OGH 1Ob721/88

OGH1Ob721/8815.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Anton T***, Rechtsanwalt in Bludenz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing.Siegfried R***, Baumeister, Außerlitzstraße, 6780 Schruns (S 20/88 des Landesgerichtes Feldkirch), wider die beklagte Partei Emma O***, Landwirtin, 6774 Tschagguns 131, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterfertigung eines Dienstbarkeitsvertrages (Streitwert S 30.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 4. Oktober 1988, GZ 1 b R 142/88-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Montafon vom 27. Mai 1988, GZ 1 C 364/88t-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 (darin enthalten S 257,25 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht bewilligte zu E 57/77 am 9. Jänner 1978 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 273 KG Tschagguns, bestehend aus den Grundstücken 2168/1, 2171, 2173, 2174, 2177/2, 2170/1 (je Wiese) und 2177/3 (Weg). Nach den am 16. März 1981 genehmigten Versteigerungsbedingungen sollten die Grundstücke partienweise (parzellenweise) versteigert werden, als erste Partie das Grundstück 2168/1, als zweite Partei die Grundstücke 2171, 2170/1 und als dritte Partie die Grundstücke 2173, 2177/2, 2177/3, 2174. Die Versteigerungsbedingungen sahen vor, daß der Ersteher des Grundstücks 2170/1 zugunsten der Ersteher und Rechtsnachfolger des Grundstücks 2168/1 das unbeschränkte und unentgeltliche Geh- und Fahrrecht über das Grundstück 2170/1 einzuräumen habe. Ing.Siefgried R*** wurde auf Grund des Zuschlages im genannten Verfahren E 57/77 des Bezirksgerichtes Montafon bücherlicher Alleineigentümer der EZ 1279 KG Tschagguns, bestehend aus dem Grundstück 2168/1 Wiese; die Beklagte wurde auf Grund des Zuschlags im selben Verfahren bücherliche Alleineigentümerin der EZ 1280 KG Tschagguns, bestehend aus den Grundstücken 2171 und 2170/1 je Wiese. Über das Vermögen des Ing.Siegfried R*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 3. Juni 1988 zu AZ S 20/88 der Konkurs eröffnet. Der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Mit der vorliegenden Klage macht zuletzt der Kläger den auf den Inhalt der Versteigerungsbedingungen im Verfahren E 57/77 des Erstgerichtes gestützten Anspruch auf Einräumung eines unbeschränkten und unentgeltlichen Geh- und Fahrrechtes gegen die Beklagte als Ersteherin des belasteten Grundstückes 2170/1 geltend. Die Dienstbarkeitseinräumung sei als Verpflichtung der entsprechenden Ersteher zu dem Zweck in die Versteigerungsbedingungen aufgenommen worden, damit allenfalls eine Erweiterung des bestehenden Weges und die Schaffung von Ausweichen gewährleistet sei.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Im Versteigerungsverfahren seien die Ersteher nur darauf hingewiesen worden, daß jeder auf der bestehenden Straße zu seinem Grundstück zufahren könne. Der damals 2,5 m breite Weg sei bereits vom Verpflichteten, der Eigentümer sämtlicher Grundstücke gewesen sei, verlegt worden. Sie sei bereit, den Weg in der bestehenden Breite zu akzeptieren, allerdings nicht damit einverstanden, daß der Weg auf eine Breite von 3 m verbreitert werde. Ihr Grundstück sei lediglich in dem Ausmaß belastet, wie der Weg über ihr Grundstück geführt habe und auch nunmehr führe. Zur Einwilligung in den vom Gemeinschuldner vorgelegten schriftlichen Vertrag sei sie nicht verpflichtet. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus den rechtskräftig festgestellten Versteigerungsbedingungen, denen sich die Streitteile durch Beteiligung am Zwangsversteigerungsverfahren unterworfen hätten, gehe die Verpflichtung der Beklagten als Ersteherin des dienenden Grundstückes 2170/1 hervor, dem Kläger als Ersteher des herrschenden Grundstückes 2168/1 das unbeschränkte und unentgeltliche Geh- und Fahrrecht als Dienstbarkeit einzuräumen. Dabei handle es sich inhaltlich um eine ungemessene Dienstbarkeit. Inwieweit sich tatsächlich eine Belastung der Liegenschaft der Beklagten daraus ergebe, sei allenfalls im Prozeß gemäß § 484 ABGB zu klären.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil durch Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß, der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Die auf den Wortlaut der Versteigerungsbedingungen gestützte Auslegung durch das Erstgericht stehe im Widerspruch zu weiteren (Versteigerungs-)Bedingung, daß der Ersteher (die Beklagte) die Dienstbarkeit des unbeschränkten Geh- und Fahrrechtes über das Grundstück 2170/1 ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen habe, und zur Bestimmung des § 156 Abs 2 EO, wonach die

