OGH 7Ob729/88

OGH7Ob729/8819.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse S***, Pensionistin, Enns, Neugablonz 26 a, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wider die beklagte Partei Hermann S***, Bauunternehmer, Enns, Dr. Karl Rennerstraße 35, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen 242.878 S und Feststellung (Streitwert 62.000 S), infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. September 1988, GZ 13 R 34/88-19, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Teilurteil des Kreisgerichtes Steyr vom 11. Jänner 1988, GZ 4 Cg 264/86-11, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision des Beklagten wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der Klägerin Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es unter Einbeziehung des bestätigenden Teiles zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin zu zwei Drittel für alle künftigen Folgen und Schäden aus dem Unfall vom 22.10.1984 auf dem Hauptplatz in Enns vor dem Kaufhaus M*** haftet". Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war von der O***

F*** m.b.H. mit der Errichtung der Erdgasleitung für die Ortsversorgung von Enns beauftragt. Die dazu nötigen Aushubarbeiten am Hauptplatz in Enns waren mit Bescheid und Verordnung der Stadtgemeinde Enns vom 4.Oktober 1984 für die Zeit vom 8.Oktober bis 10.Dezember 1984 bewilligt worden, wobei entsprechende Sicherungsmaßnahmen aufgetragen wurden. Hiebei wurde dem Beklagten gemäß § 90 Abs. 3 StVO vorgeschrieben, die benötigten Straßenflächen mit rot-weiß-gestreiften Schranken oder mit gleichwertigen Hilfsmitteln auch parallel zum Fahrbahnrand verkehrssicher abzusichern. Ferner wurde ihm gemäß § 43 StVO aufgetragen, für den Fußgängerverkehr, der von der jeweils abgesperrten auf die gegenüberliegende Seite zu verweisen ist, das Gebotszeichen "Vorgeschriebene Fahrtrichtung" (§ 52 Z 15 StVO) mit der Zusatztafel "Fußgänger", "Radfahrer" ... aufzustellen. Am 22.Oktober 1984 begannen die Arbeiter der Beklagten ungefähr um 7 Uhr 20 mit dem Aushub einer Künette im dortigen Parkplatzbereich auf dem westlichen Teil des Hauptplatzes. Um ca. 9 Uhr 50 stürzte die Klägerin, als Fußgängerin, in die ausgehobene Künette und verletzte sich.

Die Künette war parallel zur Hausfront des Kaufhauses M*** in einem Abstand von ungefähr 5 m zum dort befindlichen Gehsteig geradlinig von der Bräuergasse zur Linzergasse hin in einer Breite von ungefähr 60 cm bis zu einer Tiefe von ungefähr 115 bis 120 cm ausgebaggert worden. Der dazu verwendete Löffelbagger zeigte mit der Baggerschaufel in Richtung Bräuergasse und war daher der späteren Unfallstelle zugewendet. Das ausgehobene Erdmaterial wurde sofort auf einen LKW verladen, der an die der Stadtplatzmitte zugewendeten Seite der Künette parallel zum Bagger herangefahren wurde. Für den Beklagten leitete Hermann E*** als Polier die Arbeiten. Dieser hatte Heinrich S*** mit der Absicherung der Baustelle betraut. Mit diesem abwechselnd leistete er für den Baggerführer Einweisungs- und Beobachtungsdienste.

