Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs der Erstantragsgegnerin wird Folge gegeben. In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt.
Die Antragsteller sind schuldig, der Erstantragsgegnerin die mit S 8.759,04 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 770,29 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundparzelle 1885 mit dem Hause Stumpenreute Nr.1 sowie der Grundparzelle 1887/3, beide zugehörig zur EZ 737 KG Kennelbach. Die Erstantragsgegnerin ist Eigentümerin der Grundparzelle 1886 der Liegenschaft EZ 739 KG Kennelbach und die Zweitantragsgegnerin ist Eigentümerin der Grundparzelle 1962 der EZ 258 KG Kennelbach.
Die Antragsteller beantragen gegenüber den Antragsgegnern die Einräumung eines Notweges mit der Behauptung, erst anläßlich der Erteilung der Benützungsbewilligung für ihr im Jahre 1983 auf der GP 1885 errichtetes Wohnhaus sei hervorgekommen, daß die Zufahrt zu diesem Wohnhaus im Anschluß an die Einödstraße "über einen kleinen Zwickel der GP 1886 und 1962" erfolge. Eine für die ordentliche Benützung und Bewirtschaftung ihrer Liegenschaft erforderliche Wegverbindung könne nur über die Liegenschaften der Antragsgegner geschaffen werden.
Die Zweitantragsgegnerin erklärte sich mit der Einräumung des begehrten Notweges gegen Festsetzung einer Entschädigung von S 50/m2 (ON 9) einverstanden.
Die Erstantragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages, weil die Antragsteller über eine ausreichende Zufahrt verfügten, zumal die Einödstraße zunächst ohnehin direkt zum tiefer gelegenen Teil ihrer Liegenschaft GP 1887/3 führe, auf welchem die Antragsteller auch eine Doppelgarage errichtet hätten und von wo sie seit jeher ohne Inanspruchnahme des beantragten Notweges über einen Fußweg ihr höher gelegenes Wohnhaus erreichten. Sie hätten auch bereits vor Errichtung des Hauses insbesondere auch auf Grund der Mitteilung der Erstantragsgegnerin (ON 9) gewußt, daß sie kein Recht auf die nunmehr begehrte Zufahrt besäßen und hätten einen allfälligen Wegebedarf solcherart durch auffallende Sorglosigkeit selbst verschuldet. Hinsichtlich des nach der Einfahrt zur Doppelgarage der Antragsteller gelegenen Teiles der einer Weggenossenschaft eigentümlichen Einödstraße habe die Genossenschaft den Antragstellern nur ein beschränktes Zufahrtsrecht bewilligt, nämlich für die Bauzeit und sodann für den Transport von Personen, welchen ein Begehen des Fußweges zum Wohnhaus nicht zumutbar sei, sowie für das Zu- und Abführen von Lasten. Somit komme die Einräumung eines Notweges über diesen Umfang hinaus von vornherein nicht in Betracht.
Diesem Vorbringen entgegneten die Antragsteller, schon anläßlich einer seinerzeitigen Erbteilung seien die damaligen Eigentümer der GP 1884, 1885 und 1886 der Meinung gewesen, die Zufahrt zur GP 1885 erfolge direkt vom Einödweg, also ohne Inanspruchnahme der GP 1886. Aus der Widmung der GP 1885 als Baufläche ergebe sich, daß die Behörde ebenfalls vom Vorhandensein einer Verkehrsverbindung ausgegangen sei. Im April 1981 hätten die Antragsteller um Errichtung eines Einfamilienhauses auf der Parzelle 1885 und einer Garage auf der Parzelle 1887/3 angesucht. Bei der betreffenden Bauverhandlung habe die Erstantragsgegnerin keine Einwendungen gegen den Bau erhoben. Mit der Weggenossenschaft Einödstraße sei eine Benützungsvereinbarung im Sinne des Vorbringens der Erstantragsgegnerin abgeschlossen worden. Erst im Zuge der Bauführung habe die Erstantragsgegnerin darauf hingewiesen, daß die Zufahrt zur GP 1885 über die GP 1886 erfolge. Von der Baubehörde sei vorgeschrieben worden, die Zufahrt über die GP 1885 "nordseitig" zu führen, obwohl sie von der Erstantragsgegnerin davor, daß diese Zufahrt über GP 1886 verlaufe, benachrichtigt worden sei. Zwecks Feststellung, ob die Zufahrt tatsächlich über das Grundstück 1886 der Erstantragsgegnerin führe, hätten die Antragsteller "die Vermessung der Zufahrt" vorgeschlagen, doch sei dies von der Erstantragsgegnerin abgelehnt worden. Die Garage sei von den Antragstellern nur deswegen auf der GP 1887/3 errichtet worden, weil die Einödstraße in ihrem weiteren Verlauf eine zur Winterszeit mangels Schneeräumung nicht zu befahrende Steigung aufweise. Da die Antragsteller der Erstantragsgegnerin die Verrichtung von Holzarbeiten auf der GP 1885 bewilligt hätten, habe ihnen diese "keine besonderen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung der Zufahrt zum Wohnhaus gemacht".
