Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.668,18 (darin S 424,38 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 11.Juli 1977 bei der Erstbeklagten als Busfahrer beschäftigt. Bis 21.August 1985 wurde er auf verschiedenen Linien eingesetzt und ab diesem Zeitpunkt für die Strecke Wien-Bück (Ungarn) und zurück eingeteilt. Am 9.Jänner 1986 wurde er entlassen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger
S 93.891,83 brutto sA an Kündigungsentschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen, restlicher Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Seine Entlassung sei ungerechtfertigt und verspätet erfolgt. Er habe entgegen den Behauptungen der Beklagten weder geschmuggelt noch einen Arbeitskollegen des Schmuggels bezichtigt.
Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Die Entlassung des Klägers sei berechtigt gewesen. Der Kläger habe, obwohl er selbst Zollvergehen begangen habe, seinen Arbeitskollegen Heinrich H*** bei den ungarischen Zollbehörden denunziert und dadurch das Betriebsklima sehr beeinträchtigt. Überdies seien auf Grund der Äußerungen des Klägers gegenüber den Zollbeamten die Busse der Erstbeklagten noch im Landesinneren von Ungarn ständig kontrolliert, eine Reiseleiterin und ein Buslenker verhaftet und ein Bus in Budapest beschlagnahmt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Die Buslinie Wien-Bück und zurück war bei den Buslenkern der Erstbeklagten sehr begehrt, weil sie regelmäßig befahren wurde und sich wegen des langen Aufenthaltes in Bück vor der Rückfahrt nach Wien die Gelegenheit bot, dort private Angelegenheiten zu erledigen. Der Kläger wurde deshalb ab 21.August 1985 auf dieser Linie eingesetzt, weil der bisherige Busfahrer Heinrich H*** wegen Schmuggels von und nach Ungarn von dieser Linie abgezogen worden war. H*** intervenierte jedoch so lange beim Geschäftsführer der Beklagten, bis er die Zusage erhielt, wieder die Linie nach Bück befahren zu dürfen. Der Kläger erfuhr davon durch den Portier des Unternehmens, der ihn am 9.Dezember 1985 auch davon in Kenntnis setzte, daß er in Hinkunft wieder mit Linienbussen in Wien fahren müsse.
Der Kläger, der selbst gelegentlich Kassetten nach Ungarn schmuggelte, forderte den ungarischen Zolloffizier Lipot G*** an der Grenze auf, die ungarischen Behörden sollten etwas gegen Heinrich H*** unternehmen, weil dieser schmuggle. Der Kläger kündigte dabei an, daß er sich selbst an höhere Behörden in Budapest wenden werde, falls die ungarische Zollbehörde nicht gegen H*** vorgehe.
Heinrich H*** befuhr ab 9.Dezember 1985 als Urlaubsvertreter des Klägers und in der Folge wieder ständig die Linie nach Bück, während der Kläger ab 29.Dezember 1985 mit Bussen in Wien zu fahren hatte. Am 5.Jänner 1986 traf H***, der schon von der Denunziation durch den Kläger gehört hatte, an der ungarischen Grenze zufällig mit zwei weiteren Buslenkern der Erstbeklagten zusammen. Über Aufforderung H*** fragten diese den Zolloffizier G***, was ihm der Kläger über H*** gesagt habe. G*** wiederholte die Äußerungen des Klägers, ersuchte aber um vertrauliche Behandlung des Gesprächs. Kurz darauf erhielten zwei weitere Busfahrer der Erstbeklagten von G*** die gleiche Auskunft.
