Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 30.November 1947 geborene Hilfsarbeiter Franz H*** wurde des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. schuldig erkannt, weil er am 12.Mai 1988 in Marchtrenk Helmut K*** durch Abgabe von drei gezielten Schüssen aus einem Kleinkalibergewehr gegen den Brustbereich vorsätzlich getötet hat.
Die Geschwornen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage nach dem Vorliegen des Schuldausschließungsgrunds der Zurechnungsunfähigkeit stimmeneinhellig sowie jene nach Notwehr, Putativnotwehr und Notwehrüberschreitung im Stimmenverhältnis von 6 : 2 verneint. Die übrigen, ihnen vorgelegten Eventual- und Zusatzfragen blieben folgerichtig unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs 1 Z. 5, 6, 8 und 12 StPO. Die Verfahrensrüge (Z. 5) versagt, weil durch die Abweisung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung am 20.Dezember 1988 gestellten Beweisanträge (S. 105, 137 f/II) Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden.
Daß ein Schießsachverständiger nichts darüber zu bekunden vermag, ob dem Beschwerdeführer die Folgewirkung des Gebrauchs seiner Waffe und deren Durchschlagskraft bekannt waren, liegt auf der Hand und wird von der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen. Die Feststellung der objektiven Durchschlagskraft und damit der Gefährlichkeit der Waffe aber war nicht erforderlich; genug daran, daß sie ausreichte, den Tod eines Menschen herbeizuführen. Zur Rekonstruktion des Tathergangs, ob sich auf Grund der Durchschlagskraft der verwendeten Waffe die Entfernung, aus der die Schüsse abgegeben wurden, näher bestimmen lasse, daß Helmut K***, mit erhobenem Krampen den Küchenraum betretend, sonach in gebeugter Angriffshaltung, auf den Nichtigkeitswerber losgegangen sei sowie zur zusätzlichen Eingrenzung der Entfernung zwischen Schützen und Opfer waren Beweisanträge nicht gestellt worden, sodaß der Rechtsmittelwerber zur Geltendmachung dieser Umstände im Rahmen der gerügten Nichtigkeit nicht legitimiert ist.
Auch die Ablehnung der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gemäß § 118 Abs 2 StPO. "zur Abklärung der Alkoholisierung" erging der Sache nach zu Recht. Zwar ist dem Erstgericht insofern nicht beizupflichten, als dieses sein abweisliches Erkenntnis darauf stützte, daß die Voraussetzungen der §§ 125 und 126 StPO. nicht gegeben seien, denn Mängel in bezug auf Befund und Gutachten Dris. K*** hat der Angeklagte in seinem Antrag nicht behauptet; vielmehr wurde der Antrag auf § 118 Abs 2 StPO. gestützt, der die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen wegen Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung vorsieht. Schwierig ist die Befundung und Begutachtung, wenn der Sachverständige die ihm vom Gericht vorgelegten Sachfragen gar nicht oder doch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermag;
gleichwohl darf sich für eine Maßnahme gemäß § 118 Abs 2 StPO. die Möglichkeit einer Beantwortung durch einen anderen Sachverständigen nicht von vornherein ausschließen lassen (RZ. 1970, 38;
LSK. 1979/370). Der Sachverständige Dr. K*** hat sowohl schriftlich (ONr. 15) als auch in der Hauptverhandlung (S. 124 ff/II) nachvollziehbar dargetan, aus welchen Gründen er zur Ansicht gelangte, daß die Alkoholisierung des Beschwerdeführers das Ausmaß einer vollen Berauschung zur Tatzeit nicht erreicht hat; ein Fall schwieriger Befundung und Begutachtung liegt nach dem vorher Gesagten sonach nicht vor.
Mängel in bezug auf Befund und Gutachten Dris. K*** im Sinn der §§ 125 und 126 StPO. sind im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht worden. Dem Nichtigkeitswerber ist es darum verwehrt, im Rechtsmittelverfahren, das nur der Überprüfung des Verfahrens vor dem Prozeßgericht dient, Bedenken solcher Art nachzutragen (10 Os 72/83).
Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z. 6) erblickt der Rechtsmittelwerber im Unterbleiben einer Eventualfrage wegen fahrlässiger Tötung nach § 80 StGB., welche seiner Auffassung nach im Hinblick auf die Möglichkeit einer unbeabsichtigten Schußabgabe aus dem gegen Helmut K*** in Anschlag gebrachten Gewehr indiziert gewesen sei.
