Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst das Urteil des Erstgerichtes, das in seinem bestätigten Teil in Rechtskraft erwachsen ist, im übrigen wiederhergestellt.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.661,15 (darin S 514,65 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 8.397,-- (darin S 308,85 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wurde rechtskräftig vom Landesgericht für Strafsachen Graz am 9. Juli 1986 des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146 und § 147 Abs 3 StGB unter anderem deshalb schuldig erkannt, weil sie mit Bereicherungsvorsatz die Beklagte durch Täuschung über Tatsachen zur Gewährung von Darlehen mit einem S 100.000,-- übersteigenden Gesamtbetrag verleitet hatte. Das Oberlandesgericht Graz hat am 17. Oktober 1986 die Klägerin zur Zahlung des Schadensbetrages von S 100.000,-- an die Beklagte verurteilt (§ 369 Abs 1 StPO) und die Beklagte mit ihren weiteren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen (§ 366 Abs 2 StPO). Schon in diesem Erkenntnis des Strafgerichtes über die privatrechtlichen Ansprüche war der Zuspruch damit begründet worden, daß nach § 1440 ABGB eine Aufrechnung mit Gegenforderungen der Verurteilten ausgeschlossen sei. Am 24. August 1987 bestimmte das Landesgericht für Strafsachen Graz die von der Klägerin an die Beklagte zu ersetzenden Kosten der Privatbeteiligtenvertretung mit S 73.408,--.
Auf Grund dieser beiden Titel (§ 1 Z 8 EO) bewilligte das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz der Beklagten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Geldforderungen von S 73.408,-- (Kosten der Privatbeteiligung im Strafverfahren gegen die Klägerin) am 30. September 1987 zu 11 E 12894/87 und von S 100.000,-- (Rückzahlung des herausgelockten Darlehens) am 19. Oktober 1987 zu 11 E 13710/87 wider die Klägerin die Fahrnisexekution. Diese beiden Exekutionen wurden am 29. Oktober 1987 durch Anschlußpfändung an Fahrnissen mit einem voraussichtlich erzielbaren Erlös von rund S 14.000,-- vollzogen.
Mit der am 15. Jänner 1988 überreichten Klage machte die Verpflichtete ihre Einwendungen gegen die Ansprüche, zu deren Gunsten die beiden Exekutionen bewilligt wurden, dahin geltend, daß diese Ansprüche durch Aufrechnung mit weit höheren Gegenforderungen erloschen seien. Die Klägerin habe im Vertrauen auf den mit der Beklagten am 8. September 1981 zustande gekommenen Kaufvertrag auf die Liegenschaft EZ 434 KG Algersdorf mit dem Haus Baiernstraße 52, 8020 Graz, Aufwendungen getätigt und von der Beklagten S 950.000,-- zu bekommen, falls sie mit ihrer Klage auf Zuhaltung des Kaufvertrages unterliegen und die Beklagte mit ihrer Vertragsanfechtungsklage durchdringen sollte. Im anderen Fall stehe der Klägerin eine Forderung von S 760.000,-- zu, weil die Beklagte nach dem Verkauf an die Klägerin widerrechtlich den Mietzins kassiert habe. Die Klägerin habe für die Beklagte auch Stromkosten von S 324.000,-- bezahlt.
Die Beklagte beantragte, das Oppositionsbegehren abzuweisen. Eine Aufrechnung gegen die vollstreckbaren Forderungen sei schon nach § 1440 Satz 2 ABGB ausgeschlossen, weil es sich um die Rückforderung betrügerisch herausgelockter Beträge und die als Nebenforderung anzusehenden Kosten ihrer Geltendmachung im Strafverfahren handle. Überdies habe die Klägerin die Beklagte durch Betrug zum Verkauf ihrer Liegenschaft bewogen. Die auf Zuhaltung des Kaufvertrages gerichtete Klage der Käuferin sei in zwei Instanzen abgewiesen worden. Der Klägerin stünden keine aufrechenbaren Gegenforderungen zu; die Tragung der geringfügigen Stromkosten sei als Teilentgelt für das Bewohnen des Hauses der Beklagten anzusehen. Das Erstgericht wies das Oppositionsbegehren ab. Die in Exekution gezogene Forderung von S 100.000,-- sei als listig entzogene Sache iSd § 1440 Satz 2 ABGB kein Gegenstand der Kompensation. Dies gelte auch für die Kostenersatzforderung, die als Nebenforderung akzessorisch das Schicksal der Hauptforderung teile. Das Berufungsgericht bestätigte das von der Klägerin angefochtene Urteil in der Abweisung des gegen den Anspruch von S 100.000,-- erhobenen Oppositionsbegehrens wegen der zutreffenden rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht als Teilurteil, hob aber das Urteil des Erstgerichtes im übrigen unter Setzung des Rechtskraftvorbehaltes auf, den es mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob auch die Privatbeteiligtenkosten vom Aufrechnungsverbot des § 1440 Satz 2 ABGB erfaßt werden, begründete. Das Berufungsgericht verneinte diese Frage und meinte deshalb, es sei im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, ob infolge Aufrechnung mit einer zu Recht bestehenden Gegenforderung der Klägerin die Kostenersatzforderung der Beklagten von S 73.408,-- ganz oder teilweise erloschen sei. Die nur für den Fall des Obsiegens im Rechtsstreit zu 13 Cg 24/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz von der Klägerin behauptete Gegenforderung von S 760.000,-- könne außer Betracht bleiben, weil die Klägerin mit ihrem Begehren auf Unterfertigung einer einverleibungsfähigen Urkunde über den Verkauf der Liegenschaft der Beklagten unterlegen sei (8 Ob 650/87). Die Klägerin sei zu 13 Cg 155/86 unter Abweisung ihrer Aufrechnungseinrede zur Zahlung von S 942.258,-- sA an die Beklagte verurteilt worden, Berufung und Revision der Klägerin seien erfolglos geblieben (1 Ob 622/88). Es sei nicht völlig ausgeschlossen, daß der Klägerin, die mehrere Jahre das Haus der Beklagten verwaltete und bewohnte, Forderungen etwa aus der Tragung von Stromkosten oder aus nützlichen Aufwendungen zustehen könnten. Das Erlöschen des Anspruchs infolge Aufrechnung könne mittels Klage nach § 35 EO gegen den betriebenen Anspruch geltend gemacht werden. Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein als Revision bezeichnetes Rechtsmittel erhoben. Sie bekämpft jedoch ausdrücklich nur den Aufhebungsbeschluß mit dem Abänderungsantrag, das Urteil des Erstgerichtes auch insoweit zu bestätigen. Sie wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Forderung auf Ersatz der Kosten der Vertretung als Privatbeteiligte im Strafverfahren nicht gleich dem privatrechtlichen Anspruch auf Rückgabe der listig entzogenen Geldbeträge vom Aufrechnungshindernis des § 1440 Satz 2 ABGB erfaßt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der nur unrichtig benannte (§ 84 Abs 2 Satz 2 ZPO) Rekurs der Beklagten ist infolge des nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zutreffend ausgesprochenen Rechtskraftvorbehaltes zulässig und überdies berechtigt.
Nach der mit der III. Teilnovelle auf listig entzogene Sachen ausgedehnten Vorschrift des § 1440 Satz 2 ABGB sind "eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder Bestand genommene Stücke überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation". Eine Aufrechung ist in diesem Fall auch dann unzulässig, wenn sonst die allgemeinen Voraussetzungen für eine solche gegeben sind. Der Sinn der Bestimmung ist, daß dem Anspruch auf Herausgabe der aus den bezeichneten Rechtsgründen geschuldeten Sachen eine Gegenforderung des Verpflichteten nicht aufgerechnet werden kann und sich der Verpflichtete zur Abwehr des Anspruchs weder auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung noch auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer Gegenforderung berufen kann. Obwohl beim Herausgabeanspruch in erster Linie der Ausschluß des Zurückbehaltungsrechtes bedeutsam ist, kommt der Kompensationsausschluß doch dann zum Tragen, wenn Gegenstand der Rückgabeverpflichtung vertretbare Sachen sind, etwa im Falle der Entziehung von Geld auf listige oder eigenmächtige Weise (Gschnitzer in Klang2 VI 509; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1440; SZ 11/150; SZ 33/55 ua). Über die ausdrücklichen gesetzlichen Aufrechnungsverbote hinaus kann die Interpretation der schuldbegründenden Norm ergeben, daß wegen schutzwürdiger Interessen an einer effektiven Leistung im Einzelfall die Aufrechnung deshalb ausgeschlossen ist, weil der Mißbrauch des Aufrechnungs- oder Retentionsrechtes geradezu als Vertrauensbruch zu werten ist (Mat zur III.TN 201); in vergleichbaren Fällen kann daher Analogie zu § 1440 Satz 2 ABGB angebracht sein (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1440; Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3, 603; JBl 1966, 364; dagegen allerdings Gschnitzer in Klang2 VI 511). § 1440 Satz 2 ABGB normiert ein Verbot der Aufrechnung für bestimmte Ansprüche. Auch wenn daher für eine Analogie Zurückhaltung geboten ist, können doch die mit der Rechtsdurchsetzung verbundenen Verfahrenskosten den im § 1440 Satz 2 ABGB bezeichneten Ansprüchen, die nicht Gegenstand der Aufrechnung sind, gleichgestellt werden. Diese Kosten sind der Beklagten nur dadurch entstanden, daß die Klägerin die listig entzogenen Gelder nicht zurückgestellt hat. Es stellt dann aber ebenfalls einen Mißbrauch des Rechtes, mittels Aufrechnung mit einer Gegenforderung seine Schuld zu tilgen dar, wenn die Klägerin, der eine Aufrechnung gegen den Anspruch auf Erstattung des betrügerisch herausgelockten Geldes nach § 1440 Satz 2 ABGB ausdrücklich versagt ist, gegen den Anspruch auf Ersatz dieser Kosten aufrechnen will. Das Verbot der Aufrechnung gilt demnach auch für den Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rechtsdurchsetzung wie hier der Privatbeteiligung im Strafverfahren gegen den Täter, der eigenmächtig oder listig Sachen entzogen oder betrügerisch Darlehen herausgelockt hat. Nur diese Rechtsanwendung wird der Zielsetzung des § 1440 Satz 2 ABGB gerecht. Es bedarf daher nicht der Prüfung der behaupteten Gegenforderungen der Oppositionsklägerin.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO (der Streitwert im Rekursverfahrens beträgt nur noch S 73.408,--).
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