OGH 9ObA28/89

OGH9ObA28/8915.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Firma K*** & M*** Gesellschaft mbH, vertreten durch den Betriebsratsobmann Franz W***,

St. Georgen, Herzogstraße 6, dieser vertreten durch Dr. Adolf Fiebich u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K*** & M*** Gesellschaft mbH, St. Pölten, Hnilickastraße 6, vertreten durch Dr. Franz K***, Referent der sozialpolitischen Abteilung der Handelskammer Niederösterreich, Wien 1., Herrengasse 10, dieser vertreten durch Dr. Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 150.000,--), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 1988, GZ 31 Ra 107/88-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. Juni 1988, GZ 34 Cga 47/88-3, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es einschließlich des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei verpflichtet ist, bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration für jene bei der beklagten Partei beschäftigten Arbeiter, die Montagearbeiten außerhalb des ständigen Betriebes leisten, die hiefür gebührende Wegzeitvergütung gemäß Abschnitt VIII des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe in den als Bemessungsgrundlage geltenden Wochenverdienst einzubeziehen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Prozeßkosten, und zwar an Kosten des Verfahrens erster Instanz S 8.302,80 (darin S 754,80 Umsatzsteuer), an Kosten des Berufungsverfahrens S 5.187,60 (darin S 471,60 Umsatzsteuer) und an Kosten des Revisionsverfahrens S 6.794,70 (darin S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe enthält in der seit 1. Jänner 1987 geltenden, hier maßgeblichen Fassung, nachstehende, hier wesentliche Bestimmungen:

".......

VIII. Montagearbeiten sowie andere Beschäftigungen außerhalb des

ständigen Betriebes.

.......

Wegzeiten

6. Wegzeiten, die in die Arbeitszeit fallen, werden wie Arbeitszeiten bezahlt.

7. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt der Stundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge.

Wird der Arbeitnehmer während jener Wegzeit, die nicht in die Arbeitszeit fällt, als Lenker eines Fahrzeuges beschäftigt, so gebührt ihm Überstundenentlohnung.

Wegzeiten, die nicht in die Arbeitzeit fallen, sind wie folgt zu vergüten:

Bei Entfernungen - Luftlinie - zwischen dem ständigen Betrieb bzw. Montagebüro und dem nicht ständigen Arbeitsplatz

von 2 bis 4 km mit 1 Stundenlohn,

von 4 bis 7 km mit 1 1/2 Stundenlöhnen und

von mehr als 7 km mit dem Lohn für die tatsächlich aufgewendete Wegzeit, jedoch mindestens 1 1/2 Stundenlöhne. ....... IX. Entlohnung

Kollektivvertragslöhne (Mindeststundenlöhne)

1. Lohngruppen:

a) Spitzenfacharbeiter .....

X. Verdienstbegriff

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 (1) Z 4 ArbVG - ausgenommen Pauschalentlohnung auf Montage- und Baustellen - deren 13-Wochen-Durchschnitt. Bei Wächtern, Portieren, Chauffeuren und Beifahrern ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zugrundezulegen.

In den Verdienst sind einzubeziehen:

Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schicht- und Nacharbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag, soweit sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig bezahlt wurden.

......

XIV. Zulagen und Zuschläge

Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen

.......

12. Überstunden

Die Überstundengrundvergütung und Grundlage für die Berechnung des

Überstundenzuschlages beträgt:

Ab 1. Jänner 1988 1/155

ab 1. Jänner 1989 1/150

des monatlichen Lohnes (Stundenlohn x 173) ohne Zulagen und

Zuschläge. Der Vorarbeiterzuschlag gemäß Punkt 7 ist jedoch in den

Lohn einzubeziehen. ........

XVII. Urlaub und Urlaubszuschuß

.......

Urlaubszuschuß

5. Der Arbeitnehmer hat einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß. Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit 4 1/3 Wochenverdienste. ..... Berechnung des Urlaubsentgeltes und Urlaubszuschusses

11. Die Berechnung des Urlaubsentgeltes erfolgt nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes betreffend die Vereinheitlichung des Urlaubsrechtes und die Einführung einer Pflegefreistellung (BGBl. Nr. 390/76) und des Generalkollektivvertrages vom 22. Februar 1978 über den Begriff des Entgeltes gemäß § 6 UrlG. Die Berechnung des Urlaubszuschusses erfolgt nach den Bestimmungen über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

Überstunden gelten im Sinne des Generalkollektivvertrages über den Begriff des Entgeltes dann als regelmäßig, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen (bzw. drei Monaten oder Kalendervierteljahr) vor Urlaubsantritt durch mindestens sieben Wochen geleistet wurden.