Die am 5.März 1920 geborene, ortskundige und sehbehinderte Klägerin näherte sich gegen 9 Uhr 50, aus der Apotheke am Hauptplatz kommend, auf der dessen Mitte zugewendeten Seite der Künette unter Benützung der Parkplatzfläche dem Baustellenbereich und zwar von der Seite, wo der Bagger stand. Auch schon vor der Baustelle der Beklagten führte damals eine andere Baufirma Grabungsarbeiten durch, weshalb dort beim Gehsteigbereich Absperrungen vorhanden waren. Es standen auch Bauarbeiter mit Schaufeln herum. Außerdem waren Baumaschinen abgestellt. Die Klägerin wollte dieser Baustelle in einem großen Bogen ausweichen. Als sie etwa auf Höhe des Tores beim Kaufhaus M*** war, wechselte sie - durch den oder die vor ihr parkenden PKWs irritiert - ihre Gehrichtung und ging schnurstracks auf das Kaufhaus M*** zu, weil sie in diesem Gehbereich keine Behinderungen wahrnahm. Von dieser Position aus war das Fußgängerverweisungsschild, das die Arbeiter der Beklagten ungefähr auf Höhe des Beginnes der Künette bei der Bräuergasse aufgestellt hatten, mehrere Meter entfernt und von der Klägerin nicht passiert worden. Auf der Höhe des Tores des Kaufhauses M*** stürzte die Klägerin in die ausgehobene, nicht abgesicherte Künette und brach sich beide Beine. Erst durch ihre Rufe wurde Hermann E*** auf den Unfall aufmerksam, weil er vorher damit beschäftigt war, den Baggerführer einzuweisen. Auf die Vorgänge hinter sich hatte er nicht geachtet. Heinrich S*** war zur Unfallszeit nicht anwesend, sondern gerade dabei, vom gegenüberliegenden Teil des Hauptplatzes, ungefähr 80 m von der Unfallstelle entfernt, Schalbretter herbeizuholen, um damit einen Steg für die Fußgänger über den Graben zu schaffen. Die Künette war in dem Bereich zwischen Bräuergasse und Bagger bzw. LKW von der Bräuergasse beginnend ungefähr die ersten 5 bis 8 m seitwärts durch rot-weiße Plastikbänder abgesichert. Die Hausfront des Kaufhauses M*** hat eine Länge von 15,6 m, die Front des anschließenden Gasthauses B*** eine Länge von 7,7 m und die anschließende Front der S*** E*** eine Länge von 24,5 m. Der Eingang in das Geschäft M*** befindet sich in der Mitte der Hausfront und wiederum etwa im Mittel zwischen diesem Geschäftseingang und dem Ende des Hauses M***. Gleichfalls am Beginn des Gasthauses B*** ist jenes Eingangstor, auf dessen Höhe die Klägerin in die Künette stürzte (im übrigen kann auf die detaillierten Feststellungen des Erstgerichtes auf den Seiten 67 bis 75 des Aktes verwiesen werden).

Unter Annahme eines Drittel Mitverschuldens begehrt die Klägerin vom Beklagten den Ersatz von 242.878 S s.A. sowie die Feststellung, daß ihr der Beklagte für zwei Drittel der künftigen Schäden hafte. Das Erstgericht hat mit Teilurteil festgestellt, daß der Beklagte der Klägerin zu einem Drittel für alle künftigen Folgen und Schäden aus dem Vorfall hafte. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung für ein weiteres Drittel hat es abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstgerichtliche Teilurteil dahin abgeändert, daß es die Haftung des Beklagten für die Hälfte sämtlicher künftigen Unfallsfolgen bejahte. Es hat hiebei ausgesprochen, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 15.000 S und der Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstandes 60.000 S, insgesamt der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