Das Erstgericht wies den Antrag auf Einräumung eines Notweges gegenüber beiden Antragsgegnern ab. Es stellte fest: Die an die GP 1885 unmittelbar angrenzende GP 1887/3 ist direkt von der Einödstraße her erreichbar. Auf der letztgenannten GP haben die Antragsteller eine Doppelgarage sowie zwei Autoabstellplätze errichtet. Von der Doppelgarage führt ein Fußweg in der Breite von mindestens 1 m in fünf Serpentinen und über rund 100 Stufen zum Wohnhaus Stumpenreute Nr.1. Teilweise sind stufenfreie Stücke in der Länge von ca. 2 bis ca. 5 m vorhanden. Eine Zufahrt von Kraftfahrzeugen ist auf diesem Fußweg nicht möglich. Sie könnte aber, wie auf dem Plan Beilage 1 ersichtlich ist, im weiteren Verlauf der Einödstraße durch Abzweigung von dieser nach links über die GP 1962 der Zweitantragsgegnerin und die GP 1886 der Erstantragsgegnerin und sodann auf dem Grundstück 1885 erfolgen. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Antragsteller hätten durch Errichtung einer Doppelgarage auf der GP 1887/3 selbst zu erkennen gegeben, daß auf Grund der örtlichen Verhältnisse eine Zufahrt bis zum Wohnhaus nicht in Betracht komme. Dieses Haus hätten sie zur Verkürzung des Fußweges auch anders situieren können, wie dies bei vielen anderen, nur über einen Fußweg erreichbaren Wohnhäusern in Hanglage der Fall sei. Der zum Zwecke einer schöneren Wohnlage geschaffene Nachteil einer Unerreichbarkeit mit Fahrzeugen dürfe nicht zu Lasten der Grundnachbarn gehen. Jedenfalls sei der Mangel der Wegverbindung auf die auffallende Sorglosigkeit der Antragsteller selbst zurückzuführen. Demgemäß erscheine die beantragte Einräumung eines Notweges gemäß § 2 NWG unzulässig. Der notwendig auf die Parzellen 1886 und 1962 gemeinsam bezogene Antrag sei daher abzuweisen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller hinsichtlich der erstgerichtlichen Abweisung des Begehrens auf Einräumung eines Notweges in Form der Dienstbarkeit eines unwiderruflichen und unbeschränkten Gehrechtes über die GP 1886 und 1962 nicht, im übrigen jedoch Folge, hob den angefochtenen Beschluß hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Einräumung eines Fahrrechtes auf den genannten Parzellen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Beschwerdegegenstand den Betrag von S 2.000 übersteigt.
Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, im Hinblick auf den vorhandenen, von der GP 1887/3 zum Wohnhaus führenden Fußweg bestehe keine Notwendigkeit, den Antragstellern einen Notweg in Form eines Gehrechtes über die GP 1886 und 1962 einzuräumen, sodaß die Antragsabweisung insoweit zu Recht erfolgt sei. Auch die Einräumung eines uneingeschränkten Fahrrechtes komme von vornherein nicht in Betracht, wohl aber sei zu prüfen, ob ein eingeschränktes Fahrrecht, etwa zum Transport von Heizmaterial oder Abtransport von Abwässern, im Rahmen der ordentlichen Bewirtschaftung der Liegenschaft der Antragsteller erforderlich sei. Diesbezüglich mangle es an entsprechenden erstgerichtlichen Feststellungen. Im Falle der Notwendigkeit eines solchen Fahrrechtes müsse weiters die Frage der von der Erstantragsgegnerin eingewendeten auffallenden Sorglosigkeit untersucht werden. Die Antragsteller hätten eine solche mit der Behauptung bestritten, vor Baubeginn der Auffassung gewesen zu sein, für die Zufahrt zum Wohnhaus von der Einödstraße aus keinen fremden Grund benützen zu müssen. Somit müsse diese Frage durch Aufnahme der hiezu angebotenen Beweise und Feststellung des diesbezüglichen Sachverhaltes geklärt werden. Aus dem bereits vorliegenden Lageplan Beilage./1 ergebe sich eindeutig, daß eine Zufahrt von der Einödstraße zum Wohnhaus der Antragsteller nur unter Inanspruchnahme der den Antragsgegnern eigentümlichen GP 1886 und 1962 möglich sei. Wenn die Antragsteller bereits vor Baubeginn feststellen hätten können, daß eine derartige Wegverbindung zum Wohnhaus nur über fremden Grund möglich sei, und dennoch keinerlei Vorsorge getroffen hätten, so falle ihnen auffallende Sorglosigkeit zur Last. Gegen den den erstgerichtlichen Beschluß bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung erheben die Antragsteller einen auf unrichtige rechtliche Beurteilung bzw. den Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 AußStrG gegründeten Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Rückverweisung der Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht.
Die Erstantragsgegnerin wendet sich gegen den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen. Sie bringt vor, die Antragsteller hätten die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Einräumung eines Fahrrechtes in erster Instanz nicht dargetan und könnten das Versäumte nicht mehr nachholen. Ihre aus den GP 1887/3 und 1885 bestehende Liegenschaft sei als Einheit aufzufassen, welche nicht der nötigen Wegverbindung entbehre und in der ordentlichen Bewirtschaftung nicht beeinträchtigt sei. Den Antragstellern falle jedenfalls auffallende Sorglosigkeit zur Last und zwar auch insoweit, als sie mit der Weggenossenschaft Einödstraße die Vereinbarung Beilage./6 abgeschlossen hätten, welche dem weiten Umfang des gegenüber den Antragsgegnern angestrebten Zufahrtsrechtes widerspreche.
Rechtliche Beurteilung
Die beiden Rekurse sind zulässig, weil sowohl rekursgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse (EvBl 1958/362; SZ 38/19; 1 Ob 649/84 ua) als auch bestätigende Entscheidungen im Verfahren wegen Einräumung eines Notweges im Sinne des § 16 AußStrG (SZ 12/122, SZ 25/52; 8 Ob 31/65
ua) anfechtbar sind.
Der Rekurs der Erstantragsgegnerin ist auch gerechtfertigt und der Antrag der Antragsteller demgemäß abzuweisen. Das als Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG zu wertende Rechtsmittel der Antragsteller ist dagegen zurückzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung sind die Bestimmungen des Notwegegesetzes einschränkend auszulegen (7 Ob 73/56; LW Betrieb 1972, 120; 6 Ob 804/77 ua). Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Erwerber eines Grundstückes für dessen hinreichende Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz selbst Vorsorge zu treffen und die diesbezüglichen Erfordernisse für eine ordentliche Benützung und Bewirtschaftung schon bei seiner Planung in Rechnung zu stellen hat. Bei einer beabsichtigten Bauführung muß er sich daher schon vor der Bauführung um die Sicherung einer hiefür notwendigen Wegeverbindung kümmern (1 Ob 649/84). Hiezu gehört es insbesondere auch, daß er sich darüber Gewißheit verschafft, ob sein Grundstück, dessen Ausmaß und Grenzen aus der Natur und aus der Grundstücksmappe hervorgehen, überhaupt direkt an das öffentliche Wegenetz anschließt. Der früher mehrfach ausgesprochene Rechtssatz, der Ankauf eines Grundstückes ohne Verbindung zum öffentlichen Wegenetz begründe noch keine auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 NWG, wird in der jüngeren Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten. Die Frage, ob der Mangel der Wegeverbindung auf eine auffallende Sorglosigkeit zurückgeht, ist vielmehr stets nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (6 Ob 684/83, 1 Ob 649/84; SZ 53/36; 4 Ob 529/79 ua).