Am 7.Jänner 1986 wurde H*** von den ungarischen Behörden der Paß abgenommen und gegen ihn in Szombathely ein gerichtliches Zollstrafverfahren eingeleitet. Er erhielt aber die Erlaubnis, bei seinen Schwiegereltern in Ungarn zu wohnen und konnte einige Zeit später nach Österreich flüchten. Sein von den Beklagten vorerst gekündigtes Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich beendet. Als die Äußerungen des Klägers über H*** bei den Beklagten bekannt wurden, kam es am 9.Jänner 1986 zu einer Befragung des Klägers durch den Prokuristen C***. Der Kläger erklärte, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er etwas gegen H*** unternommen habe. Die Busfahrer H*** und T*** berichteten jedoch von den Äußerungen des Zolloffiziers G*** und sicherten zu, dies auch vor Gericht zu bezeugen. Hierauf wurde der Kläger entlassen.
Am 19.Juli 1986 wurde ein weiterer Busfahrer der Erstbeklagten in Budapest wegen Schmuggels verhaftet und der Bus beschlagnahmt. Ob dieser Vorfall mit dem Verhalten des Klägers zusammenhing, ist nicht erweislich.
Das Erstgericht hielt die Entlassung des Klägers für gerechtfertigt. Das Schmuggeln auf Dienstfahrten sei als strafbare Handlung im Sinne des § 82 lit d GewO 1859 anzusehen und die Denunziation des Arbeitskollegen H*** durch den Kläger komme dem Tatbestand des Verrats von Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 82 lit e GewO 1859 gleich.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Gewerbeordnung 1859 von einem "überholten Modell eines Hilfsarbeiters" ausgehe, so daß zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu den Entlassungsgründen des Angestelltengesetzes eine erweiternde Interpretation der Entlassungsgründe des § 82 GewO 1859 vorzunehmen sei. So sei insbesondere der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit von der engen Verknüpfung mit einer strafbaren Handlung zu lösen. Der Kläger habe sich in sinngemäßer Anwendung des § 27 Z 1 AngG des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig gemacht. Auch im Falle eines zu Recht erhobenen Vorwurfes des Schmuggels gegenüber Heinrich H*** hätte der Kläger diesen schon wegen der beträchtlichen Nachteile für die Beklagten nicht bei den ungarischen Zollbehörden denunzieren dürfen, um dadurch für sich persönliche Vorteile zu erwirken, nämlich den Einsatz auf der angenehmeren Buslinie. Die Entlassung sei auch rechtzeitig erfolgt, da der Unternehmensleitung der Beklagten zugebilligt werden müsse, sich über den vorerst undurchsichtigen und zweifelhaften Sachverhalt Aufklärung zu verschaffen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge hält der Kläger an seiner Auffassung fest, seine Entlassung sei ungerechtfertigt, da er zu einer Anzeige bei den ungarischen Zollbehörden berechtigt gewesen sei, er kein "Geschäftsgeheimnis" verraten habe und sein Verhalten sohin keinen Entlassungstatbestand des § 82 GewO 1859 erfülle. Auch hätten die Beklagten eine Entlassung nicht unverzüglich ausgesprochen. Dieser Auffassung kann, wie die Vorinstanzen im Ergebnis richtig erkannt haben, nicht zugestimmt werden. Eine Vertrauensunwürdigkeit begründende Handlung des Klägers liegt zwar vor, doch kann diese zufolge der taxativen Aufzählung der Entlassungsgründe in der Gewerbeordnung (Kuderna, Das Entlassungsrecht 31 ff; SchwarzLöschnigg, Arbeitsrecht 349; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 304; Arb. 9.517, 10.267 ua; aM Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 197) nicht in sinngemäßer Anwendung des Angestelltengesetzes dem § 27 Z 1 AngG unterstellt werden. Der Kläger war unbestritten als Arbeiter im Unternehmen der Beklagten beschäftigt, so daß sein Verhalten nach § 82 GewO 1859 zu beurteilen ist. § 82 GewO 1859 enthält keinen dem § 27 Z 1 AngG vergleichbaren allgemeinen Entlassungstatbestand der "Untreue im Dienst" (Arb. 10.324). Der dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG entsprechende Tatbestand des § 82 lit d GewO verlangt das Vorliegen einer die Vertrauensunwürdigkeit begründenden strafbaren Handlung. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber eine Handlung, die nicht strafbar ist, auch dann nicht für eine gerechtfertigte Entlassung ausreichend erachten wollte, wenn sie Vertrauensunwürdigkeit hervorruft (Kuderna aaO 61). Es liegt daher auch keine planwidrige Lücke vor, welche durch Analogie geschlossen werden könnte (14 Ob A 38/87, 9 Ob A 169/87 ua). Eine Unterstellung des festgestellten Verhaltens des Klägers unter den § 82 lit d GewO 1858 ist somit nicht möglich. Da das Schmuggeln von Waren nach Ungarn unbestritten nicht zum Unternehmensgegenstand der Beklagten gehört, scheidet auch der Entlassungsgrund des § 82 lit e GewO 1859, erster Tatbestand aus. Inwieweit sich der Kläger durch die Mitnahme von Kassetten nach Ungarn selbst strafbar machte, steht nicht fest.
