OGH 7Ob520/89

OGH7Ob520/8923.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Vanja B***, 2.) Vojka B***, 3.) Mira S***, 4.) Rajko B***, sämtliche Wien 1., Führichgasse 4, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hermine C***, Pensionistin, Neunkirchen, Dr. Stockhammergasse 29/6, vertreten durch Dr. Gerhard Munk, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert 24.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 28. September 1988, GZ 48 R 327/88-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. Februar 1988, GZ 48 C 471/86-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 3.559,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 593,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Vorinstanzen haben eine auf § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG gestützte Aufkündigung betreffend das von der Beklagten in Wien 1., Führichgasse 4, gemietete Geschäftslokal Nr. VIII für rechtswirksam erkannt. Das Berufungsgericht hat hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß das von der Beklagten in dem Geschäftslokal geführte Unternehmen (Handel mit Damenoberbekleidung) seit der Pensionierung der Beklagten im Jahre 1969 von ihrem Sohn Josef C*** geführt wurde. Dieser bezahlte seit 1969 auch sämtliche Mietzinse für das Bestandobjekt, die jedoch nach wie vor der Beklagten vorgeschrieben wurden. Nach einer Beanstandung durch die Gewerbebehörde wurde über dem Geschäftslokal der Name des Josef C*** angebracht. Am 26.September 1985 schloß Josef C*** mit Gerlinde K*** einen "Pachtvertrag", wonach die Letztgenannte das Unternehmen pachtete. Als Pachtbeginn wurde der 1.Oktober 1985 vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch das Geschäftslokal geschlossen. Ein Unternehmen, das verpachtet hätte werden können, bestand nicht mehr. Gerlinde K*** führt vielmehr ein neues Unternehmen in dem Lokal.

In der Mieterliste der Hausverwaltung scheint weiterhin die Beklagte als Mieterin auf.

Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob die Beklagte ihrem Sohn nur das Unternehmen oder auch die Mietrechte an dem Lokal überlassen hat. Letzteres haben die Vorinstanzen als nicht erwiesen angenommen.

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Daß die Beklagte ihrem Sohn die Mietrechte nicht ausdrücklich überlassen hat (den gegenteiligen positiven Beweis hätte die Beklagte erbringen müssen), ist eine Tatsachenfeststellung, die im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden kann. Demnach hatte sich der Oberste Gerichtshof nur mehr mit den eine stillschweigende Überlassung der Mietrechte an Josef C*** betreffenden Revisionsausführungen auseinanderzusetzen.

Gemäß § 863 Abs. 1 ABGB kann ein Vertrag nur durch solche Handlungen stillschweigend zustande kommen, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, an einem entsprechenden Vertragswillen zu zweifeln, übrig lassen. Für die Konkludenz eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen legt also § 863 ABGB einen strengen Maßstab an. Vor allem ist bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts besondere Vorsicht geboten (Rummel RZ 14 zu § 863).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Beklagte ihrem Sohn ihr Unternehmen übertragen hat. Nur in diese Richtung gingen ihre Erklärungen. Sämtliche ihrer Handlungen sind eindeutig schlüssig in Richtung auf Überlassung eines Unternehmens. Wenn also darüber hinaus ein weiterer rechtsgeschäftlicher Wille behauptet wird, so wäre es Sache der Beklagten gewesen, zusätzliche Umstände zu behaupten und zu beweisen, die dartun, daß das im Hinblick auf die Überlassung des Unternehmens schlüssige Verhalten der Beklagten auch einen darüber hinausgehenden rechtsgeschäftlichen Willen zweifelsfrei erkennen läßt. Würde man nämlich in der bloßen Überlassung eines Unternehmens und in der dazugehörigen Duldung der Ausübung dieses Unternehmens in den dazugehörigen Geschäftsräumlichkeiten automatisch auch eine Übertragung der Mietrechte erblicken, so wäre grundsätzlich jede Unternehmensübertragung gleichzeitig eine Überlassung der Mietrechte betreffend jenes Lokales, in dem das Unternehmen betrieben wird. Dies ist aber nicht zwingend. Vielmehr kann aus einem nur im Hinblick auf die Unternehmensübertragung schlüssigen Verhalten noch nicht mit der nach § 863 ABGB gebotenen Sicherheit auf die gleichzeitige Übertragung der Mietrechte geschlossen werden. Da die Beklagte außer den festgestellten Umständen keine weiteren Tatsachen bewiesen hat, die einen zwingenden Schluß auf einen zusätzlichen rechtsgeschäftlichen Willen betreffend eine Übertragung der Mietrechte zulassen würden, haben die Vorinstanzen eine solche Übertragung mit Recht nicht angenommen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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