- mittlerweile längst durchgeführte - Übergabe der Liegenschaft erst nach Erfüllung aller Versteigerungsbedingungen zu erfolgen habe. Der fragliche Punkt der Versteigerungsbedingungen könne daher nur so verstanden werden, daß die dort angeführten Dienstbarkeitsrechte mit der Zuschlagserteilung als eingeräumt gälten, so daß sie (dann auch) ohne Anrechnung auf das Meistbot vom Ersteher zu übernehmen gewesen seien. Die Beklagte müsse daher keinen Dienstbarkeitsvertrag unterfertigen, sie habe vielmehr die vom Gemeinschuldner behauptete Dienstbarkeit, die spätestens mit der Übergabe der Liegenschaft an sie als eingeräumt gelte, bereits zu dulden.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt. Wie schon aus dem Wortlaut der Versteigerungsbedingungen hervorgeht, haben die Ersteher gewisser Grundstücke den Erstehern gewisser anderer Grundstücke das unbeschränkte und unengeltliche Geh- und Fahrrecht über ihre Grundstücke einzuräumen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß solche (Dienstbarkeits-)Rechte bereits mit dem Zuschlag oder der Übergabe der Grundstücke automatisch entstanden sind. Vielmehr enthalten die von den Erstehern akzeptierten Versteigerungsbedingungen die allgemeine Verpflichtung zum Abschluß entsprechender Vorträge zur unentgeltlichen Ausübung der Dienstbarkeiten. Die vom Berufungsgericht aufgezeigten Widersprüche zu anderen Punkten der Versteigerungsbedingungen oder gar zum Gesetz (§ 156 Abs 2 EO) liegen in Wahrheit nicht vor, rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme, die Dienstbarkeit sei bereits mit dem Zuschlag oder der Übergabe der Liegenschaft (als) eingeräumt (anzusehen). Vielmehr enthalten die Versteigerungsbedingungen die von den Erstehern übernommene grundsätzliche Verpflichtung, zur Gewährung der näher zu umschreibenden Dienstbarkeitsrechte tätig zu werden und solche sodann zu dulden. Grundsätzlich ist daher das Begehren des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Fertigung eines entsprechenden Dienstbarkeitsvertrages gerechtfertigt.

Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richten sich nach dem Inhalt des Titels (hier der Versteigerungsbedingungen), bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeitseinräumung zu beachten sind (SZ 56/60; SZ 55/125 je mwH). Selbst bei ungemessenen Dienstbarkeiten kenn der ursprüngliche Bestand des Rechtes nicht außer Betracht bleiben und nicht etwa der Dienstbarkeitsverpflichtete zur übermäßigen Erweiterung des Geh- und Fahrrechtes verhalten werden (Klang in Klang2 II 564; SZ 55/125). Im vorliegenden Fall ist weder in den Versteigerungsbedingungen noch in dem im Klagebegehren enthaltenen Vertragstext eine Begrenzung oder Umschreibung der Dienstbarkeit nach Art, Umfang und örtlicher Lage enthalten, so daß das nur auf dessen Wortlaut gestützte Begehren auf Einräumung der Servitut unbestimmt ist, weil der Umfang der Duldungspflichten der Beklagten daraus nicht entnommen werden kann. Den Versteigerungsbedingungen ist insbesondere nicht zu entnehmen, daß das gesamte dienende Grundstück der Beklagten für das Geh- und Fahrrecht zugunsten der herrschenden Liegenschaft des Klägers Verwendung finden soll. Auch beide Parteien gehen offenbar nicht davon aus (siehe die vom Kläger vorgelegte Beilage ./B über die daraus ersichtliche bloße Verbreiterung der Zufahrt). Beide Parteien haben im Verfahren vorgetragen, daß durch diese Dienstbarkeitseinräumung die Verlegung der Zufahrt gesichert werden sollte, nur der Kläger dahin, daß dadurch auch die Verbreiterung der Zufahrt auf 3 m und die Schaffung von Ausweichen gesichert werden sollte. Es geht zwischen den Streitteilen offensichtlich nicht darum, ob dem Kläger die einzuräumende Dienstbarkeit auf dem gesamten Grundstück 2170/1 zustehen soll, sondern darum, ob der Weg 2,5 m breit zu sein hat oder 3 m mit Ausweichen. Wenn von einem "unbeschränkten" Geh- und Fahrrecht die Rede ist, war damit offensichtlich auch nicht das Recht zur Benützung einer gesamten Liegenschaft oder einen ganzen Grundstückes, sondern nur gemeint, daß die Benützung mit allen in Betracht kommenden Fahrzeugen zulässig und damit auch möglich sein sollte. Gerade dann, wenn der Streit um das räumliche Ausmaß einer Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes geht, muß dies aber auch aus dem Klagebegehren erkennbar sein, sonst ist es unbestimmt und daher abzuweisen. Einer Verweisung der Beklagten auf den Rechtsweg im Sinne des § 484 ABGB, wie sie das Erstgericht annahm, war unzulässig, hatte der Kläger mit der vorliegenden Klage doch bereits den Rechtsweg beschritten. Der von der Beklagten erhobene Einwand der mangelnden Aktivlegitimation ist verfehlt, weil der Masseverwalter und nicht etwa der Gemeinschuldner, vertreten durch den Masseverwalter, einschritt. Die unrichtige Parteibezeichnung schadet nicht. Die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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