OGH 7Ob725/88

OGH7Ob725/8819.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter F***, Kaufmann, Volders,

Kirchnerstraße 6, vertreten durch Dr. Martin Schatz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei K*** KG Dr. H***, Innsbruck, Andechsstraße 48, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 831.997,07 s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. September 1988, GZ 2 R 157/88-55, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Februar 1988, GZ 9 Cg 38/87-49, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der am 29. März 1983 eingelangten Klage begehrt der Kläger die Zahlung restlicher Provisionen von S 831.997,07 samt Anhang. Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Zufolge Stornierungen, Uneinbringlichkeit des Kaufpreises und ähnlichem seien Rückbelastungen vorgenommen worden, die die Höhe des behaupteten Provisionsanspruches überstiegen.

In der Tagsatzung vom 18. Februar 1985 wurde der beklagten Partei aufgetragen, ihr Vorbringen in einem näher bezeichneten Punkt binnen 14 Tagen aufzuschlüsseln sowie allfällige Urkunden vorzulegen, und zwar - über Antrag des Klägers - unter den Folgen des § 279 ZPO. Dem Kläger wurde aufgetragen, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Schriftsatzes der beklagten Partei zu den Rückbelastungen Stellung zu nehmen. In derselben Tagsatzung beschloß das Erstgericht, einen Sachverständigen zu bestellen, und trug der beklagten Partei auf, binnen 14 Tagen zur Deckung der Kosten einen Vorschuß von S 50.000,-- zu erlegen, andernfalls das Verfahren über Antrag der klagenden Partei unter Abstandnahme von diesem Beweismittel fortgesetzt werde.

Über Rekurs der beklagten Partei setzte die zweite Instanz die Höhe des Kostenvorschusses auf S 30.000,-- herab. Säumnisfolgen für den Fall des Nichterlages werden im Beschluß des Rekursgerichtes nicht angedroht. Dieser Beschluß wurde den Parteienvertretern gemeinsam mit einem Beschluß des Erstgerichtes vom 22. Oktober 1985, mit dem Dr. Rudolf M*** zum Sachverständigen bestellt wurde und die Parteien aufgefordert wurden, allfällige Einwendungen gegen die Bestellung binnen 14 Tagen zu erheben, am 28. Oktober 1985 zugestellt.

Die beklagte Partei hat weder den ihr aufgetragenen Schriftsatz überreicht, noch auch den Kostenvorschuß erlegt. Einwendungen gegen die Person des Sachverständigen wurden nicht erhoben. Der Akt wurde dem Sachverständigen nicht übermittelt.

Über Ersuchen des Disziplinarrates der Tiroler Rechtsanwaltskammer befand sich der Akt vom 6. bis 12. Dezember 1985, vom 7. bis 14. April 1986 sowie vom 26. November 1986 bis 26. Jänner 1987 zur Einsicht bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer.

Mit Schriftsatz vom 21. Jänner 1987 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens durch Anberaumung einer Tagsatzung, da die beklagte Partei den ihr aufgetragenen Schriftsatz nicht überreicht und einen Kostenvorschuß nicht erlegt habe. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 1987 wendete die beklagte Partei Verjährung der Klageforderung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein.

Der Kläger hielt der Verjährungseinrede in der Tagsatzung vom 21. Mai 1987 entgegen, daß die Erstrichterin in einem Gespräch mit dem Klagevertreter am 22. Oktober 1985 die Meinung vertreten habe, die Frage nach der Berechtigung der von der beklagten Partei behaupteten Rückbelastungen könne nur durch Sachbefund gelöst werden. Im Frühjahr und auch noch im Frühherbst 1986 hätten Vergleichsgespräche zwischen den Streitteilen stattgefunden. Nach dem Scheitern dieser Gespräche sei dem Klagevertreter eine Einsichtnahme in den Akt nicht möglich gewesen, weil sich dieser bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer befunden habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf noch folgende Feststellungen:

