Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und der angefochtene Beschluß in dem Sinne abgeändert, daß der Aufteilungsantrag abgewiesen wird.
Text
Begründung
Der Mann hatte nach 20-jähriger Ehe Mitte Juli 1984 eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage, die Frau ihrerseits im Oktober 1985 eine ebenfalls auf § 49 EheG gegründete Widerklage erhoben. In Stattgebung beider Begehren hatte das Prozeßgericht erster Instanz die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten ausgesprochen. Beide Ehegatten hatten gegen dieses Urteil Berufung erhoben. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau stellten dabei den Rechtsmittelantrag, die "Ehe aus dem alleinigen, in eventu überwiegenden Verschulden" des anderen zu scheiden. Die Anfechtungserklärung des Ehemannes, das Urteil "im Schuldausspruch" anzufechten, war gegenüber dem Rechtsmittelantrag zu eng, die Anfechtungserklärung der Ehefrau, das Urteil "in seiner Gesamtheit" anzufechten, zu weit, denn der Sache nach strebte jeder der beiden Streitteile - indem er die Stattgebung seines eigenen Scheidungsbegehrens unangefochten ließ - die Abweisung des vom Prozeßgegner erhobenen Scheidungsbegehrens an. Das Berufungsgericht faßte in erklärter Stattgebung beider Berufungen einen Aufhebungsbeschluß, dem es keinen Rechtskraftvorbehalt beisetzte. Es sprach dazu in offensichtlicher Verkennung der wahren Prozeßlage wörtlich aus:
"Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Scheidung der Ehe der Streitteile als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen, das ist hinsichtlich des Verschuldensausspruches und der Kostenentscheidung, aufgehoben."
Die Frau brachte am 30. Mai 1988 einen Aufteilungsantrag ein. Zur Wahrung der Jahresfrist des § 95 EheG vertrat sie den Standpunkt, das erstinstanzliche Scheidungsurteil sei von ihrem Mann zwar nur im Scheidungsausspruch, von ihr aber zur Gänze angefochten worden, der Ausspruch des Berufungsgerichtes, daß das erstinstanzliche Urteil im Ausspruch über die Ehescheidung unangefochten geblieben wäre, beruhe auf einem offenbaren Irrtum. Die Frau folgerte daraus, daß die Ehe frühestens mit der Rechtskraft des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses vom 13. Oktober 1987 als geschieden angesehen werden könnte. Der Mann vertrat dagegen die Ansicht, daß der Aufteilungsanspruch infolge fruchtlosen Verstreichens der Jahresfrist des § 95 EheG vor der Antragstellung erloschen sei, weil er selbst mit seiner am 13. April 1987 beim Prozeßgericht eingelangten Berufung das erstinstanzliche Scheidungsurteil nur im Verschuldensausspruch bekämpft und die Frau zur Anfechtung des Scheidungsurteiles, soweit es ihrem eigenen Scheidungsbegehren stattgegeben habe, nicht berechtigt gewesen wäre (und in diese Richtung auch keine Anfechtung ausgeführt habe).
Nach dem Scheitern längerer Vergleichsgespräche verkündete der Richter im Aufteilungsverfahren den Beschluß, daß das Verfahren auf die Frage der Einhaltung der Jahresfrist des § 95 EheG eingeschränkt werde, und faßte hierauf den feststellenden Beschluß, daß der am 30. Mai 1988 bei Gericht eingelangte Aufteilungsantrag fristgemäß im Sinne des § 95 EheG erfolgt sei. Gleichzeitig beschloß das Erstgericht, mit dem Aufteilungsverfahren bis zur Rechtskraft des Ehescheidungsverfahrens innezuhalten.
Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Erstrichters über die Wahrung der Jahresfrist des § 95 EheG nicht und erachtete deshalb das Vorbringen der Frau über eine seit März 1987 bestandene Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Hemmung der Jahresfrist in Analogie zu § 1494 ABGB als aufklärungsbedürftig. Das Rekursgericht faßte daher einen Aufhebungsbeschluß. Dabei erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Die Frau ficht den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung über die fristwahrende Antragstellung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Der Mann strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Sowohl die Ehescheidungsklage des Mannes als auch die Widerklage der Frau waren auf Eheverfehlungen gegründet. Das Prozeßgericht erster Instanz erachtete beide Klagebegehren als berechtigt und sprach die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten aus. Beide Ehegatten fochten dieses erstinstanzliche Scheidungsurteil mit dem Rechtsmittelhauptantrag an, die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des anderen zu scheiden, das heißt mit anderen Worten, das Scheidungsbegehren des Prozeßgegners abzuweisen. Klagsgrund war jeweils ein Verschuldenstatbestand und das Gericht sprach auch die Scheidung der Ehe wegen Verschuldens (sowohl der Beklagten als auch des Widerklägers) aus. Nach der Regel des § 60 Abs 1 EheG war der Verschuldensausspruch zwingender Bestandteil des Scheidungsurteiles. Die (beiderseitige) Anfechtung des Urteiles mit dem Rechtsmittelantrag, den Ausspruch des eigenen Verschuldens zu beseitigen, bedeutete daher der Sache nach - selbst bei gegenteiliger Vorstellung der Rechtsmittelwerber - eine Anfechtung des gesamten Urteiles, weil dieses nach dem geltend gemachten und vom Gericht auch als gegeben angenommenen Scheidungsgrund ohne Verschuldensausspruch nicht bestehen bleiben durfte. Der in der Form eines Nebensatzes in den Spruch der Berufungsentscheidung aufgenommene Ausspruch darüber, daß das erstinstanzliche Urteil in seinem Ausspruch über die Scheidung der Ehe als unangefochten unberührt bleibe, beruhte auf einer Verkennung des nach den beiderseitigen Rechtsmittelanträgen zu bestimmenden Anfechtungsumfanges.
