Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Mutter und der Sachwalter des mj. Emanuel K***
beantragten, den vom Vater monatlich zu leistenden Unterhalt von S 1.800,-- auf S 2.430,-- zu erhöhen. Das Erstgericht stellte dem Vater diesen Antrag gemäß § 185 Abs 3 AußStrG mit dem Ersuchen zu, sich dazu am 29. November 1988 beim Erstgericht mündlich oder bis dahin schriftlich zu äußern; andernfalls würde angenommen, daß der Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetze. Der Antrag wurde dem Vater am 19. November 1988 (durch Hinterlegung) zugestellt. Er leistete der Ladung des Erstgerichtes nicht Folge und gab auch keine schriftliche Äußerung zum Unterhaltserhöhungsantrag ab.
Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsantrag statt. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Die Rechtsmittelbeschränkung des § 14 Abs 2 AußStrG, wonach Rekurse gegen die Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig sind, steht allerdings der Prüfung des erhobenen Rechtsmittels nicht entgegen, weil die darin aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Anwendung des § 185 Abs 3 AußStrG die Geltendmachung von Neuerungen im Rekurs hindert (ÖA 1984, 47; EFSlg 52.684; 52.730; auch schon EFSlg 35.023 und 37.339; ggt hingegen EFSlg 49.868) und dem Revisionsrekurswerber durch den Ausschluß solcher Neuerungen rechtliches Gehör überhaupt versagt worden ist, als Verfahrensfragen (SZ 52/155 = EvBl 1980/87 = JBl 1980, 382; EFSlg 47.192, 49.905, 52.730 uva) nicht zum Bemessungskomplex gehört.
Der Revisionsrekurswerber macht jedoch mit diesem Vorbringen keinen tauglichen Rechtsmittelgrund iS des § 16 AußStrG geltend. Ob die Anwendung der Sonderbestimmung des § 185 Abs 3 AußStrG einer Geltendmachung von Neuerungen im Rekurs (§ 10 AußStrG) entgegensteht, ist keine materiellrechtliche, sondern - wie schon erwähnt - eine verfahrensrechtliche Frage; diese ist daher nicht unter dem vom Revisionsrekurswerber herangezogenen Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit zu prüfen. Im Rahmen des § 16 AußStrG kann vielmehr eine unrichtige Auslegung von Verfahrensgesetzen nur unter dem Rechtsmittelgrund der Nichtigkeit geltend gemacht werden, also nur dann, wenn der Verfahrensverstoß von so einschneidender Bedeutung ist, daß er das Gewicht einer Nichtigkeit hat (stRsp zB EFSlg 44.693; 47.240; 49.980; 52.806; 52.809), was insbesondere bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Fall wäre (stRsp EFSlg 47.256; 49.982; 52.796).
Ein solcher Verstoß liegt aber hier nicht vor: Der Oberste Gerichtshof hat nämlich zum Verhältnis des § 10 AußStrG zur Spezialbestimmung des § 185 Abs 3 AußStrG wiederholt folgendes ausgesprochen:
Einem Beteiligten, der vom Erstgericht nach § 185 Abs 3 AußStrG ordnungsgemäß zur Äußerung aufgefordert worden ist, sich daraufhin nicht geäußert und damit keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat, ist es verwehrt, dem Sachverhaltsbild, von dem das Gericht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf das Schweigen des Beteiligten ausgehen durfte, im Rekurs neue, davon abweichende
Behauptungen tatsächlicher Art entgegenzuhalten (EFSlg 35.130/2 = ÖA
1981, 54; SZ 52/155 = EvBl 1980/87 = JBl 1980, 382; EFSlg 37.470 ua;
zuletzt 6 Ob 731/87). § 185 Abs 3 AußStrG ist nicht nur eine besondere Regelung der Art der Gewährung des rechtlichen Gehörs oder der Voraussetzungen für den Verlust des Anspruches auf rechtliches Gehör in dringenden Vormundschafts- und Pflegschaftssachen; eine solche Auslegung der zitierten Gesetzesbestimmung würde die darin vorgesehene Rechtsfolge (Annahme, daß der säumige Beteiligte dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt) inhaltsleer und die Absicht des Gesetzgebers, eine Verfahrensbeschleunigung zu bewirken und möglichst rasch zu einer Sachentscheidung zu gelangen, zunichte machen (EFSlg 37.470; ähnlich EFSlg 49.995). Insoweit ist dem § 10
AußStrG durch § 185 Abs 3 AußStrG derogiert worden (SZ 52/155 = EvBl
1980/87 = JBl 1980, 382; EFSlg 37.470).
Damit liegt aber im Ausschluß des Revisionsrekurswerbers vom Vorbringen solcher Neuerungen im Rekurs keine Nichtigkeit begründende Verletzung des rechtlichen Gehörs. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs fordert im übrigen nur, daß der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt oder zur Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruches vorbringen kann. Rechtliches Gehör ist der Partei (- auch über den Spezialfall des § 185 Abs 3 AußStrG hinaus -) auch dann gewährt, wenn sie sich nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat (stRsp zB EFSlg 49.985; 55.699).
Dadurch, daß die Aufforderung an den Revisionsrekurswerber, sich bis 29. November 1988 zu äußern, am 19. November 1988 nach den einschlägigen Vorschriften hinterlegt wurde, ist er vom rechtlichen Gehör nicht ausgeschlossen worden. Der Revisionsrekurswerber hat nie behauptet, daß er keine Möglichkeit gehabt hätte, die hinterlegte Sendung zu beheben, und dadurch nicht imstande gewesen wäre, eine Äußerung abzugeben. Die Unzulässigkeit der Geltendmachung von Neuerungen im Rekurs im Falle der gesetzmäßigen Anwendung des § 185 Abs 3 AußStrG bewirkte, daß das Erstgericht den (nur bei Berücksichtigung der Neuerungen allenfalls erfolgreichen) Rekurs auch nicht nach § 9 Abs 2 AußStrG zu behandeln hatte. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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