OGH 10ObS83/89

OGH10ObS83/8921.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Oezelt (AG) und Mag. Michael Zawodsky (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Alois W***, Sattlgai 39, 4391 Waldhausen, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 1988, GZ 12 Rs 131/88-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. Juli 1988, GZ 15 Cgs 103/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.332,32 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 121,12 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht von der beklagten Partei seit 1977 eine Invaliditätspension, zu der eine Ausgleichszulage gewährt wurde. Mit Notariatsakt vom 30. Juni 1983 übergab der Kläger die ihm und seiner Gattin gehörige Liegenschaft EZ 202 KG Waldhausen - Wohnhaus mit Garten - an seinen Sohn und seine Schwiegertochter gegen Einräumung eines freien Wohnrechtes für sich und seine Gattin ohne Beheizung und Beleuchtung. Die beklagte Partei erlangte hievon erst im Oktober 1987 Kenntnis. Mit Bescheid vom 25. Februar 1988 wurde die Ausgleichszulage des Klägers ab 1. Juli 1983 herabgesetzt und der bis 30. November 1987 entstandene Überbezug von S 20.931,-- zur Rückzahlung vorgeschrieben.

Der Kläger begehrt, soweit dies noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die beklagte Partei zur Gewährung der Ausgleichszulage ab 1. Juli 1983 im gesetzlichen Ausmaß, und zwar unter Berücksichtigung von nur 80 % des Pauschalsatzes des Wertes der freien Wohnung für seine Ehegattin zu verpflichten und von der Rückforderung eines Überbezuges von S 2.467,92 Abstand zu nehmen. Zu Unrecht habe die beklagte Partei bei Berechnung der Ausgleichszulage für ihn und seine Ehegattin je 100 % des Wertes der freien Wohnung zugrunde gelegt; tatsächlich sei jedoch der Wert der freien Wohnung für die Ehegattin nur mit 80 % anzunehmen. Durch die von der beklagten Partei vorgenommene unrichtige Berechnung sei bezüglich des Wertes der freien Wohnung für die Ehegattin im Jahr 1984 um S 34,80 monatlich, in den Jahren 1985 und 1986 je S 40,80 monatlich und im Jahr 1987 ein Betrag von S 42,48 monatlich zuviel berücksichtigt worden. Damit sei insgesamt der Rückforderungsbetrag um S 2.467,92 zu hoch festgestellt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei von der Rückforderung eines Ausgleichszulagenüberbezuges von S 2.083,30 Abstand zu nehmen und erkannte den Kläger schuldig, die Rückforderung und Aufrechnung eines weiteren Betrages an Ausgleichszulagenüberbezug von S 384,62 durch die beklagte Partei zu dulden; der urteilsmäßige Ausspruch einer Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des darüber hinausgehenden Ausgleichszulagenübergenusses unterblieb ungerügt. Gemäß § 292 Abs 3 ASVG sei für die Bewertung der Sachbezüge die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer maßgebend. Die entsprechende Kundmachung der Finanzlandesdirektion bestimme, daß der für den Arbeitnehmer in Anrechnung zu bringende Betrag um 80 % zu erhöhen sei, wenn eine freie Wohnung nicht nur dem Arbeitnehmer selbst, sondern auch für seine Gattin gewährt werde. Wohl gelte dies nur dann, wenn die Gattin keinen eigenen Anspruch auf freie Wohnung habe, da diesfalls ein solcher Anspruch als eigenes Einkommen der Gattin zu bewerten und auch zu versteuern wäre. Das Ausgleichszulagenrecht gehe hingegen von dem Gesamtbetrag der Einkünfte einer Haushaltsgemeinschaft aus, was sich daraus ergebe, daß der Ausgleichszulagenrichtsatz für zwei Personen nicht das Doppelte dessen für eine Einzelperson betrage, sondern nur eine Erhöhung um 50 % erfolge. Das Ausgleichszulagenrecht gehe damit davon aus, daß dann, wenn mehrere Personen einen Haushalt bilden, die Grundbedürfnisse dieser Personen sich relativ vermindern. Daher sei bei einem selbständigen Wohnrecht der Ehegattin des Ausgleichszulagenwerbers der Sachbezugswert des Wohnungsrechtes des Klägers unabhängig davon, ob das Wohnrecht der Gattin kraft eigenen Rechtsanspruches zustehe, nur um 80 % zu erhöhen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und erklärte die Revision für zulässig. Gemäß §§ 50 und 293 Abs 3 ASVG gelte für die Bewertung der Sachbezüge die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer. Es sei daher auf die Kundmachung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich über die Bewertung der Sachbezüge für Zwecke der Lohnsteuer und für Zwecke der Sozialversicherung verlautbart im Amtsblatt der Finanzverwaltung zuletzt Nr 47/1987 zurückzugreifen. Demnach sei der für den Arbeitnehmer in Anrechnung zu bringende Betrag für die Ehefrau um 80 % zu erhöhen, wenn eine freie Wohnung nicht bloß dem Arbeitnehmer, sondern auch für seine Ehefrau gewährt werde. Es bestehe keine Grundlage dafür, eine Unterscheidung dahingehend vorzunehmen, aufgrund welchen Rechtstitels die im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin das Wohnrecht ausübe, ob sie einen eigenen Anspruch habe oder diesen aufgrund der familienrechtlichen Beziehung (§ 96 ABGB) vom Ehegatten ableite. Das Wohnbedürfnis werde dadurch nicht in einem gesteigerten Ausmaß befriedigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, steuer- und beitragsrechtliche Gesichtspunkte verfolgten andere Zwecke als ausgleichszulagenrechtliche. In den ersteren Fällen bedeute die Erhöhung der Beträge, wenn die freie Station auch Familienangehörigen gewährt werde, auch eine Erhöhung der Lohnsteuer bzw des Sozialversicherungsbeitrages, um diese (offenbar richtig) Abgaben dem tatsächlichen Wert unter Berücksichtigung steuerrechtlicher Begünstigungen anzunähern. Der Bezug des § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG auf die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer könne nur so verstanden werden, daß damit nicht eine Begünstigung beim Ausgleichszulagenanspruch bewirkt werde. Die Anwendung der für das Lohnsteuerrecht geltenden Bestimmungen auch für die Beurteilung des Ausgleichszulagenanspruches sei rechtsirrig erfolgt. Dem kann nicht beigetreten werden.