In rechtlicher Hinsicht gingen beide Vorinstanzen von einer Haftung des Beklagten gemäß § 1315 ABGB aus. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei die Untüchtigkeit nach dieser Gesetzesstelle ein relativer Begriff. Sie müsse immer für eine bestimmte Tätigkeit gegeben sein. In der Regel müsse es sich um einen habituellen Hang zur Mißachtung der Obliegenheiten handeln, doch könne sich aus einem einmaligen Versehen, das auf einer grob fahrlässigen Berufspflichtverletzung oder auf einem auffallenden Mangel an Gewissenhaftigkeit beruhe, die Untüchtigkeit erschließen lassen. Richtig sei, daß die Untüchtigkeit des sogenannten Besorgungsgehilfen vom Geschädigten zu beweisen sei sowie, daß ein einmaliges Versagen des Besorgungsgehilfen auch bei grober Fahrlässigkeit noch nicht regelmäßig einen Schluß auf das Vorliegen des habituellen Zustandes der Untüchtigkeit rechtfertige. Es sei aber keineswegs ausgeschlossen, den Besorgungsgehilfen bereits aufgrund eines einmaligen Versagens als untüchtig zu qualifizieren, und zwar dann, wenn sich aus der Art des Versagens schlüssig ergebe, daß es ihm an den für seine Tätigkeit notwendigen Kenntnissen überhaupt fehle oder daß ein auffallender Mangel an Gewissenhaftigkeit vorliege, der Gehilfe also nicht geeignet sei, entsprechend fundamentalen Erkenntnissen seines Tätigkeitsbereiches zu arbeiten. Ein derartiger Fall liege hier vor, weil der verantwortliche Besorgungsgehilfe nicht imstande gewesen sei, eine so einfache Anordnung, wie sie die im erwähnten Bescheid der Gemeinde vorgeschriebene Anbringung einer rot-weißen Abschrankung darstelle, zu befolgen bzw. für deren Befolgung zu sorgen. Er hätte sich im klaren sein müssen, daß gerade die rot-weiße Abschrankung jenes Mittel wäre, einen sich der Baustelle nähernden Verkehrsteilnehmer auf die besondere Art der von der Künette ausgehenden Gefahr aufmerksam zu machen. Daß solche Pflichtwidrigkeiten generell die Eignung hätten, derartige Schäden herbeizuführen, liege auf der Hand, weshalb auch die Adäquanz des Verhaltens im Verhältnis zum eingetretenen Erfolg zu bejahen sei. Hiezu komme noch als besonderes Gefahrenmoment, daß das Fehlen einer Absicherung während eines relativ langen Zeitraumes bestanden habe, wobei die Arbeiten in einem Bereich ausgeführt worden seien, in dem man mit der Wahrscheinlichkeit ständigen Fußgängerverkehrs rechnen hätte müssen. Der Beklagte hafte für die Untüchtigkeit seiner Besorgungsgehilfen, ohne daß es auf die Kenntnis der Untüchtigkeit ankäme.

Das Mitverschulden der Klägerin an dem Unfall erblickten beide Vorinstanzen darin, daß die Klägerin nicht genügend Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit des von ihr benützten Weges gerichtet habe. Während jedoch das Erstgericht dieses Mitverschulden mit zwei Drittel annahm, erachtete das Berufungsgericht das beiderseitige Verschulden als gleich groß.

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt, wohl aber die von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung eingebrachte Berufung.

Rechtliche Beurteilung

A) Zu der Berufung des Beklagten:

Die Grundsätze für die Annahme einer Haftung nach § 1315 ABGB hat das Berufungsgericht eingehend und unter Berücksichtigung der Literatur und Judikatur dargelegt. Gegen diese Ausführung nimmt die Revision des Beklagten auch nicht Stellung, weshalb auf sie verwiesen werden kann. Zutreffend und vom Beklagten nicht bekämpft, führt das Berufungsgericht im übrigen aus, daß auch die in einem Bescheid einer Verwaltungsbehörde enthaltenen Sicherungsvorschreibungen durch die eine Gefährdung von Personen vermieden werden soll, als Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB zu werten seien. Der Schutzzweck der Norm ergebe sich aus ihrem Inhalt. Demnach habe die Mißachtung der im Verwaltungsbescheid enthaltenen Sicherungsvorschriften objektiv die Verletzung einer Schutznorm dargestellt. Besteht in einem solchen Falle die Schadensursache in einer Unterlassung, dann hat der Bauführer nicht nur zu behaupten und zu beweisen, daß er eine tüchtige Person mit der Verrichtung betraut, sondern daß er diese auch gehörig überwacht hat (ZVR 1978/240, JBl. 1969, 498 ua). Demnach wäre es also Sache des Beklagten gewesen, den Beweis dafür zu erbringen, daß er mit der Ausführung sämtlicher Arbeiten nur tüchtige Personen betraut hat. Es war also von der Klägerin nicht zu verlangen, die Untüchtigkeit ganz bestimmter, vom Beklagten beschäftigter Personen zu beweisen. Geht man von dem festgestellten Sachverhalt aus, so ist dem Beklagten der Beweis für die Tüchtigkeit sämtlicher von ihm eingesetzter Leute nicht gelungen. Der bloße Hinweis darauf, daß der von ihm beschäftigte Polier bereits seit mehreren Jahren für ihn tätig war, ohne daß es bisher zu Beanstandungen gekommen wäre, kann nicht als ausreichender Beweis für die Tüchtigkeit dieses Poliers oder der anderen eingesetzten Personen angesehen werden. Es wäre nämlich ohne weiters denkbar, daß entweder allfällige Fehlleistungen bisher erfolglos geblieben sind oder daß sich die Grundeinstellung einer Person zu ihrem Beruf nachteilig derart geändert hat, daß sie, im Gegensatz zu früher, nunmehr als habituell untüchtig angesehen werden muß.

