OGH 8Ob586/88

OGH8Ob586/8826.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***-Drogerien, Herbert D*** KG, Bundesstraße 12, 5620 Schwarzach i.Pg. vertreten durch Dr. Walter Vavrovsky, Dr. Hartmut Ramsauer, Dr. Karl Ludwig Vavrovsky und Ingrid Stöger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Heidelies (auch Hedelies) V***, Geschäftsfrau, Bahnhofstraße 1, 5760 Saalfelden, vertreten durch Dr. Egon Schmidt, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 7. April 1988, GZ 32 R 368/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Saalfelden vom 27. Mai 1986, GZ 2 C 16/84-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Es wird der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die klagende Partei behauptet, sie habe durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter Herbert D*** mit der Beklagten vom 9. Oktober 1984 einen im einzelnen mit 15 Vertragspunkten dargestellten schriftlichen Mietvertrag über das Geschäftslokal im Parterre und damit zusammenhängende Lagerräume des Hauses Bahnhofstraße 1 in Saalfelden geschlossen. Da die Beklagte in der Folge den Vertragsabschluß bestritten habe, bestünde für die klagende Partei ein rechtliches Interesse an der mit vorliegender Klage begehrten Feststellung, daß zwischen den Streitteilen am 9. Oktober 1984 der Mietvertrag mit dem im einzelnen wiedergegebenen Inhalt zustande gekommen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Mietvertrag sei nicht zustande gekommen; im übrigen sei sie durch die klagende Partei über wesentliche Teile des Vertrages, nämlich über die Dauer des Mietverhältnisses, die Kündigungsmöglichkeiten und den Kündigungsschutz, in Irrtum geführt worden, ohne den sie den Vertrag nicht unterzeichnet hätte. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren der klagenden Partei statt, wobei es im wesentlichen der Darstellung der klagenden Partei bei den Urteilsfeststellungen folgte und die Irrtumsanfechtung der Beklagten verwarf.

Infolge Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung wies das Berufungsgericht in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils das Klagebegehren ab, weil der klagenden Partei das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung fehle: sie hätte nämlich - in Kenntnis des Umstandes, daß die Beklagte das umstrittene Geschäftslokal zwischenzeitig veräußert habe - bereits Leistungsklage erheben und Vertragserfüllung und auf Schadenersatz oder auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages klagen können. Die übrigen Berufungsgründe erledigte das Gericht zweiter Instanz nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist gerechtfertigt. Der Revisionswerberin kann das rechtliche Interesse an der Feststellung des - von der Beklagten bestrittenen - Bestandes des Mietvertrages vom 9. Oktober 1984 auch angesichts des Umstandes nicht abgesprochen werden, daß die Beklagte den Mietgegenstand nachträglich (vor der Klageerhebung und jedenfalls vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz) veräußert hat. Die auf diesen Umstand gestützten Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes, daß die im Verfahren begehrte Feststellung des Bestandes des Mietvertrages zwischen den Streitteilen gegenüber dem nunmehrigen Eigentümer des Bestandobjektes keine Wirksamkeit entfalten können, übersehen, daß die klagende Partei nicht ein derartiges, auch den nunmehrigen Eigentümer des Bestandgegenstandes einschließendes Mietverhältnis, sondern lediglich das zwischen ihr und der Beklagten auf Grund des behaupteten und vom Erstgericht auch festgestellten schriftlichen Mietvertrages vom 9. Oktober 1984 bestehende Rechtsverhältnis festgestellt haben will. Die positive Feststellung des Bestandes des zwischen den Streitteilen am 9. Oktober 1984 geschlossenen Mietvertrages ist aber für die klagende Partei nicht nur als Grundlage für allfällige Schadenersatzansprüche, sondern ungeachtet der Weiterveräußerung des Bestandobjektes an einen Dritten auch für einen allfälligen - bisher noch nicht erhobenen, aber durchaus möglichen - Anspruch der klagenden Partei gegen die Beklagte auf Verschaffung des vertragsgemäßen Mietgegenstandes geeignet. Jedenfalls besteht die Möglichkeit, bezüglich der zwischen den Streitteilen auf Grund des umstrittenen Mietvertrages vom 9. Oktober 1984 geschaffenen rechtlichen Beziehungen durch das Feststellungsbegehren ein für allemal Klarheit zu schaffen und künftige Leistungsansprüche zu vermeiden oder zu erleichtern (JBl 1969, 399 uva, zul. etwa 7 Ob 627/86, 7 Ob 642/86, 6 Ob 626/87). Dazu kommt, daß in der Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit Feststellungsklagen über Dauerschuldverhältnisse zumindest im Bestreitungsfall ein rechtliches Interesse der Gegenpartei an der alsbaldigen Feststellung des Bestandes eines solchen Schuldverhältnisses stets bejaht wurde (für viele JBl 1980, 31; JBl 1975, 161). Es kann auch bei der bisher gegebenen Sachlage nicht davon gesprochen werden, daß die klagende Partei schon alle denkbaren Ansprüche aus dem aufrechten Bestand des behaupteten Mietvertrages geltend machen könnte, weil für den anzunehmenden Fall ihres Obsiegens und des Bestehens sowie der Durchsetzbarkeit eines Verschaffungsanspruches gegen die Beklagte sich aus dem Mietvertrag mehrfache Leistungsansprüche ergeben können, deren Rechtsgrund und Ausmaß derzeit noch gar nicht abzuschätzen sind.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die vom Berufungsgericht wegen des angenommenen Mangels eines rechtlichen Feststellungsinteresses der klagenden Partei vorgenommene Abweisung des Klagebegehrens als rechtsirrig, so daß mit der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache in die zweite Instanz vorzugehen ist; das Berufungsgericht wird über die weiteren von der klagenden Partei vorgetragenen Berufungsgründe zu entscheiden haben.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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