Zu prüfen bleibt, ob die Aufforderung des Klägers, gegen Heinrich H*** wegen Schmuggels vorzugehen, die Voraussetzungen eines anderen Tatbestandes erfüllt. Von den übrigen Entlassungstatbeständen des § 82 GewO 1859 kommt hier nur der zweite Tatbestand des § 82 lit f GewO 1859 in Betracht.
Auch im Arbeitsvertragsrecht spielen die Pflichten zur Wahrung der Interessen der jeweils anderen Seite eine beträchtliche Rolle. So trifft den Arbeitnehmer nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch eine Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht), die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt. Er hat den Arbeitgeber im Rahmen der Beistands- und Anzeigepflicht vor drohenden Schäden zu warnen und zu deren Beseitigung beizutragen (vgl. Schwarz-Löschnigg aaO 188 ff; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO 145 ff; Mayer-Maly/ Marhold aaO 106 ff, 112). Unabhängig davon, ob der Kläger berechtigt war, einen Arbeitskollegen bei den ungarischen Zollbehörden wegen Schmuggels anzuzeigen, um dann selbst dessen Buslinie befahren zu können, war er sohin jedenfalls nicht befugt, den Beklagten durch seine Vorgangsweise Schaden zuzufügen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, konnte eine derartige Anzeige gegen einen Buslenker der Erstbeklagten beträchtliche nachteilige Folgen für den Betrieb naac sich ziehen. Wie es sich in der Folge zeigte, konnten diese Schäden von der Beschlagnahme des Busses, über genaueste Grenzkontrollen bis zur Beeinträchtigung des Ansehens des Unternehmens der Beklagten reichen. Eine Auswirkung auf das Fahrgästeaufkommen ist naheliegend. Richtig ist, daß der Entlassungsgrund des zweiten Tatbestandes des § 82 lit f GewO 1859 eine beharrliche Vernachlässigung der arbeitsvertraglichen Pflichten voraussetzt. Darunter ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Pflichtenverletzung zum Ausdruck kommenden, auf die Verletzung der Pflicht gerichteten Willens zu verstehen (Kuderna aaO 72). Die Pflichtenverletzung muß sich daher entweder wiederholt ereignet haben oder von so schwerwiegender Art sein, daß mit Grund auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Arbeitnehmers geschlossen werden kann (14 Ob A 38/87, 9 Ob A 169/87 ua). Letzteres ist hier der Fall. Wenn ein Arbeitnehmer, um seine berufliihe Stellung zu verbessern, einen Arbeitskollegen bei einer ausländischen Grenzbehörde wegen Schmuggels anzeigt und damit eine beträchtliche Schädigung seines Arbeitgebers in Kauf nimmt, ist die schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten so offensichtlich und für jeden Arbeitnehmer erkennbar, daß es einer der Entlassung vorausgehenden Ermahnung, die mangels Kenntnis der Beklagten vom Vorgehen des Klägers gar nicht möglich gewesen wäre, nicht bedurfte. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Entlassung ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung zutreffend. Es reicht daher aus, diesbezüglich auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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