OGH 4Ob514/89 (4Ob515/89)

OGH4Ob514/89 (4Ob515/89)14.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Alois Franz G***, geb. 19. Dezember 1942 in Bad Aussee, Dachdeckermeister in Bad Aussee 283, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning, wider die beklagte und widerklagende Partei Margarete Emma G***, geb. am 1. August 1943 in Linz an der Donau, Hausfrau, Linz, Pillweinstraße 21, vertreten durch Dr. Walter Mörth, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 21. November 1988, GZ 4 b R 24, 25/88-83, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 30. November 1987, GZ 4 Cg 432, 433/86-72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile auf Grund der Klage des Ehemannes und der Widerklage der Ehefrau im zweiten Rechtsgang aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden. Es nahm im wesentlichen folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Kläger hat bis zum Jahr 1983 durch extremen Alkoholmißbrauch mit äußerst unliebsamen Begleiterscheinungen (Verwechseln von WC und Speisekammer; mangelnde Körperpflege; Vernachlässigung des Betriebes) mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht. Obwohl sich der Kläger im Frühjahr 1983 erfolgreich einer Alkoholentwöhnungskur unterzog, kam es in der Folge zu keiner Annäherung der beiden Ehegatten mehr. Die Streitteile waren mit den Ehegatten Heinrich und Maria L*** befreundet und übernachteten auch gelegentlich dort. Im Herbst 1983 verheimlichte die Beklagte ihrem Mann, daß sie mit Heinrich L*** auf Teneriffa (in Gegenwart der Tochter der Beklagten aus erster Ehe) einen gemeinsamen Urlaub verbrachte. Bei diesem Urlaub kam es zu intensiven freundschaftlichen Beziehungen der Beklagten zu Heinrich L***, die geeignet waren, den Anschein eines ehewidrigen Umganges herzustellen; Ehebruch ist aber nicht erwiesen. Der Kläger erhielt durch Zufall von dem gemeinsamen Urlaub der Beklagten mit Heinrich L*** Kenntnis und holte in Begleitung Margarete L*** die Beklagte und Heinrich L*** am 12. November 1983 auf dem Flughafen ab, wo es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen kam. Der Kläger stellte wegen des gemeinsamen Urlaubes seiner Frau mit Heinrich L*** seine Unterhaltsleistungen an die Beklagte ein. Am 10. Februar 1983 trennten sich die Streitteile einvernehmlich.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Partners nur gerechtfertigt sei, wenn das Verschulden des anderen völlig in den Hintergrund trete. Ein derartiger Unterschied bestehe aber zwischen den von beiden Streitteilen begangenen Eheverfehlungen nicht, auch wenn der Alkoholmißbrauch des Klägers als bereits verfristete Eheverfehlung geringer als eine nicht verfristete zu werten sei. Immerhin habe gerade dieses schuldhafte Verhalten des Klägers die Zerrüttung der Ehe eingeleitet.

Das Berufungsgericht bestätigte im dritten Rechtsgang (sein Urteil im zweiten Rechtsgang war wegen Nichtigkeit aufgehoben worden) das Ersturteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und billigte die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung.

Der Kläger erhebt gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Revision wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Ehescheidung aus dem überwiegenden Verschulden der Frau ausgesprochen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger rügt unter dem Revisionsgrund der Nichtigkeit, daß der angefochtenen Entscheidung nicht entnommen werden könne, daß es bereits zu mehreren Rechtsgängen gekommen sei; eine umfassende Beurteilung der Angelegenheit hätte eine Bezugnahme auf die Verfahrensergebnisse im ersten Rechtsgang erfordert. Die behauptete Nichtigkeit liegt jedoch nicht vor. Der Nichtigkeitsgrund der mangelhaften Begründung nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder nur so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (SZ 52/196; DRdA 1982, 313 uva). Bei der Überprüfung des Ersturteils im zweiten Rechtsgang hatte sich das Berufungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung und nicht mit früheren Entscheidungen auseinanderzusetzen. Zum besseren Verständnis des Zusammenhanges mag es zwar bisweilen zweckmäßig sein, auf Verfahrensvorgänge in früheren Rechtsgängen Bezug zu nehmen; im vorliegenden Fall hinderte jedoch die Unterlassung solcher Bezugnahmen die Überprüfbarkeit der ausreichend begründeten Entscheidung nicht.

Auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Trotz Fehlens einer Begründungspflicht (§ 510 Abs 3 ZPO) sei auf folgendes hingewiesen:

Der Revisionswerber rügt als Begründungsmangel, daß das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang das auf überwiegendes Verschulden der Beklagten lautende Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht sogar die Aufnahme weiterer Beweise zum ehebrecherischen Verhalten der Beklagten aufgetragen hat; obwohl der Ehebruch der Beklagten im zweiten Rechtsgang bewiesen worden sei, habe das Berufungsgericht das nunmehr auf gleichteiliges Verschulden beider Ehegatten lautende Ersturteil bestätigt, ohne auf seine eigenen Ausführungen im früheren Aufhebungsbeschluß Bezug zu nehmen. Mit diesen, zum Teil aktenwidrigen Ausführungen bekämpft der Kläger unzulässigerweise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Die Vernehmung der Zeugin Maria L*** zum behaupteten Ehebruch der Beklagten wurde dem Erstgericht auf Grund der Berufung der Beklagten aufgetragen, die damit beweisen wollte, daß die von einem anderen Zeugen bekundete Behauptung Maria L***, sie habe die Beklagte mit Heinrich L*** beim Ehebruch ertappt, unrichtig sei. Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht nicht als erwiesen angenommen, daß Maria L*** die Beklagte beim Ehebruch überrascht habe, und in seiner Beweiswürdigung eingehend begründet, warum es den Angaben dieser Zeugen nicht gefolgt ist. Eine Verletzung der Bindung des Berufungsgerichtes an seine eigene rechtliche Beurteilung im Aufhebungsbeschluß liegt daher nicht vor. Die Ausführungen des Klägers zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung enthalten neuerlich eine unzulässige Anfechtung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die sich im übrigen mit der Frage, warum sie nur ehewidrige Beziehungen der Beklagten, aber keinen Ehebruch annahmen, ausführlich auseinandergesetzt haben. Die Rechtsrüge ist in keinem einzigen Punkt gesetzmäßig ausgeführt, weil der Kläger stets von einem ehebrecherischen Verhältnis der Beklagten ausgeht und daraus ihr überwiegendes Verschulden ableiten will. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist daher nicht zu überprüfen.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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