Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 17.Juli 1976 bei der Beklagten zunächst als Lehrling und dann als Bäckereiarbeiter beschäftigt. Seit 1981 war die tägliche Arbeitszeit von 1 Uhr bis 8,30 Uhr festgesetzt. Im August 1987 war der Kläger auf Urlaub. Am 22.August 1987 teilte ihm ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten mit, daß nunmehr um 1,30 Uhr Arbeitsbeginn sei. Der Kläger trat daher am 24.August 1987, dem ersten Arbeitstag nach seinem Urlaub, seinen Dienst um 1,30 Uhr an. Um 5 Uhr früh teilte ihm der Geschäftsführer der Beklagten mit, daß er in Hinkunft um 4 Uhr mit der Arbeit zu beginnen habe. Daraufhin erkundigte sich der Kläger bei der Gewerkschaft über die Zulässigkeit der Änderung der Arbeitszeiteinteilung und erschien auch am 25.August 1987 wiederum um 1,30 Uhr zur Arbeit. Nach Ende der Arbeitszeit wies ihn der Geschäftsführer der Beklagten noch einmal darauf hin, daß für ihn erst um 4 Uhr Arbeitsbeginn sei. Der Kläger erwiderte darauf, daß er mit der geänderten Arbeitszeitregelung nicht einverstanden sei, weil sie eine Lohneinbuße zur Folge habe, und verwies nach der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten auf die bei der Gewerkschaft eingeholte Auskunft.
Der Geschäftsführer der Beklagten befestigte an diesem Tag an der Eingangstüre der Backstube ein Schreiben, das die Arbeitseinteilung unter Anführung der Namen der Mitarbeiter und deren jeweilige Arbeitszeit enthielt. Einen Hinweis darauf, für welchen Zeitraum diese Arbeitseinteilung gelten sollte, enthielt das Schriftstück nicht. Der Geschäftsführer der Beklagten wies den Kläger auch persönlich nicht darauf hin, daß er von dem späteren Arbeitsbeginn (um 4 Uhr früh) nur turnusweise alle vier Wochen "einmal" (gemeint offenbar: jede vierte Woche) betroffen sei. Als der Kläger am 26.August 1987 wiederum um 1,30 Uhr zur Arbeit erschien und der Weisung des Geschäftsführers der Beklagten, erst um 4 Uhr früh zu kommen, nicht Folge leistete, wurde er entlassen. Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt Abfertigung, Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung in der außer Streit gestellten Gesamthöhe von S 107.446,96 sA, weil er ungerechtfertigt entlassen worden sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil sich der Kläger beharrlich geweigert habe, einer gerechtfertigten Anordnung des Arbeitgebers Folge zu leisten. Die Änderung der Arbeitszeit sei durch die Anschaffung eines sogenannten Gärunterbrechers notwendig geworden. Die Beklagte habe daher die Arbeitszeit des Klägers in jeder vierten Woche von 4 Uhr bis 10 Uhr festgesetzt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als erwiesen an und war der Ansicht, daß die seit neun Jahren gleichbleibende Arbeitszeit des Klägers ein Bestandteil seines Arbeitsvertrages geworden sei. Das Verhalten des Klägers sei daher nicht als beharrliche Pflichtverletzung anzusehen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Dem Arbeitgeber stehe das Recht zu, in den gesetzlichen Grenzen den Beginn und das Ende der Arbeitszeit festzulegen, sofern dem nicht eine ausdrückliche Vereinbarung mit den betroffenen Arbeitnehmern entgegenstehe. Die Tatsache, daß die tägliche Arbeitszeit durch Jahre unverändert geblieben sei, führe nicht zu einer schlüssigen Vereinbarung über die tägliche Arbeitszeit. Die Entlassung sei aber dennoch nicht berechtigt, weil der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar sei. Die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei aber ein den gesetzlichen Entlassungstatbeständen begrifflich immanentes Merkmal. Daraus folge, daß nicht schon jede Vertrags- oder Ordnungswidrigkeit, sondern nur eine wesentliche Vertrags- oder Gesetzesverletzung, die eine weitere Zusammenarbeit auch für die Kündigungsfrist ausschließe, zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtige.
Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Kläger nicht davon informiert, daß ihn die Änderung der Arbeitszeit lediglich turnusweise alle vier Wochen treffe. Derzeit arbeiteten die fünf bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer ab 1,30 Uhr. Bei dieser Sachlage sei der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ende der Kündigungszeit zumutbar gewesen.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klageabweisung abzuändern oder aufzuheben. Der Kläger beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht die Beklagte vermeintliche Feststellungsmängel geltend, die nicht vorliegen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ob die einseitige Änderung so wesentlicher Arbeitsbedingungen, wie es die Verlegung des Beginnes der Nachtarbeitszeit in Bäckereibetrieben von 1 Uhr früh bis 4 Uhr früh ist, auf Grund des Weisungsrechts des Arbeitgebers zulässig ist, oder ob man mangels eines Vorbehalts des Arbeitgebers im Zweifel von einer stillschweigenden Vereinbarung der Arbeitszeit dergestalt auszugehen hätte, daß sich der Arbeitnehmer nur den Änderungen der Arbeitszeit durch kollektivrechtliche Akte unterwirft (vgl Spielbüchler, Arbeitsrecht3 I 140; § 97 Abs 1 Z 2 iVm § 97 Abs 2 ArbVG), kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen. War die vom Geschäftsführer einseitig verfügte Änderung der Arbeitszeit des Klägers durch den Gegenstand der Arbeitsleistung und die Besonderheit des Betriebes gerechtfertigt, so war die wiederholte Weigerung des Klägers, die Arbeit erst um 4 Uhr früh zu beginnen, objektiv eine beharrliche Vernachlässigung seiner Pflichten iS des § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859, die der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger auch für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte. Eine Pflichtverletzung muß aber nicht nur objektiv schwerwiegend sein, sondern auch schuldhaft erfolgen, um eine darauf gestützte Entlassung zu rechtfertigen. Als Schuldform reicht Fahrlässigkeit aus, doch muß dem Arbeitnehmer bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennbar sein. Lehnt ein Arbeitnehmer die Befolgung einer Weisung in der irrigen Meinung ab, er sei zu ihrer Einhaltung nicht verpflichtet, obliegt ihm der Nachweis, daß er sich über seine Verpflichtung trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt in einem Irrtum befunden habe (Kuderna, Entlassungsrecht 72; RdW 1986, 219 = ZAS 1988, 22 !Schima ).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger diesen Nachweis erbracht. Er war auf Urlaub, als die Beklagte die Änderung der Arbeitszeit im Betrieb verfügte. Von der Verlegung des Arbeitsbeginnes um eine halbe Stunde auf 1,30 Uhr erhielt er durch einen anderen Arbeitnehmer Kenntnis, nahm dies ohne weiteres hin und erschien am 24.August 1987 eine halbe Stunde später im Betrieb. Als er davon erfuhr, daß er erst um 4 Uhr beginnen sollte (obwohl die anderen Arbeitnehmer um 1,30 Uhr begonnen hatten), erkundigte er sich bei der Gewerkschaft und begann auf Grund dieser Auskunft auch am nächsten Tag schon um 1,30 Uhr mit der Arbeit. Der Geschäftsführer der Beklagten erfuhr vom Kläger, daß er mit der geänderten Arbeitszeiteinteilung nicht einverstanden sei und sich deswegen auch bei der Gewerkschaft erkundigt habe, teilte aber dem Kläger nicht mit, daß es sich bei dessen späteren Arbeitsbeginn um einen wechselnden Turnusdienst handle und der Kläger daher nur alle vier Wochen später als die übrigen Arbeitnehmer mit der Arbeit zu beginnen habe. Der Kläger konnte wegen der nur unvollständigen Kenntnis der vom Geschäftsführer der Beklagten getroffenen Arbeitseinteilung, die ihm als dauernde Benachteiligung gegenüber den anderen Arbeitnehmern erscheinen mußte, mit guten Gründen der Meinung sein, daß er die Weisung des Arbeitgebers nicht befolgen müsse. Es wäre Sache des Geschäftsführers der Beklagen gewesen, den Kläger schon am 24.August 1987 oder wenigstens nach dem unvollständigen schriftlichen Anschlag der Arbeitseinteilung darauf aufmerksam zu machen, daß es sich um einen ihn nur alle vier Wochen treffenden, von der Arbeitszeit der übrigen Belegschaft abweichenden Turnusdienst handle. Angesichts der Unterlassung der erforderlichen Aufklärung des Klägers durch den Geschäftsführer der Beklagten war die Weigerung des Klägers nicht schuldhaft, so daß sie die darauf gestützte Entlassung schon aus diesem Grund nicht rechtfertigt. Der Revision, die sich zu Unrecht im wesentlichen gegen die Annahme einer bloßen Ordnungswidrigkeit durch das Berufungsgericht wendet, ist daher, wenngleich aus anderen Gründen, ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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