.....

XVIII. Weihnachtsremuneration

1. Alle am 1. Dezember beschäftigten Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß von 4 1/3 Wochenverdiensten.

.......

Berechnung der Weihnachtsremuneration

7. Die Berechnung der Weihnachtsremuneration erfolgt nach der

Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).

........"

Bis zum 31. Dezember 1986 hatte Abs. 2 des Punktes X

Verdienstbegriff folgenden Wortlaut:

"In den Verdienst sind einzubeziehen:

1. Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schicht- und Nachtarbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag, soweit sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig bezahlt wurden.

2. Regelmäßig geleistete Überstunden mit dem Durchschnittsbetrag. Überstunden gelten dann als regelmäßig, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen (bzw. drei Monaten oder Kalendervierteljahr) vor Fälligkeit der Sonderzahlung durch mindestens sieben Wochen geleistet wurden."

Hingegen bestand bis zum 31. Dezember 1986 keine der nunmehr in Abschnitt XIV Punkt 12 vorgesehenen Berechnung des Überstundenentgeltes - durch Einführung eines besonderen Überstundenteilers - vergleichbare Sonderregelung für die Honorierung von Überstunden.

Die klagende Partei begehrt die aus dem Urteilsspruch ersichtliche Feststellung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, die Wegzeitvergütung, mit der kein mit der Arbeitsleistung verbundener finanzieller Aufwand ersetzt werde, sei Entgelt für die Bereitstellung der Arbeitskraft außerhalb der normalen Arbeitszeit und damit am ehesten mit dem Entgelt für geleistete Überstunden vergleichbar. Da Entgelt für geleistete Überstunden seit 1. Jänner 1987 nicht mehr unter den Verdienstbegriff des Abschnittes X des Kollektivvertrages falle, sei seit diesem Zeitpunkt auch die vergleichbare Wegzeitvergütung nicht mehr einzubeziehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß die genannte Wegzeitentlohnung in den als Bemessungsgrundlage für Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration geltenden Wochenverdienst einzubeziehen sei, sofern sie regelmäßig im Sinne des Abschnittes X des Kollektivvertrages gezahlt werde. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß mit der Wegzeitentlohnung eine von den tatsächlichen Aufwendungen unabhängige, allein nach der Dauer der zeitlichen Inanspruchnahme bemessene Vergütung für die Bereitstellung der Arbeitskraft geleistet werde; eine derartige Vergütung sei dem Entgelt und daher auch dem Verdienstbegriff des Abschnittes X zu unterstellen. Lediglich nicht regelmäßig anfallende Bezugsbestandteile seien nicht einzubeziehen. Der Umstand, daß die bisher dort genannten regelmäßigen Überstunden nicht mehr eigens angeführt seien, bedeute nicht, daß sie nicht mehr ein Verdienst im Sinne dieser Bestimmung seien; eine gesonderte Anführung sei vielmehr überflüssig, weil regelmäßig geleistete Überstunden ohnehin als Verdienst im Sinne des Abschnittes X KV anzusehen seien. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Die klagende Partei beantragt die Abänderung im Sinne einer uneingeschränkten Klagestattgebung (unter Entfall des Zusatzes "sofern die Wegzeitentlohnung regelmäßig im Sinn des Abschnittes X des genannten KV bezahlt wurde"); die beklagte Partei beantragt die Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung. Beide Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 9 Ob A 17/89