§ 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG ordnet an, daß für die Bewertung der Sachbezüge, soweit nicht Abs 8 anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit den - durch die 41. ASVG-Novelle eingeführten, für die vorliegende Problemstellung nicht maßgeblichen Modifikationen - gilt. Zutreffend haben die Vorinstanzen ihren Entscheidungen die diesbezüglichen Verordnungen der Finanzverwaltung über die Bewertung der Sachbezüge für Zwecke der Lohnsteuer zugrundegelegt. Dies wird im Gesetz unmißverständlich in dieser Form angeordnet, wobei der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zur 41. ASVG-Novelle (774 BlgNR 16. GP 43) im Zusammenhang mit der teilweisen Neufassung des 2. Satzes des § 292 Abs 3 ASVG mit besonderer Deutlichkeit darauf hinwies, daß im übrigen allen weiteren Regelungen der Finanzverwaltung in diesen Belangen, insbesondere hinsichtlich der teilweisen Gewährung der freien Station und bezüglich des Anspruches der vollen freien Station auch für den Ehegatten und für die Kinder weiterhin ungeschmälerte Geltung zukomme.

Zu beurteilen ist der Ausgleichszulagenanspruch des Pensionisten, für den sich der Richtsatz im Hinblick darauf daß er mit der Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebte, nach § 293 Abs 1 lit a sub lit aa bestimmt. Ausgehend von den Verordnungen der Finanzverwaltung ist der Wert der freien Wohnung für den Arbeitnehmer selbst mit 1/10 des für die Gewährung der vollen freien Station vorgesehenen Betrages zugrundezulegen; wird die freie Wohnung nicht nur dem Arbeitnehmer, sondern auch der Gattin gewährt, so erhöht sich dieser Betrag um 80 % des für den Arbeitnehmer zu veranschlagenden Betrages. Wohl hat diese Bestimmung offenbar im Auge, daß die Erhöhung in dieser Form dann vorzunehmen ist, wenn die Naturalleistung an die Gattin des Arbeitnehmers aufgrund eines vom Arbeitnehmer abgeleiteten Rechtes erfolgt, weil andernfalls entsprechend dem System der Einzelbesteuerung eine Zurechnung des erhöhten Betrages zur Lohnsteuerbemessungsgrundlage des Arbeitnehmers nicht systemgemäß wäre. Wenn auch die Situation bei der Frage der Beurteilung eines Ausgleichszulagenanspruches nicht ganz ident ist, muß doch kraft der ausdrücklichen Anordnung des § 292 Abs 3 2. Satz ASVG von diesen Vorschriften über die Bewertung der Sachbezüge für Zwecke der Lohnsteuer ausgegangen werden. Diese steuerrechtlichen Bestimmungen, die eine verschiedene Bewertung für Fälle, in denen die Ehegattin die Wohnung aufgrund eigenen oder abgeleiteten Rechtes benützt, nicht vorsehen, stellen insoweit eine Sondernorm gegenüber den Anrechnungsvorschriften des § 292 Abs 2 ASVG dar. Dies entspricht auch dem System des Ausgleichszulagenrechtes, daß dem Umstand Rechnung trägt, daß mit der Zugehörigkeit von mehreren Personen zu einer Hausgemeinschaft keine lineare Verwahrung der Bedürfnisse verbunden ist; dies kommt darin zum Ausdruck daß der Richtsatz für ein Ehepaar gegenüber dem für eine Einzelperson vorgesehenen Betrag nur um 50 % höher liegt. Es ist daher bei Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches in Fällen, in denen eine (teilweise) freie Station sowohl dem Pensionisten wie auch seiner Ehegattin zusteht, für die Bewertung des der Ehegattin gebührenden Rechtes nur 80 % des für den Pensionisten selbst in Anschlag zu bringenden Betrages auch dann anzurechnen, wenn die Naturalleistung der Ehegattin aufgrund eigenen Rechtes zusteht. Die Höhe des von den Vorinstanzen ausgehend von diesen Grundlagen ermittelten Betrages des noch streitverfangenen Anspruches wird nicht mehr bekämpft.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, wobei die Kosten auf der Basis eines Betrages von S 2.083,20, der allein Gegenstand des Revisionsverfahrens war, zu berechnen waren.

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