46; EvBl 1975/95;

Bartsch-Pollak, Kommentar zur AnfO II 552). Die Berufungswerberin, die ihr Räumungsbegehren anfänglich auf titellose Benützung gestützt habe, sähe sich durch das vom Beklagten behauptete Bestandrecht in ihrem Räumungsanspruch gegenüber der im Exekutionsverfahren verpflichteten Partei behindert. Sogenannte Individualansprüche wie zB auf Sachverschaffung oder Herausgabe, die im Wege der Exekutionsführung nach den §§ 346 bis 349 EO durchsetzbar seien, gewährten ein Anfechtungsrecht erst dann, wenn an ihre Stelle wegen Durchsetzungsvereitelung eine Schadenersatzgeldforderung getreten und diese sodann vollstreckbar und im Vermögen des Schuldners nicht einbringlich geworden sei (Bartsch-Pollak aaO 553; EvBl 1987/139). Eine Geldforderung mit dem Begehren auf Duldung der Exekution in das Objekt der anfechtbaren Handlung (vgl. EvBl 1975/95, RZ 1979/56 ua) liege aber nicht vor. Eine Pflicht zur Anleitung, das Klagebegehren zu ändern, bestehe nicht. Die Abweisung der vorliegenden Klage erweise sich daher zutreffend.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wendet sich die Revisionswerberin in erster Linie gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, ihr Prozeßvorbringen zur Anfechtung sei unzureichend gewesen. Es sei nämlich ständige Rechtsprechung, daß das Vorbringen des Sachverhaltes genüge und die Zuordnung zu einem bestimmten rechtlichen Tatbestand nicht erforderlich sei, vielmehr das Gericht im Rahmen des Vorgetragenen die entsprechenden rechtlichen Schlußfolgerungen zu ziehen habe. Da sich ihr Vorbringen auf die gesamte Anfechtungsordnung erstrecke, sei die rechtliche Anwendungsmöglichkeit aller in Frage kommender Tatbestände zu prüfen.