Weder die Verantwortung des Angeklagten noch ein sonstiges Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung bietet konkrete Anhaltspunkte für eine unbeabsichtigte Auslösung des (ersten) Schusses, weshalb die vermißte Eventualfrage zu Recht nicht gestellt wurde. Der Variante fahrlässiger Tatbegehung aber (durch Notwehr- bzw. Putativnotwehrüberschreitung) wurde mittels Aufnahme der Eventualfragen VI, VIII und X in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnisse nach § 81 Z. 1 StGB. in das Fragenschema Rechnung getragen. Die Geschwornen, die eine Frage auch teilweise (mit Beschränkungen) bejahen können (§ 330 Abs 2 StPO.) und die vorliegend auf eine solche Möglichkeit in der allgemeinen Rechtsbelehrung ausdrücklich hingewiesen wurden (S. 225/II), wären demnach in der Lage gewesen, die an sie gestellten Schuldfragen in der Richtung des § 81 Z. 1 StGB. unter Ausklammerung der Worte ".... unter besonders gefährlichen Verhältnissen ....." zu beantworten und auf diese Weise eine Tatbeurteilung nach § 80 StGB. herbeizuführen. Unrichtig ist die mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 8 aufgestellte Beschwerdebehauptung, in die Rechtsbelehrung seien hinsichtlich fahrlässiger Tötung keine Ausführungen aufgenommen worden. Indes umfassen die Erläuterungen zum § 81 Z. 1 StGB. ausreichende Darlegungen darüber, was unter fahrlässiger Tötung zu verstehen ist (S. 218/II). Da darüber hinaus die Rechtsbelehrung nur zu den gestellten Fragen zu erteilen ist (§ 321 Abs 2 StPO.), eine Frage lediglich nach dem Vergehen der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB. aber, wie dargetan, zutreffend nicht gestellt wurde, unterblieben Ausführungen zu diesem Tatbestand mit Recht. Die Rechtsrüge (Z. 12) schließlich, in welcher der Beschwerdeführer seine Zurechnungsunfähigkeit infolge voller Berauschung behauptet und ersichtlich eine Tatbeurteilung nach § 287 StGB. anstrebt, ist nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt. Hält doch das Beschwerdevorbringen nicht am Inhalt des Wahrspruchs (Verneinung der konform mit § 11 StGB. gestellten Zusatzfrage) fest, sondern negiert im Widerspruch zum Verdikt die darin festgestellte Zurechnungsfähigkeit des Täters.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über Franz H*** nach § 75 StGB. unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von neun Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen, daß die Tat mit dem bisherigen Lebenswandel des Angeklagten in auffallendem Widerspruch stehe, den zur Tatzeit einer vollen Berauschung nahekommenden Zustand des Täters, das teilweise Geständnis, daß der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat schwach an Verstand im Sinn einer organischen Demenz gewesen sei, er die Tat in einer vom Opfer provozierten Erregung ausgeführt und sie in der Schuldform des bedingten Vorsatzes begangen habe.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf sechseinhalb Jahre.
Die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe bedürfen insofern einer Korrektur, als der Umstand, daß die Tat in der Schuldform des bedingten Vorsatzes begangen wurde, keinen Milderungsgrund darstellt (LSK. 1979/136): Die schwere Alkoholisierung des Berufungswerbers ist diesem vorwerfbar und sonach nicht strafmildernd, weil er nach seinen eigenen Angaben immer getrunken hat (S. 285/I) und der Sachverständige Dr. K*** bekundete, H*** habe sich das Trinken angewöhnt und er sei in der Lage, sich über die Folgen seines Trinkens klar zu sein (S. 132/II). Mildernd wäre eine durch Berauschung bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nur dann, wenn etwa der Täter nicht wußte, daß er ein berauschendes Mittel zu sich nimmt, wenn er die Folgen des Konsums solcher Mittel noch nicht kannte oder wenn er das berauschende Mittel aus allgemein begreiflichen Gründen, wie etwa wegen des Todes eines Angehörigen, zu sich nahm (Foregger-Serini, MKK.4 Erläuterungen I 1 zu § 35 StGB.).
Dafür, daß der Angeklagte ein "Außenseiter der Gesellschaft" ist, bietet der Akteninhalt keinen Anhaltspunkt. Daß ihm aber von früher Jugend an die Geborgenheit eines ordentlichen bzw. funktionierenden Elternhauses fehlte, kann bei einem Mann im 42. Lebensjahr keine strafmildernde Berücksichtigung mehr finden (LSK. 1983/38 u.a., zuletzt 13 Os 65/87).
Die von der Berufung ins Treffen geführte herabgesetzte Wertverbundenheit zum Tatzeitpunkt, länger aufgestaute Minderwertigkeitskomplexe und nicht abgebaute Aggressionen gehen nach der Lage des Falls in dem dem Berufungswerber zugebilligten Milderungsgrund des Vorliegens einer organischen Demenz auf. Auch die die Tathandlung auslösende Provokation des Opfers wurde schon vom Erstgericht als strafmildernd gewertet.
Berücksichtigt man, daß die vom Geschwornengericht angenommenen besonderen Strafzumessungsgründe zum Nachteil des Angeklagten zu berichtigen waren und keine weiteren Milderungsgründe dem Täter zugutekommen, erweist sich die ohnedies unter Anwendung außerordentlicher Strafmilderung (§ 41 StGB.) ausgemessene Freiheitsstrafe von neun Jahren als alles andere denn überhöht.
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