ausgesprochen hat, läßt die Regelung des Kollektivvertrages keinen

Zweifel daran, daß mit der Wegzeitvergütung nicht etwa ein mit der

Arbeitsleistung verbundener finanzieller Aufwand ersetzt wird,

sondern eine von den tatsächlichen Aufwendungen völlig unabhängige,

allein nach der Dauer der zeitlichen Inanspruchnahme bemessene

Vergütung für die Bereitstellung der Arbeitskraft geleistet werden

soll (vgl. auch Arb. 10.355 sowie 9 Ob A 24/87). Die

Wegzeitvergütung ist daher auch dann, wenn sie für außerhalb der

Normalarbeitszeit liegende Wegzeiten gewährt wird, als Arbeitslohn

zu qualifizieren. Eine Einschränkung des Begriffes "Arbeitslohn" in

dem von der beklagten Partei gewünschten Sinn, daß nämlich darunter

nur der für die Normalarbeitszeit gebührende Lohn zu verstehen wäre,

läßt sich aus dem KV nicht ableiten, zumal eine weitere

Einschränkung (etwa "Grundlohn") nicht vorgenommen wird. Auch der

Umstand, daß Abschnitt X im folgenden die Einbeziehung verschiedener

Zulagen in den Verdienstbegriff anordnet, rechtfertigt nicht das von

der beklagten Partei vertretene Ergebnis. Abschnitt IX des KV regelt

die Entlohnung durch Festsetzung des für die einzelnen Lohngruppen

gebührenden Stundenlohnes, während Zulagen und Zuschläge im

Abschnitt XIV behandelt werden. Ohne besondere Regelung könnte es

zumindest zweifelhaft sein, ob dem Verdienstbegriff des

Abschnittes X KV, der in seinem ersten Satz auf den "Arbeitslohn"

abstellt, nur die Entlohnung im Sinn des Abschnittes IX KV oder das

Gesamtentgelt einschließlich der gesondert von der Entlohnung

geregelten Zulagen und Zuschläge zu unterstellen ist. Der zweite

Absatz des Abschnittes X KV trägt dieser Problematik Rechnung, indem

er die Einbeziehung der dort genannten Zulagen und Zuschläge in den

Verdienstbegriff anordnet; er beinhaltet aber andererseits eine

Einschränkung dahin, daß eine Berücksichtigung nur dann zu erfolgen

habe, wenn diese Leistungen während des bezeichneten

Beobachtungszeitraumes regelmäßig bezahlt wurden. Für Wegzeiten

außerhalb der Arbeitszeit gebührt jedoch der Grundlohn nach

Abschnitt IX ohne Zulagen und Zuschläge. Diese Leistung ist daher

bereits Lohn im Sinne des Abschnittes X Abs. 1 erster Satz KV und

daher - ohne Rücksicht auf die für die in Abs. 2 genannten Zulagen

und Zuschläge geforderte Regelmäßigkeit - als Verdienst im Sinn

dieser Bestimmung bei Berechnung des Urlaubszuschusses und der

Weihnachtsremuneration zu berücksichtigen.

Daraus, daß die ab 1. Jänner 1987 nicht mehr auf Basis des

Grundlohnes sondern auf Grund eines abweichenden, auch die

Sonderzahlungen berücksichtigenden Überstundenteilers (laut

Abschnitt XIV Punkt 12 KV) zu vergütenden Überstunden seit diesem

Zeitpunkt folgerichtig nicht mehr als Bestandteil des Verdienstes in

Abschnitt X genannt sind (und damit nicht trotz Abgeltung des

Sonderzahlungsanteiles neuerlich bei Bemessung der Sonderzahlungen

berücksichtigt werden), kann nicht gefolgert werden, daß die

Wegzeitvergütung, die weiterhin (ohne Berücksichtigung der

Sonderzahlungen) auf der Basis des Grundlohnes bemessen wird, nun

gleichfalls nicht mehr als Arbeitslohn im Sinne des Abs. 1 des

Abschnittes X KV anzusehen wäre. Der Umstand, daß der

Sonderzahlungsanteil bei jeder einzelnen Überstunde bereits im Wege

ihrer Berechnung berücksichtigt und daher von der bis

31. Dezember 1986 für die Einbeziehung in den Verdienstbegriff nach Abschnitt X zweiter Absatz geforderten Regelmäßigkeit für die Auswirkung auf die Sonderzahlungen abgesehen wurde, ist vielmehr ein zusätzliches Argument, bei der an sich vergleichbaren Vergütung für außerhalb der Arbeitszeit liegende Wegzeiten auch nicht mehr Regelmäßigkeit als Voraussetzung für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen zu fordern. Der Revision der klagenden Partei war daher Folge zu geben, der der beklagten Partei hingegen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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