Einem Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz über eine (aktenwidrig) zu eng gesehene umfängliche Bestimmung des Anfechtungsgegenstandes kommt lediglich feststellende Bedeutung zu. Einerseits kann in dem Ausspruch eine von Amts wegen erklärte Bestätigung der Teilrechtskraft in Ansehung des (irrtümlich) als nicht angefochten angesehenen erstinstanzlichen Ausspruches erblickt werden (vgl die nach § 490 ZPO über Parteienantrag zu erteilende Vollstreckbarkeitsbestätigung). Eine derartige bloße Beurkundung wäre aber bei Feststellung ihrer Unrichtigkeit im anhängigen Verfahren selbst als nicht beigesetzt zu behandeln. Andererseits liegt in dem Ausspruch eine klarstellende Aussage über die Grenzen des Entscheidungswillens der Rechtsmittelinstanz. Er schließt zwar die Annahme einer bloß versehentlichen teilweisen Nichterledigung des Rechtsmittels aus, ändert aber an der Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens nichts, daß das Rechtsmittel zu Unrecht teilweise nicht erledigt wurde. Dieser Umstand mag bei Unterlassung einer möglichen Anfechtung dazu führen, daß der zweitinstanzliche Verfahrensmangel nicht mehr aufgegriffen werden kann und das erstinstanzliche Urteil damit rechtskräftig wird. Im Falle eines mangels Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes nicht anfechtbaren berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses scheidet diese Art der "Heilung" des Mangels zunächst aus.
Bei einer Abhängigkeit eines Urteilsausspruches von einem anderen oder einer notwendigen Einheit eines mehrgliedrigen Ausspruches - wie etwa im gegebenen Fall des § 60 Abs 1 EheG - wirkt die zweitinstanzliche Mangelhaftigkeit auf alle Fälle fort. Das bedeutet für das Scheidungsverfahren der Parteien, daß das Berufungsgericht, wenn es dies für zulässig und berechtigt erachten sollte, seine Berufungsentscheidung durch ein formelles Teilurteil über das Scheidungsbegehren aus dem Verschulden eines der beiden Ehegatten zu ergänzen oder seine Einschränkungen des Verfahrensergänzungsauftrages zu beseitigen hätte, oder aber daß das Prozeßgericht erster Instanz in Beurteilung der wahren prozeßrechtlichen und materiellrechtlichen Lage die Beschränkung des berufungsgerichtlichen Verfahrensergänzungsauftrages unbeachtet läßt und im zweiten Rechtsgang abermals über die Scheidung der Ehe selbst einen Ausspruch in sein Urteil aufnimmt. In beiden Fällen (berufungsgerichtliches Teilurteil oder neuerlicher Scheidungsausspruch durch das Erstgericht im zweiten Verfahrensgang) unterläge der Ausspruch über die Scheidung einer formellen Anfechtung.
Der in den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß aufgenommene Ausspruch darüber, daß das Urteil erster Instanz im Ausspruch über die Ehescheidung selbst mangels Anfechtung unberührt bleibe, bedurfte keiner selbständigen Anfechtung, um ihm für das weitere Verfahren eine bindende Wirkung zu nehmen.
Ein formell rechtskräftiger Ausspruch über die Scheidung der Ehe liegt nach dem zugrundezulegenden Stand im Scheidungsverfahren nicht vor. Damit ist aber der im außerstreitigen Verfahren erhobene Aufteilungsanspruch materiell noch nicht entstanden. Der vom Rekursgericht für erforderlich erachteten Erhebungen über eine Hemmung der Jahresfrist des § 95 EheG wegen teilweiser Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau bedarf es nicht, weil die Frist keinesfalls schon zu laufen begonnen haben kann.
Auch für den erstinstanzlichen Ausspruch über die Wahrung der Frist des § 95 EheG fehlt es aus den dargelegten Gründen an den materiellrechtlichen Voraussetzungen. Es bleibt lediglich hinzuzufügen, daß über einen verfahrensanhängigen Anspruch nur eine umfassende Sachentscheidung vorgesehen und die beschlußmäßige Feststellung über die Lösung einzelner für die Entscheidung wesentlicher Rechtsfragen unzulässig ist.
Dem Revisionsrekurs war daher stattzugeben und der Aufteilungsantrag mangels Eintrittes der Rechtskraft des Scheidungsausspruches und damit der Entstehung des materiellrechtlichen Aufteilungsanspruches abzuweisen.
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