OGH 6Ob3/89

OGH6Ob3/8930.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Abhandlung und Verlassenschaft nach dem am 9.Februar 1985 gestorbenen Richard W***, zuletzt Landwirt in Baden, Waltersdorferstraße 42, wegen Pflichtteilsausweisung, infolge der Revisionsrekurse der beiden mj. Kinder des Erblassers, deren aufgrund des Gesetzes abgegebene Erbserklärungen zu Gericht angenommen sind, und zwar a) des Georg W***, geboren am 12.August 1973 und b) der Julia W***, geboren am 19.Januar 1978, beide Schüler, beide wohnhaft im Haushalt ihrer Mutter Rosa W***, Landwirtin, Tribuswinkel, Sängerhofgasse 15, der mj. Sohn vertreten durch Dr.Johann Szemelliker, Rechtsanwalt in Baden, und die mj. Tochter vertreten durch Dr.Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, jeweils als abhandlungsbehördlich bestellter Kollisionskurator gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 23. Januar 1989, GZ R 433/88-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 18.Oktober 1988, GZ 2 A 70/85-59, in seinem Punkt 2 ersatzlos aufgehoben und in seinem Punkt 3 abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revisionsrekurse wird die angefochtene Rekursentscheidung (ON 70) unter Zurückweisung des von Christian W*** gegen den erstinstanzlichen Beschluß vom 18.Oktober 1988 (ON 59) erhobenen Rekurses (ON 62) aufgehoben.

Text

Begründung

Der am 9.Februar 1985 im 48.Lebensjahr gestorbene Erblasser hinterließ seine Ehefrau als Witwe und sechs Kinder. Eine letztwillige Anordnung des Erblassers ist nicht aktenkundig. Die aufgrund des Gesetzes berufenen Angehörigen, und zwar die Witwe zu einem Drittel des Nachlasses und die Kinder mit Ausnahme des ältesten Sohnes zu je 2/15 des Nachlasses erklärten sich mit der Rechtswohltat des Inventars zu Erben. Das Abhandlungsgericht nahm diese Erbserklärungen an.

Der Erblasser hatte mit einem in Notariatsaktform errichteten Übergabsvertrag vom 13.Juli 1982 seinem ältesten Sohn im Bundesland Niederösterreich gelegene landwirtschaftlich genutzte Grundstücke samt Wirtschaftsgebäude, landwirtschaftliche Maschinen und Geräte gegen einen ausgewiesenen Übergabspreis von 500.000 S zum vereinbarten Stichtag vom 1.Juli 1982 übergeben. Der Erblasser hat in der Folge eines der übergebenen Grundstücke an die Stadtgemeinde verkauft und dem Übernehmer als Ersatz hiefür mit Notariatsakt vom 31. August 1984 zwei andere Grundstücke übergeben. Der älteste Sohn erklärte hierauf am 31.August 1984 in Notariatsaktform, im Hinblick auf die Übernahme eines Großteiles des väterlichen landwirtschaftlichen Betriebes für sich und seine Nachkommen auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber dem Erblasser zu verzichten. Der Erblasser nahm diese Verzichtserklärung ausdrücklich an.

Im Sinne dieses Verzichtes wurde der älteste Sohn des Erblassers der Nachlaßabhandlung nicht beigezogen.

In den Nachlaß fielen außer einem bilanzmäßig überschuldeten gastgewerblichen Betrieb und einem ebenfalls bilanzmäßig überschuldeten Tankstellenunternehmen, einem Traktor und vier weiteren Kraftfahrzeugen, sonstigen Fahrnissen, einer Kaufpreisforderung und einem Abgabenrückerstattungsanspruch sowie nicht nennenswerten Sparguthaben und Beteiligungen Liegenschaften und Liegenschaftsanteile mit einem Schätzwert von insgesamt über 9 Mio S.