Im April oder Mai 1985 trafen sich der Kläger und der Geschäftsführer der beklagten Partei in Innsbruck zu einer Besprechung über die streitgegenständliche Provisionsangelegenheit. Es beharrten jedoch beide Teile auf ihren jeweiligen Standpunkten, so daß das Gespräch nach kurzer Zeit beendet war. Anfang 1986 kam es erneut zu einem Treffen, und zwar diesmal in den Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Partei in München. Über Frage des Geschäftsführers der beklagten Partei nannte der Kläger einen Betrag von DM 50.000,--, den er sich als Ausgleich für die von ihm behaupteten Forderungen vorstelle. Dieser Betrag wurde vom Geschäftsführer der beklagten Partei als so wesentlich überhöht angesehen, daß er darauf nicht näher einging. Etwa im Mai 1986 kam es erneut zu einem Zusammentreffen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der beklagten Partei in München. Über wessen Anregung dieses Treffen sowie auch die übrigen Zusammenkünfte erfolgten, kann nicht festgestellt werden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei unterbreitete dem Kläger den Vorschlag der Mitarbeit an einer Neuauflage jenes Buches, aus dessen Erstellung, Vermarktung und Verkauf die Provisionsforderungen des Klägers entstanden waren. Die "alte Provisionsangelegenheit" sollte damit "miterledigt" werden. Der Kläger bestand jedoch darauf, zunächst die streitige Provision zu bereinigen. Damit war auch dieses Gespräch beendet. In die Tiefe gehende Verhandlungen wurden bei allen diesen Gelegenheiten nicht geführt.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Fälligkeit der Ansprüche des Klägers sei mit Ende des Jahres 1983 eingetreten. Der Kläger habe die Klage zwar rechtzeitig eingebracht, das Verfahren aber nicht gehörig fortgesetzt, weil er auf die Nichteinzahlung des Kostenvorschusses durch die beklagte Partei durch 14 Monate hindurch nicht reagiert habe. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es treffe zu, daß der Fortsetzungsantrag nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt worden sei. Der Kläger sei jedoch nicht gehalten gewesen, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Auf Grund der Erklärung der Erstrichterin über die ihrer Absicht nach grundsätzlich gebotene Aufnahme eines Sachbefundes und die ohne Erlag eines Kostenvorschusses erfolgte Sachverständigenbestellung habe der Kläger nicht damit rechnen müssen, daß das Erstgericht nur über seinen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens tätig werden werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens iS des § 1497 ABGB ist anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und solcherart zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen ist. Die Unterbrechungswirkung der Klageerhebung wird dann beseitigt. Bei der Prüfung, ob diese Wirkung anzunehmen ist, sind vor allem die Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen, wie es überhaupt bei Beurteilung der Frage, ob ein Zuwarten mit der Anspruchsverfolgung als ungebührliche Untätigkeit anzusehen ist, nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern auch auf deren Gründe ankommt. Zu prüfen ist auch, ob der Kläger überhaupt gehalten war, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Konnte oder mußte er eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten, kann aus seiner Untätigkeit nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßziels nichts gelegen. Der Kläger kann insbesondere erwarten, das Gericht werde ungeachtet eines Auftrages zum Erlag eines Kostenvorschusses den beschlossenen Sachverständigenbeweis von Amts wegen aufnehmen, es sei denn, das Gericht bringt unmißverständlich zum Ausdruck, daß es nicht so vorzugehen beabsichtige (EvBl 1973/17 mwN).

Nicht anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Hatte die Erstrichterin dem Vertreter des Klägers mitgeteilt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei zur Prüfung der Einwendungen der beklagten Partei ihrer Ansicht nach unbedingt erforderlich, durften der Kläger und sein Vertreter davon ausgehen, daß das Erstgericht dem Verfahren in jedem Fall und unabhängig vom Erlag eines Kostenvorschusses durch die beklagte Partei einen Sachverständigen beiziehen werde; dies umsomehr, als das Erstgericht einen Sachverständigen bereits anläßlich der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes, mit der die Höhe des zu erlegenden Vorschusses herabgesetzt worden war, bestellte und damit diese seine Ansicht noch unterstrich. Davon, daß das Erstgericht dessen ungeachtet die Abstreichung der Rechtssache im Register gemäß § 391 Abs 1 Z 7 lit d Geo veranlaßte, erhielt der Kläger nicht Kenntnis, weil er von dieser Verfügung nicht verständigt wurde (eine solche Verständigung ist auch nicht vorgesehen) und die Bemühungen seines Vertreters um Akteneinsicht erfolglos blieben, weil sich der Akt zu wiederholten Malen (zum Teil auch längere Zeit) bei der Rechtsanwaltskammer für Tirol befand, so daß er auch nicht erheben konnte, was die Ursache für die Verzögerung des Verfahrensfortganges war. Nach den Umständen liegt daher keineswegs eine Untätigkeit des Klägers vor, aus der geschlossen werden muß, dem Kläger sei an der Erreichung des Prozeßzieles nichts mehr gelegen. Der Kläger durfte vielmehr von der Überzeugung ausgehen, die Einholung des Sachverständigengutachtens verzögere sich aus ihm nicht bekannnten Gründen und der Verfahrensfortgang hänge nicht von Anträgen seiner Seite ab. Durfte aber der Kläger eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten, durch die das Verfahren vorangetrieben werde, kann ihm eine ungewöhnliche Untätigkeit und eine nicht gehörige Fortsetzung der Klage iS des § 1497 ABGB nicht vorgeworfen werden. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht der ersten Instanz die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

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