OGH 10ObS237/88

OGH10ObS237/8820.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Günter Eberhard (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kurt B***,

Neulinggasse 18/11, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Jörg Baumgärtl,

Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Erich und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ruhens einer Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. April 1988, GZ 32 Rs 26/88-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 1. Juli 1987, GZ 19 Cgs 1562/87-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bezieht seit 1967 eine Alterspension von der beklagten Partei.

Mit Bescheid vom 31. März 1987 stellte die beklagte Partei für 1985 S 5.056,30, für 1986 S 5.233,30 und für 1987 S 5.432,20 der Alterspension unter Zugrundelegung der vom Kläger aus seiner Tätigkeit als Direktor bei der Firma J*** Gesellschaft mbH erzielten Bruttoeinkünfte ruhend.

In seiner dagegen erhobenen Klage brachte der Kläger vor, mit Bescheid des Finanzamtes für den 3. Bezirk vom 2. Jänner 1986 seien ihm Werbungskosten in Höhe von 35 % seiner Bezüge zugestanden worden, welche die beklagte Partei bei Berechnung des ruhenden Betrages der Alterspension nicht von seinen Erwerbseinkünften abgezogen habe. Die beklagte Partei sei daher schuldig, dem Kläger die gebührende Alterspension "nach gesetzmäßiger Anwendung der Bestimmungen des § 94 ASVG auszubezahlen".

Das Erstgericht stellte fest, daß die Alterspension des Klägers mit den im angefochtenen Bescheid angeführten Beträgen ruht. Nach § 94 ASVG sei für die Feststellung des Ruhens einer Pension bei unselbständig Erwerbstätigen vom Bruttoerwerbseinkommen auszugehen. Ein Abzug der Beiträge zur Sozialversicherung der Lohnsteuer und dgl. mehr sei nicht vorzunehmen. Ausgehend von dieser Berechnungsart sei die Höhe der ruhend gestellten Beträge aber nicht bestritten.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge.

Zur Auslegung des Begriffes "aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gebührendes Entgelt" im Sinne des § 94 Abs. 3 lit. a ASVG könne der Entgeltbegriff des Steuerrechtes, welcher einen anderen Inhalt als jener des Sozialversicherungsrechtes habe, nicht herangezogen werden. Maßgeblich sei vielmehr § 49 Abs. 1 ASVG. Da Werbungskosten vom Entgeltbegriff nach dieser Gesetzesstelle nicht ausgenommen seien, könnten diese nicht als Abzugsposten berücksichtigt werden. Weil zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit zahlreiche erhebliche Unterschiede gegeben seien, liege auch keine unsachliche Differenzierung vor, die verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie der Kläger hege, hervorrufen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 94 Abs. 3 ASVG gilt als Erwerbseinkommen im Sinne des Abs. 1 bei einer gleichzeitig ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Erwerbstätigkeit gebührende Entgelt. Nach § 49 Abs. 1 sind unter Entgelt die Geld- und Sachleistungen zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst-(Lehr-)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund eines Dienst-(Lehr-)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Abs. 3 enthält den Katalog jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt zu gelten haben. Damit hat der Gesetzgeber eine Legaldefinition des Entgeltbegriffes nicht nur für das Beitragsrecht, sondern - abgesehen von Ausnahmebestimmungen - für alle Regelungen im Bereich des ASVG gegeben, die auf das Entgelt eines Arbeitnehmers Bezug nehmen. Die Vorschriften des Steuerrechtes (die in den §§ 2 und 25 EStG Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unterschiedlich dazu umschreiben) können nur insoweit herangezogen werden, als die Sozialversicherungsgesetze auf sie Bezug nehmen. So führen Fürböck-Teschner zu § 49 ASVG (S 344 f) aus den BR an, "daß versucht wurde, den Lohnabzug in der Sozialversicherung und für die Lohnsteuer zu vereinheitlichen. Der Grundsatz der Vereinheitlichung konnte von vornherein nicht restlos eingehalten werden, weil wegen der verschiedenartigen Zweckbestimmung der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnsteuer Ausnahmen von diesem Grundsatz unerläßlich waren. So konnten zB gewisse Freibeträge, die für Lohnsteuerzwecke zugelassen werden mußten, in der Sozialversicherung nicht berücksichtigt werden. Im § 11 des RBG wurde der Zusammenhang des sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriffes mit dem Begriff des lohnsteuerpflichtigen Entgeltes - abgesehen von geringfügigen Ausnahmen - vollends aufgelassen. Dem Wunsch, den Lohnabzug für Zwecke der Lohnsteuer und der Sozialversicherung nach Möglichkeit wieder zu vereinheitlichen, konnte in der Vorlage nur in bescheidenem Ausmaß Rechnung getragen werden. Es war nicht möglich, alle steuerfreien Einkünfte der Gehalts- und Lohnempfänger auch in der Sozialversicherung beitragsfrei zu stellen."