Auf der Grundlage eines inventarmäßig ausgewiesenen reinen Nachlasses von rund 4,5 Mio S und dem sich danach ergebenden Wert einer 2/15 Erbquote der fünf erbserklärten Kinder von rund 600.000 S schlossen die erwähnten fünf Kinder und die Witwe des Erblassers im August 1987 ein Erbteilungsübereinkommen.

Das Abhandlungsgericht trug dem Gerichtskommissär unter anderem Erhebungen darüber auf, ob es sich bei dem vom Erblasser mit seinem ältesten Sohn abgeschlossenen Übergabsvertrag nicht um eine gemischte Schenkung gehandelt habe und aufgrund des Schenkungsanteiles zugunsten der mj. Kinder gemäß § 785 ABGB ein Schenkungspflichtteilsanspruch bestehe.

Erst daraufhin lud der Gerichtskommissär auch den ältesten Sohn des Erblassers gemeinsam mit den erbserklärten Erben zu einer Erörterung der vom Abhandlungsgericht als aufklärungsbedürftig erklärten Fragen zu einer Tagsatzung. Dabei gab der älteste Sohn des Erblassers zu seiner Übernahme des väterlichen landwirtschaftlichen Betriebes Aufklärungen in tatsächlicher Hinsicht. Nach der vom Gerichtskommissär verfaßten Niederschrift hat der älteste Sohn des Erblassers in diesem Zusammenhang "beantragt, für die Bewertung des ihm übergebenen landwirtschaftlichen Vermögens den Übernahmspreis heranzuziehen, da es sich um einen Erbhof gehandelt habe". Auf Weisung des Abhandlungsgerichtes führte der Gerichtskommissär Erhebungen zur Klärung der Hofeigenschaft im Sinne des Anerbengesetzes nicht nur in Ansehung der in den Nachlaß gefallenen, überwiegend dem Weinbaubetrieb gewidmeten Grundfläche, sondern auch in Ansehung des vom Erblasser seinem ältesten Sohn übergebenen unbeweglichen Gutes durch. Im Zuge dieser Erhebungen lud der Gerichtskommissär außer den erbserklärten Erben auch wieder den ältesten Sohn des Erblassers. Dieser erteilte Aufklärungen in tatsächlicher Hinsicht, stellte aber formell keinen eigenen Antrag. Aufgrund der durch den Gerichtskommissär gepflogenen Erhebungen sprach das Abhandlungsgericht in einem in drei Punkte gegliederten Beschluß aus, daß weder die in den Nachlaß gefallenen Liegenschaften samt den auf deren Gutsbestand errichteten Gebäuden (Punkt 1), noch das vom Erblasser zu Lebzeiten an seinen ältesten Sohn übergebene unbewegliche Gut (Punkt 2) einen Erbhof im Sinne des § 1 AnerbenG darstellen. Gleichzeitig erteilte das Abhandlungsgericht dem Gerichtskommissär den Auftrag, zur Pflichtteilsausweisung der beiden minderjährigen Miterben das vom Erblasser seinem ältesten Sohn übergebene unbewegliche und bewegliche Vermögen schätzen zu lassen (Punkt 3).

Der Ausspruch über das in die Verlassenschaft gefallene unbewegliche Vermögen (Punkt 1) blieb unangefochten. Der älteste Sohn des Erblassers erhob aber gegen den abhandlungsgerichtlichen Feststellungsausspruch, daß dem ihm vom Erblasser übergebenen Grundbesitz keine Höfeeigenschaft zukomme (Punkt 2), und gegen den Auftrag zur Schätzung des ihm übergebenen Vermögens (Punkt 3) Rekurs mit dem Antrag, die Höfeeigenschaft auszusprechen und den Schätzungsauftrag aufzuheben. Der Rekurswerber machte als Rechtsmittelgrund ausdrücklich die Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtsweges geltend, bestritt die Anrechnungsvoraussetzungen nach § 785 ABGB mit der Begründung, daß er zwar im Zeitpunkt der Übergabe infolge wirksamen Erb- und Pflichtteilsverzichtes aber nicht mehr im Zeitpunkt des Erbfalles zum Kreis der (konkret) pflichtteilsberechtigten Personen gezählt habe, und wies darauf hin, daß ein gegen ihn etwa wegen Pflichtteilsverkürzung begründeter Anspruch gemäß § 1487 ABGB verjährt wäre, Ermittlungen zur Höhe eines solchen Anspruches der minderjährigen Miterben daher ohne praktischen Wert blieben. Das Rekursgericht hob den feststellenden Ausspruch über die fehlende Erbhofeigenschaft der vom Erblasser seinem ältesten Sohn übergebenen Gründe (Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses) ersatzlos auf und wies den Antrag der minderjährigen Erben und der volljährigen Tochter des Erblassers auf Schätzung des vom Erblasser seinem ältesten Sohn übergebenen Vermögens ab.

Das Rekursgericht unterstellte ohne weitere Erörterung die Rechtsmittelbefugnis des an der Abhandlung nicht beteiligten ältesten Sohnes des Erblassers. Es bejahte ausdrücklich die Befugnis des Abhandlungsgerichtes im Rahmen des § 162 AußStrG, die Schätzung der hinzuzurechnenden Geschenke des Erblassers anzuordnen. Das Rekursgericht verneinte aber die materiellrechtlichen Voraussetzungen für eine unbefristete Schenkungsanrechnung zur Ermittlung des Pflichtteiles aus dem Ansatz heraus, daß ohne Rücksicht auf die zweijährige Frist des § 785 Abs. 3 ABGB Schenkungen des Erblassers nur an solche Personen anrechenbar seien, denen im Zeitpunkt des Erbfalles ein Pflichtteilsanspruch zugestanden sei, woran es im vorliegenden Fall aber bei Zuwendungen des Erblassers an seinen ältesten Sohn zufolge dessen Erb- und Pflichtteilsverzichtes gebreche. Daraus folgerte das Rekursgericht weiter, für die anhängige Verlassenschaftsabhandlung sei das vom Erblasser seinem ältesten Sohn übergebene Vermögen ohne Bedeutung. Dieser Sohn hätte deshalb auch kein Anrecht darauf, daß (im Abhandlungsverfahren) die Erbhofeigenschaft des von ihm übernommenen unbeweglichen Vermögens festgestellt würde. Der feststellende Ausspruch des Abhandlungsgerichtes sei deshalb ersatzlos aufzuheben. Andererseits sei der Antrag der im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Erben auf Schätzung des ihrem ältesten Bruder übergebenen Vermögens zwecks Ausmittlung ihres Pflichtteiles abzuweisen.

Die beiden noch minderjährigen Erben fechten die Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses sowohl in seinem feststellenden Ausspruch über die nicht gegebene Erbhofeigenschaft des dem ältesten Sohn übergebenen unbeweglichen Vermögens als auch in der verfahrensleitenden Schätzungsanordnung dieses Vermögens abzielenden Rechtsmittelantrag an. Die beiden Revisionsrekurswerber wenden sich vor allem gegen die rekursgerichtliche Ansicht, daß ein im Zuwendungszeitpunkt nicht bloß abstrakt, sondern (hypothetisch, wenn der Erbfall bereits in jenem Augenblick eingetreten wäre) auch konkret pflichtteilsberechtigter Geschenknehmer, wenn er im Zusammenhang mit der Zuwendung oder nachträglich auch ohne einen solchen Zusammenhang einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag mit dem Erblasser abschließe, als "nicht pflichtteilsberechtige Person" im Sinne des § 785 Abs. 3 ABGB zu behandeln sei.

Rechtliche Beurteilung

Diese gerade in jüngster Zeit in der Literatur sehr unterschiedlich gelöste Auslegungsfrage (vgl Welser zuletzt in FS-Kralik, 583 ff; Ostheim, Familienrechtsreform, 57 ff einerseits und Kralik, ErbR, 303 f; Schwind in FS Firsching, 263 ff, Miksch in Floretta Ehe- und Kindschaftsrecht, 51 ff und Umlauft, NZ 1988, 89 ff andererseits) ist aus rein verfahrensrechtlichen Erwägungen nach dem gegenwärtien Stand der Abhandlung unerheblich.