Dem kann nicht gefolgt werden. Es entspricht der Lehre und Rechtsprechung, daß Klagegrund einer Anfechtungsklage im Hinblick auf die Mehrheit der einander überschneidenden Anfechtungsgründe nicht nur die (generelle) Anfechtbarkeit einer bestimmten Rechtshandlung ist, diese vielmehr auch die jeweiligen spezifischen Tatbestandselemente der einzelnen Anfechtungsnormen umfaßt (Bartsch-Pollak I 173, Anm. 61; Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, 387; 1 Ob 88, 89/68). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht erkannt, daß eine Klage, die lediglich eine bestimmte Rechtshandlung ohne Vorbringen zu einem spezifischen Anfechtungstatbestand behauptet, unschlüssig ist (vgl. König, Die Anfechtung nach der KO, Rz 397). Im vorliegenden Fall hat die klagende Genossenschaft hilfsweise bloß ausgeführt, den vom Beklagten behaupteten Mietvertrag für den Fall, als er nicht als Scheingeschäft zu qualifizieren sei, "wegen Gläubigerbenachteiligung nach der Anfechtungsordnung anzufechten". Mit der somit geltend gemachten Absichtsanfechtung sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner - hier die Mutter des Beklagten - in der Absicht, die klagende Partei zu benachteiligen, vorgenommen hat. Liegt die Rechtshandlung - so wie hier - länger als 2 Jahre vor der Anfechtung zurück, so scheiden die besonderen Anfechtungstatbestände des § 2 Z 2 und 3 AnfO aus und obliegt dem Anfechtungskläger die Behauptung und der Beweis der Benachteiligungsabsicht des anderen Vertragsteiles (des Schuldners) und die Kenntnis dieser Absicht beim Anfechtungsgegner, also bei demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtshandlung vorgenommen wurde oder der aus ihr Vorteile gezogen hat (vgl. Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4, Rz 257 und König, aaO, Rz 150 jeweils zu dem gleichgelagerten Tatbestand des § 28 KO; 8 Ob 26/84; BankArch 1986, 640 ua). Bei diesem Anfechtungstatbestand gilt die Beweislastverschiebung zu Lasten der "familia suspecta" nicht (Petschek-Reimer-Schiemer, aaO, 365; König, aaO, Rz 151; 1 Ob 204/86; EvBl 1982/142; 8 Ob 26/84 ua). Dem von der klagenden Partei nach Abgehen von ihrem in der Klage im Sinne einer titellosen Benützung der Liegenschaft durch den Beklagten vertretenen Rechtsstandpunkt letztlich erstatteten Prozeßvorbringen ist nur die Behauptung zu entnehmen, daß der vom Beklagten behauptete Mietvertrag "von Johanna R*** in der Absicht einer Gläubigerschädigung abgeschlossen" wurde und dieser Mietvertrag, wenn er nicht als Scheingeschäft zu qualifizieren sei, von der klagenden Partei "wegen Gläubigerbenachteiligung nach der Anfechtungsordnung angefochten" werde. Eine Prozeßbehauptung, wonach der Beklagte bei Abschluß des Mietvertrages von der behaupteten Gläubigerbenachteiligungsabsicht seiner Mutter Kenntnis gehabt hätte, wurde von der klagenden Partei nicht aufgestellt. Fehlt aber die Prozeßbehauptung, der Beklagte habe als "anderer Teil" (anderer Vertragsteil, zu dessen Gunsten der Vertrag abgeschlossen worden sei oder der aus diesem Vorteil gezogen habe) bei Abschluß des Mietvertrages die Benachteiligungsabsicht seiner Mutter gekannt, so entspricht die von der klagenden Partei im Verfahren abgegebene Anfechtungserklärung, soweit sie sich auf den allein in Frage kommenden Anfechtungstatbestand des § 2 Z 1 AnfO stützt - die übrigen nicht auf die AnfO gegründeten Anfechtungsgründe werden von der klagenden Partei im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhalten - nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Hat die klagende Partei aber ihrer Behauptungspflicht nicht entsprochen, so hat das Berufungsgericht den von der klagenden Partei in Ansehung der in der Berufung erstmalig aufgestellten Behauptung über das Vorliegen der Benachteiligungsabsicht auch auf Seiten des Beklagten erhobenen Feststellungsmangel mit Recht als nicht gegeben erachtet. Da die klagende Partei in ihrer Berufung - wie das Berufungsgericht auch zutreffend erkannte - eine Mängelrüge hinsichtlich eines Verstoßes des Erstgerichtes gegen die Anleitungspflicht unterlassen hat, durfte das Berufungsgericht auf das zusätzliche Vorbringen der klagenden Partei in der Berufung über eine auch beim Beklagten vorhandene Benachteiligungsabsicht nicht eingehen. Das Gericht zweiter Instanz hat es daher mit Recht unterlassen, auf die zu den überschießenden Feststellungen des Erstgerichtes erhobene Beweisrüge einzugehen. Von einem Überraschen mit einer Rechtsansicht kann unter den gegebenen Umständen keine Rede sein. Ein Mangel des Berufungsverfahrens ist daher nicht gegeben.

Da aus dem der rechtlichen Beurteilung hier zugrunde zu legenden Prozeßvorbringen der klagenden Partei die begehrte Unwirksamkeit des Mietvertrages im Sinne des § 2 Z 1 AnfO nicht abgeleitet werden kann, entspricht die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen der Sach- und Rechtslage (vgl. Fasching, Lehrbuch, Rz 1464). Unter diesen Umständen erübrigt es sich, noch auf die von der klagenden Partei in ihrer Revision vorgetragene Bekämpfung des vom Gericht zweiter Instanz für die Bestätigung des erstinstanzlichen Urteiles zusätzlich herangezogenen, in der Ablehnung des Vorliegens der für die Einzelanfechtung von Individualansprüchen erforderlichen Voraussetzungen erblickten Abweisungsgrundes einzugehen.

Die Revision erweist sich damit als unberechtigt, weshalb ihr kein Erfolg beschieden sein konnte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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