Im vorliegenden Fall sprechen - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - die Umstände des Unfalles für eine habituelle Untüchtigkeit der eingesetzten Leute. Nach den getroffenen Feststellungen (von einer Aktenwidrigkeit kann keine Rede sein, weil auch das Erstgericht von einer mehrere Meter langen ungesicherten Stelle ausgegangen ist) war eine potentiell durch Fußgänger häufig frequentierte Stelle durch unverhältnismäßig lange Zeit überhaupt nicht abgesichert, wobei aufgestellte Fahrzeuge eine Sicht auf die spätere Unfallstelle wesentlich erschwerten. Dazu kam, daß mit stärkerem Verkehr gerechnet werden mußte, so daß mit einer weiteren Ablenkung der Fußgänger zu rechnen war. Obwohl eine Absicherung fehlte, hat niemand die ungesicherte Stelle ständig derart im Auge behalten, daß er sich nähernde Personen rechtzeitig warnen hätte können. Zum Unfallszeitpunkt war die Überwachung derart mangelhaft, daß Angestellte des Beklagten erst nachträglich durch die Rufe der Klägerin auf deren Sturz aufmerksam geworden sind. Schließlich lag auch kein Zweifelsfall der Art vor, daß man von den mit der Absicherung betrauten Personen eine vielleicht komplizierte Ermessensentscheidung verlangen hätte müssen. Vielmehr war die Art der Absicherung auf eine für jeden im Baubetrieb Beschäftigten von der Behörde derart eindeutige und klare Weise vorgeschrieben worden, daß von den ausführenden Personen nur mehr leicht vollziehbare Ausführungstätigkeiten verlangt wurden. Insbesondere mußte aber die Tatsache der behördlichen Vorschreibung jedermann, der auf einer Baustelle tätig ist, klar machen, daß eine Absicherung notwendig und auf welche Weise diese vorzunehmen sei. Sämtliche dieser Umstände zeigen aber, daß der Unfall nur auf eine auffallende Nachlässigkeit der vom Beklagten eingesetzten Personen zurückzuführen war. Zu einer milderen Beurteilung des Verhaltens seiner Angestellten gelangte der Beklagte im übrigen weitgehend dadurch, daß er den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt zu seinen Gunsten zu verändern versucht. Damit entfernt er sich aber von jenem Sachverhalt, an den der Oberste Gerichtshof gebunden ist. Was die Ausführungen der Revision des Beklagten zu der vorgenommenen Verschuldensaufteilung anlangt, wird dazu im Zusammenhang mit der Behandlung der Revision der Klägerin Stellung genommen werden.

B) Zu der Revision der Klägerin:

Von jedem Fußgänger muß allerdings verlangt werden, daß er auch "vor die eigene Füße schaut". Das Stürzen in eine offene Baugrube wird daher meist auch auf ein Mitverschulden des Fußgängers zurückzuführen sein. Dies hat aber die Klägerin durch Beschränkung ihres Begehrens auf zwei Drittel ihrer Schäden ohnedies berücksichtigt.

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen gelangt der Oberste Gerichtshof jedoch zu der Auffassung, daß das Verschulden des Beklagten an dem Unfall das Mitverschulden der Klägerin überwiegt. Ein bloßer Hinweis auf Vorentscheidungen ist in derartigen Fällen deshalb stets problematisch, weil bei der Verschuldensaufteilung immer auf den konkreten Einzelfall Bedacht genommen werden muß. Dies hat das Berufungsgericht auch erkannt, weshalb es die in der Entscheidung ZVR 1978/240 vorgenommene Aufteilung von 4 : 1 zu Lasten des eine Baugrube aushebenden Bauunternehmens für den vorliegenden Fall abgelehnt hat. Die erwähnte Entscheidung ist für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht ergiebig, weil der Oberste Gerichtshof dort zu der Verschuldensaufteilung überhaupt nicht Stellung genommen hat. Im übrigen ist es zwar richtig, daß dort die Baustelle für den geschädigten Autofahrer vielleicht noch schwerer zu erkennen war, als die vorliegende Unfallstelle, doch war andererseits der Unfall auch auf ein grobes Fehlverhalten des Autofahrers zurückzuführen. In der Entscheidung ZVR 1987/82 war ein Fußgänger über einen auf dem Gehsteig liegenden Heizölschlauch eines Tankfahrzeuges gestürzt, weil er in einem Gespräch mit einer anderen Person vertieft war und deshalb die Beschaffenheit des Gehsteiges nicht beachtet hatte. Dazu kam, daß hier einer Haftung des Fußgängers wegen Mitverschuldens lediglich eine Erfolgshaftung nach dem EKHG gegenüberstand. In der Entscheidung 6 Ob 652, 653/82 war der Geschädigte auf einem nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Privatgrund gestürzt, wobei davon ausgegangen wurde, daß er hier mit ihm unbekannten Hindernissen auf diesem Privatgrund rechnen mußte. Schließlich war in der Entscheidung 5 Ob 626, 627/82 der Unfall vom Geschädigten dadurch mitverschuldet worden, daß dieser alkoholisiert und in Kenntnis gefährlicher Verhältnisse den Weg ohne Beiziehung eines Begleiters unvorsichtig begangen und sohin den Unfall mit auffallender Sorglosigkeit mitverschuldet hatte. Sämtliche dieser Fälle sind mit dem vorliegenden nicht ohne weiters vergleichbar. Im vorliegenden Fall hatten die Angestellten des Beklagten unter grober Mißachtung einer behördlichen Sicherheitsvorschrift eine an sich gefährliche Baustelle in einem frequentierten Bereich gänzlich unabgesichert gelassen, obwohl schon die Beschaffenheit der ausgehobenen Künette als große Gefahrenquelle klar ersichtlich sein mußte. Dazu kam, daß eine Sicht auf diese Stelle durch von den Angestellten der Beklagten abgestellte Fahrzeuge wesentlich erschwert worden war. Sicherlich hätte man auch von der Klägerin in dieser Situation größere Aufmerksamkeit verlangen können, doch darf nicht übersehen werden, daß die Gefahrenquelle schließlich durch den Beklagten geschaffen worden war und daß das Fehlverhalten seiner Leute diese Gefahrenquelle nicht nur nicht absicherte, sondern sie noch über das zu erwartende Ausmaß hinaus verschärfte. Diese Umstände wiegen bei der Verschuldensaufteilung wesentlich schwerer als das Versäumnis der Klägerin.

Aus den angeführten Gründen war daher dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattzugeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 392 Abs. 2 und 52 Abs. 2 ZPO. Eine endgültige Kostenentscheidung wird erst möglich sein, wenn das Gesamtausmaß des beiderseitigen Prozeßerfolges bekannt ist.

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