Vorliegendenfalls konnten die Antragsteller keine Umstände behaupten, aus welchen sich in der Natur ein Grenzverlauf des Grundstückes 1885 unmittelbar im Anschluß an die Wegparzelle Einödstraße ergebe. Das vom Rekursgericht zum Anlaß seines Aufhebungsbeschlusses genommene Vorbringen, bei einer seinerzeitigen Teilung hätten Rechtsvorgänger die Meinung vertreten, die Parzelle 1885 grenze an die Einödstraße an, enthob sie im Sinne der vorstehenden Grundsätze nicht, sich von der Richtigkeit dieser "Meinung" durch Überprüfung anhand der Grundstücksmappe zu überzeugen. Aus dem Lageplan Beilage./1, auf welchen beide Vorinstanzen ihre Feststellungen gründeten, geht aber eindeutig hervor, daß zwischen der Wegparzelle Einödstraße und der GP 1885 auf deren gesamten Länge die langgestreckte GP 1886 der Erstantragsgegnerin liegt und daß die Einödstraße daher an keinem Punkt auch nur annähernd an die GP 1885 heranführt. Den Antragstellern wäre es somit ein Leichtes gewesen, anläßlich des Kaufes der GP 1885 - bei welchem sich ein einigermaßen sorgfältiger Käufer im eigenen und im Interesse der Grundnachbarn über den Grenzverlauf des Kaufobjektes informiert - und jedenfalls noch vor der Erbauung ihres den begehrten Notweg erfordernden Wohnhauses den Mangel einer Verbindung zur Einödstraße festzustellen. Nur wenn sich klar und unbestritten aus der Natur oder aus einem vorgelegten, in seiner Richtigkeit nicht zu bezweifelnden Lageplan die behauptete Wegeverbindung ergibt, kann die Pflicht des Erwerbers, in die Grundstücksmappe Einsicht zu nehmen, verneint werden (3 Ob 586/77). In der Unterlassung einer derartigen Überprüfung liegt somit vorliegendenfalls eine auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 2 NWG. Daran ändert auch nichts, daß die Baubehörde nicht von Anfang an, sondern erst im Bescheid vom 12.September 1983, Beilage./7, auf das Fehlen eines Abkommens über die Inanspruchnahme fremden Grundes für die "Zufahrt" zur Parzelle 1885 verwies und die Erstantragegnerin entsprechende Einwendungen gegen die Bauführung unterließ (vgl NZ 1956, 107).
Durch die vorstehende rechtliche Beurteilung sind die von den Antragstellern beantragten weiteren Beweisaufnahmen sowie die Rügen erstgerichtlicher unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger Beweiswürdigung zur Gänze als rechtlich unerheblich dargetan. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes steht bereits fest, daß die Antragsteller schon vor Baubeginn die Notwendigkeit der Benützung fremden Grundes für die begehrte Zufahrt leicht hätten feststellen können. In Stattgebung des Rekurses der Erstantragsgegnerin war daher in der Sache selbst zu entscheiden und der erstgerichtliche Beschluß wieder herzustellen. Die Antragsteller sind mit ihrem Rechtsmittel auf diese Entscheidung zu verweisen. Gemäß § 25 NWG haben die Antragsteller der Erstantragsgegnerin die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen (EvBl 1985/127).
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