In verfahrensrechtlicher Sicht ist nämlich vorweg klarzustellen:

Der älteste Sohn des Erblassers war zufolge seines Erbverzichtes der Abhandlung nicht beizuziehen, er hat sich auch an der Abhandlung nicht beteiligt. Ihm kommt im anhängigen Abhandlungsverfahren keine Beteiligtenstellung zu, er ist ein außenstehender Dritter. Er hatte in seiner Eigenschaft als möglicherweise gemäß § 951 ABGB haftender Beschenkter kein Antragsrecht und kein Beschwerderecht, auch nicht in Ansehung amtswegiger Erhebungen im Rahmen des § 162 AußStrG, soweit durch solche nicht unmittelbar in seine Rechtsstellung eingegriffen wurde. Auf § 951 AGBG gegründete Ansprüche gegen ihn wären auch von pflegebefohlenen Pflichtteilsberechtigten im Rechtsstreit zu verfolgen. Eine solche Rechtsverfolgung vorbereitende, die Anspruchsgrundlagen klärende Erhebungen, aber auch Entscheidungen des die Interessen minderjähriger Pflichtteilsberechtigter wahrnehmenden Abhandlungsgerichtes bleiben für ihn ohne jede bindende Wirkung. Seiner Beiziehung zur Klärung der Voraussetzungen eines den minderjährigen Erben etwa zustehenden Schenkungspflichtteilsanspruches kam keine über eine wechselseitige Information und den Versuch einer außerstreitigen Bereinigung hinausgehende verfahrensrechtliche Bedeutung zu. In diesem Sinne war die Erklärung des ältesten Sohnes des Erblassers vor dem Gerichtskommissär am 23.September 1987 (AS 126), er "beantrage" eine Bewertung im Sinne des anerbenrechtlichen Übernahmspreises, nicht als verfahrensrechtlicher Antrag, sondern als Darlegung seines Rechtsstandpunktes und seiner in einem allfälligen Rechtsstreit einzunehmenden Verfahrensposition zu verstehen.

Daraus folgt:

Der älteste Sohn des Erblassers hat weder einen formellen Antrag auf Feststellung der anerbenrechtlichen Erbhofeigenschaft der ihm vom Erblasser übergebenen Grundstücke gestellt, noch könnte ein Ausspruch des Abhandlungsgerichtes über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser bewertungsmäßig erheblichen Eigenschaft für ihn bindende Wirkung zeitigen.

Als ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter konnte seine Rechtssphäre aber auch durch Anordnung der Schätzung der von ihm übernommenen und nun in seinem Besitz und Eigentum stehenden Vermögensteile nicht berührt werden. Er ist nicht verhalten, die Befundaufnahme auf seinem Grund zu dulden. Ein Schätzungsergebnis wäre für ihn in keiner Weise bindend.

Aus diesen Erwägungen war der älteste Sohn des Erblassers nicht zum Rekurs gegen den abhandlungsgerichtlichen Beschluß (ON 59) berechtigt.

Dies ist aus Anlaß der zulässigen Revisionsrekurse der beiden minderjährigen erbserklärten Erben wahrzunehmen. Die angefochtene Rekursentscheidung ist daher mangels wirksamer Anfechtung des erstinstanzlichen Beschlusses aufzuheben; der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des ältesten Sohnes des Erblassers ist zurückzuweisen.

Dies alles enthebt freilich das Abhandlungsgericht nicht einer neuerlichen Prüfung seiner Anordnung der kosten- und zeitaufwendigen Schätzung zur Klärung eines nicht gegen einen anderen Miterben, sondern gegen einen an der Abhandlung nicht beteiligten Dritten klageweise zu verfolgenden Anspruches unter Berücksichtigung der dargelegten Verfahrenslage, der Grenzen außerstreitiger Gerichtsbarkeit und der Rechtsfürsorge im Rahmen der §§ 27 und 162 AußStrG.

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