Daraus ergibt sich deutlich, daß eine Differenzierung schon auf Grund der wesentlich verschiedenen Zweckbestimmung der beiden Rechtsbereiche erforderlich und vom Gesetzgeber gewollt war. Gerade der Hinweis des Revisionswerbers auf § 292 ASVG (welcher wohl gemeint ist und nicht § 294) spricht gegen seine Ansicht, von der Steuerbehörde anerkannte erhöhte Werbungskosten seien auch bei Anwendung der Ruhensbestimmungen zu berücksichtigen. Hier wird ausdrücklich nicht auf Erwerbseinkommen, sondern auf das gesamte Nettoeinkommen abgestellt, das ein Pensionsberechtigter erzielt, und dieses in Abs. 3 für den Anspruch auf Ausgleichszulage besonders definiert. Hier ist der Verweis auf die Steuergesetze (Summe sämtlicher Einkünfte in Geld- oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlichen Abzüge) enthalten. Es darf nicht übersehen werden, daß die Ruhensbestimmungen nur bei gleichzeitig ausgeübter Erwerbstätigkeit zur Anwendung kommen, nicht auch, wenn ein Pensionswerber neben seiner Pension andere Einkünfte, etwa aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung selbst in beträchtlicher Höhe bezieht, die bei Berechnung der Ausgleichszulage aber sehr wohl berücksichtigt werden müssen.

Schließlich wiederholt der Kläger die bereits in der Berufung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 94 Abs. 3 ASVG, weil nach seiner Ansicht unselbständig Erwerbstätige gegenüber Selbständigen benachteiligt seien, deren zu berücksichtigende Einkünfte seien bereits um die gesamten Werbungskosten vermindert.

Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg. 5727 ua). Differenzierungen sind dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg. 8806 uva). Nur unterschiedliche Regelungen, die nicht in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen eine Grundlage haben, sind gleichheitswidrig (VfSlg. 8600 ua), wobei unter der Sachlichkeit einer Regelung nicht eine "Zweckmäßigkeit" oder "Gerechtigkeit" zu verstehen ist (VFSlg. 4711). Dem einfachen Gesetzgeber kommt auch eine, freilich nicht unbegrenzte, rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zu, die außer bei einem Exzess nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen ist. Innerhalb dieser Grenzen ist die Rechtskontrolle nicht zur Beurteilung der Rechtspolitik berufen (VFSlg. 9583 mwN). Zwischen dem Erzielen von Einkünften aus selbständiger und aus unselbständiger Arbeit und den dafür notwendigen Voraussetzungen, Hilfsmitteln und Risken bestehen aber für jeden leicht erkennbare wesentliche Unterschiede, die auch unterschiedliche Regelungen im Steuer- oder Sozialversicherungsrecht rechtfertigen. Daß die Einkommensermittlung bei einem Selbständigen von jener eines Unselbständigen auf Grund der Unterschiede im Tatsächlichen abweichend geregelt sein muß, kann wohl nicht bezweifelt werden. Auch im Einkommensteuergesetz selbst, auf welches sich der Revisionswerber als Quelle für seine Rechtsansicht beruft, ist die Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte von Selbständigen und Arbeitnehmern unterschiedlich geregelt. Wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht hat, ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die verschiedenen Einkommensarten verschieden zu behandeln. Auch rechtspolitische (wirtschaftspolitische, finanzpolitische, sozialpolitische udgl.) Erwägungen sind geeignet, abgabenrechtliche Differenzierungen der verschiedenen Einkunftsarten sachlich zu rechtfertigen. Gleiches muß auch für den Bereich der Sozialversicherung gelten. Die verschiedene Behandlung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Vergleich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist aus den tatsächlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Schichten der Erwerbstätigen und zwischen den verschiedenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten ableitbar und dadurch in Verbindung mit den erwähnten rechtspolitischen Erwägungen unbedenklich (VfSlg 6825/1972, VfSlg 6533/1971, VfSlg 10.155/1984 je mwN).

Im Hinblick auf die bereits vorliegende reichhaltige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht für den Obersten Gerichtshof keine Veranlassung für eine Vorgangsweise nach Art. 140 Abs. 1 B-VG.

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte