Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3.Dezember 1965 geborene Karl Ü*** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 28.April 1987 in Zeillern Martin M*** dadurch, daß er diesem mit einem zuvor abgeschlagenen Bierglas einen wuchtigen Stoß gegen den linken Unterarm versetzte, eine schwere Körperverletzung (§ 84 StGB), nämlich eine Schnittwunde am Unterarm links, verbunden mit einer Durchtrennung des Hauptastes des Armgeflechtes und einer Läsion des Beugemuskels, absichtlich zugefügt.
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 a, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung, während der mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesene Privatbeteiligte Martin M*** mit seiner Berufung den Zuspruch eines Teilschmerzengeldes begehrt.
Nach den - zusammengefaßten - Urteilskonstatierungen legten es der Angeklagte und seine Freunde Manfred H*** und Johann B***, nachdem sie im mittelstark alkoholisierten Zustand im Tankstellenbuffet der Pauline K*** mit Martin M*** und Christian H*** zusammengetroffen waren, auf einen Streit an, indem sie M*** und H*** anstänkerten und zu Tätlichkeiten zu provozieren trachteten. Als schließlich Martin M***, um sich davor zu schützen, mit Bier angeschüttet zu werden, mit der linken Hand eine Abwehrbewegung machte, schlug der Angeklagte mit einer raschen Hand- und Armbewegung den Bierstutzen an der Kante des Tisches ab, wobei er das Glas im unteren Drittel erfaßte. Durch das Aufschlagen an der Tischkante brachen die oberen zwei Drittel des Bierstutzens unter starker Splitterbildung ab, das untere Drittel samt Glasboden blieb in der Hand Karl Ü***. Dieser stieß nun den oberen, durch die Zersplitterung ausgezackten scharfen Glasrand des in seiner Hand verbliebenen Glasdrittels Martin M*** in der Absicht, diesem dadurch eine schwere Körperverletzung zuzufügen, gegen den linken Unterarm. Martin M*** erlitt dadurch die bezeichnete, 10 cm lange, stark klaffende und stark blutende Schnittwunde.
Das Schöffengericht folgte bei dieser Sachverhaltsfeststellung den glaubwürdigen und unbedenklichen Aussagen der Zeugen Martin M*** und Christian H***, während es den Angaben des Angeklagten und seiner beiden Begleiter H*** und B*** sowie der weiteren Zeugen Andreas F*** und Michael R*** den Glauben versagte. Diese Zeugen versuchten nämlich, die Verantwortung des Angeklagten, M*** habe im Zuge der Abwehrbewegung in den sich ihm entgegenbewegenden Bierstutzen hineingegriffen, diesen zerbrochen und sich dabei die Verletzung zugezogen, zu stützen, welche Version das Schöffengericht aber auch unter Beachtung des medizinischen Sachverständigengutachtens als nicht tatsachengerecht ablehnte (S 122-126).
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte sieht sich nun in seinen Verteidigungsrechten dadurch beeinträchtigt (Z 4), daß seine Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vorstehers des Bezirksgerichtes St. Peter in der Au zum Nachweis dafür, daß der Zeuge H*** tatsächlich davon gesprochen habe, das Bierglas sei mit dem Glasboden auf dem Tisch zerschlagen worden, und auf Vernehmung des Arztes Dr. K*** zum Beweis dafür, daß Martin M*** ihm gegenüber nur erwähnte, gegen das Bierglas des Angeklagten gefahren zu sein und sich dabei verletzt zu haben, abgewiesen wurden. Das Gericht meinte, der Zeuge Christian H*** habe die Protokollierung seiner Aussage vor dem Bezirksgericht St. Peter in der Au in der Hauptverhandlung aufgeklärt und der Verletzte Martin M*** habe zum Verletzungshergang mehrfach selbst Stellung genommen (S 112, 113).
Da die Tatrichter auf Grund ihres persönlichen Eindrucks den ursprünglich vor der Gendarmerie und dann auch in der Hauptverhandlung bestätigten Depositionen des Zeugen H*** über die zur Verletzung führende Tathandlung (dazu Hader, S 44 und 97 f:
Zustoßen mit den "Glasresten"; mit dem "Glasrest"; keineswegs also mit dem noch intakten Glas !) Glauben schenkten, obwohl ihnen die den Nebenumstand, wie das Glas zuvor zerschlagen wurde, betreffende abweichende Protokollierung seiner Aussage im Vorverfahren bekannt war, kommt dem aus der Befragung desjenigen Richters, der den Zeugen im Rechtshilfeweg vernommen hatte, erhofften Beweisergebnis, daß nämlich der Richter die Aussagen H*** auch so protokolliert habe, wie sie zu verstehen waren, keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu. Ebenso verhält es sich mit der vom Erstgericht als richtig unterstellten unvollständigen Angabe des Martin M*** im Krankenhaus Amstetten, weil dessen stets gleichlautende Darstellung vor der Gendarmerie, im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung trotzdem als unbedenklich beurteilt wurde (S 125).
Daraus erhellt, daß durch das Unterbleiben der begehrten Beweisaufnahmen, deren allfälliges Ergebnis ohnehin bei der Beweiswürdigung miteinbezogen wurde, dem Angeklagten kein Nachteil erwachsen ist (§ 281 Abs 3 StPO).
Auch in seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht der Beschwerdeführer, durch Hinweis auf im Detail abweichende Aussagen der Belastungszeugen die Angaben der die Verantwortung des Angeklagten stützenden Entlastungszeugen B***, H*** und F*** als tatsachengerecht und den aus der Art der Zufügung der Verletzung (heftiges Zustoßen mit dem abgeschlagenen Bierstutzen nach Vorankündigung der Aggression) gezogenen Schluß auf eine absichtliche schwere Körperverletzung als nicht überzeugend hinzustellen. Damit vermag die Beschwerde aber keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Diese teilweise auch im Rahmen der Rechtsrüge angestellten Erwägungen sind insgesamt als - auch nach Inkrafttreten des StRÄG 1987 - unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung zu betrachten.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und 10), die die oben wiedergegebene Feststellung zur subjektiven Tatseite (Absicht im Sinn des § 5 Abs 2 StGB) als unzutreffend bezeichnet und die Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand des § 88 Abs 1 und 4 StGB reklamiert, entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil sie nicht vom Urteilssachverhalt, sondern von der vom Schöffengericht als unrichtig abgelehnten Verteidigungslinie des Angeklagten ausgeht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO teilweise als unbegründet, im übrigen aber als nicht gesetzgemäß ausgeführt bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen. Demnach wird über die Berufungen des Angeklagten und des Privatbeteiligten der örtlich zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)