Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. April 1986 zu bezahlen ab. Es traf zusammengefaßt folgende wesentliche Feststellungen:
Die am 27. Juli 1940 geborene Klägerin war von 1967 bis 1982 bei den Österreichischen Bundesforsten als Kulturarbeiterin beschäftigt und anschließend arbeitslos. Bis Anfang 1975 übte sie im Forstgarten eine Tätigkeit aus, die der einer gelernten Forstgartenfacharbeiterin entsprach. Seit 1975 war die Klägerin überwiegend bei der Erhaltung von Forstwegen tätig, teilweise auch bei der Insektenbekämpfung und beim Vogelschutz - diese Tätigkeiten fallen in den Bereich eines Forstgartenfacharbeiters - sowie bei der Holzauszeichnung und Holzvermessung. Die Erhaltung von Holzwegen, die Holzauszeichnung und Holzvermessung sind Teiltätigkeiten eines Forstfacharbeiters, der vorwiegend mit der Schlägerung, Entastung der gefällten Bäume und deren Fortbringung betraut ist und bei der Waldpflege als Teil seiner Arbeit Kenntnis der wichtigsten Baumarten, ihrer Kultivierung und Pflege sowie Erkennen und Bekämpfen der wichtigsten Forstschädlinge haben muß. In den Jahren 1980 bis 1982 betrug die Summe der von der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden 2.142, davon wurden für die Instandhaltung von Forstwegen 447 Arbeitsstunden und für die Holzausmessung und Holzauszeichnung sowie für Insektenbekämpfung und Vogelschutz 309 Arbeitsstunden aufgewendet.
Der Klägerin sind nur mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen ohne zusätzliche Arbeitspausen zumutbar. Zu vermeiden sind Arbeiten überwiegend oder dauernd im Bücken bis zum Boden, das Heben und Tragen von Lasten über 15 kg, häufiges unvermeidbares Arbeiten in starkem Temperaturgefälle, Durchnässung oder Erkältung, häufiges Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten überwiegend unter Zeitdruck, Akkord- und Nachtarbeiten, sowie Arbeiten die besondere manuelle Geschicklichkeit erfordern oder mit psychischen Belastungen verbunden sind. Die Klägerin ist nicht umschulbar aber für einfache Tätigkeiten anlern- und unterweisbar. Die bisher ausgeübte Tätigkeit übersteigt das Leistungskalkül der Klägerin, es kommen für sie noch die Tätigkeiten einer Raumpflegerin in Büros oder Kanzleien, einer Tischabräumerin, Flaschenrücknehmerin und Taschenaufbewahrung in Supermärkten in Betracht. Aus diesem Sachverhalt leitete das Erstgericht ab, die Klägerin sei wegen der gegebenen Verweisungsmöglichkeiten nicht invalide im Sinne des § 255 Abs. 3 ASVG. Berufsschutz nach § 255 Abs. 1 komme ihr nicht zu, weil sie in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend nur Teiltätigkeiten eines Forstfacharbeiters verrichtet habe, ohne in diesem Beruf gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten durch praktische Arbeit erworben zu haben, wie sie dem erlernten Beruf entsprächen.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Die Klägerin habe zwar in den Jahren 1967 bis Anfang 1975 durch praktische Arbeit jene qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, wie sie eine Forstgartenfacharbeiterin aufweise.
Rechtliche Beurteilung
Grundsätzlich gehe ein einmal erworbener Berufsschutz nicht verloren, wenn im zuletzt überwiegend ausgeübten Beruf die Kenntnisse und Fähigkeiten des erlernten Berufes verwertbar blieben und hiebei nicht nur ganz unbedeutende Teiltätigkeiten verrichtet werden. Von den angelernten Tätigkeiten habe die Klägerin nur mehr in ganz unbedeutendem Ausmaß beim Vogelschutz und der Insektenbekämpfung, die noch dazu insgesamt eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hätten, Gebrauch machen können. Auch unter Berücksichtigung der seit 1975 ausgeübten Teiltätigkeiten eines Forstfacharbeiters könne daher nicht von einem "Mischberuf" gesprochen werden, denn die Summe der erworbenen und verwendeten Kenntnisse und Fähigkeiten sei auch in ihrer Gesamtheit denen eines Lehrberufes nicht gleichwertig. Die Klägerin müsse sich daher gemäß § 255 Abs. 3 ASVG auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisen lassen. Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung kommt keine Berechtigung zu. Die ausführliche, zusammengefaßt wiedergegebene rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 48 ASGG).
Berufsschutz genießt ein Versicherter nach § 255 Abs. 1 ASVG, wenn er überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig war. Nach Absatz 3 leg. cit. liegt ein angelernter Beruf vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Als überwiegend im Sinne des Absatz 1 gelten solche erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden. In die Prüfung, ob ein angelernter Beruf im Sinne des Gesetzes vorliegt, ist daher nur jene Tätigkeit einzubeziehen, die in den letzten 15 Jahren überwiegend ausgeübt wurde. Betrachtet man das im einzelnen von den Vorinstanzen festgestellte Berufsbild eines Forstfacharbeiters, so zeigt sich, daß die Klägerin gerade deren wesentlichste Aufgaben nicht verrichtet hat, sondern vielmehr zum größten Teil nur zu untergeordneten Hilfstätigkeiten herangezogen wurde, nämlich zur Erhaltung von Forstwegen, Holzauszeichnung und Holzabmessung. Die Insektenbekämpfung und der Vogelschutz, Teiltätigkeiten des Forstgartenfacharbeiters, waren sowohl quantitativ als auch qualitativ (wenn man das Berufsbild des Forstgartenfacharbeiters heranzieht), so unbedeutend, daß hier nicht von einem Weiterdauern des Berufsschutzes für einen früher angelernten Beruf gesprochen werden kann. Soweit in diesem Zusammenhang in der Revision ausgeführt wird, der Zeitaufwand von 309 Stunden der unzweifelhaft mit der vor 1975 durchgeführten Tätigkeit ident sei, stelle keine nur ganz unbedeutende Tätigkeit dar, geht die Klägerin nicht von den Feststellungen aus, wonach die 309 Stunden nicht nur für Insektenbekämpfung und Vogelschutz sondern auch für Holzauszeichnung und Holzabmessung aufgewendet wurden. Ein angelernter Beruf muß zwar keinem gesetzlich geregelten Lehrberuf entsprechen jedoch müssen die qualifizierten, in der Praxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten an Qualität und Umfang jenen in einem Lehrberuf gleichzuhalten sein (SSV-NF 1/70). Es reicht aber nicht aus, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Arbeitern ganz allgemein in viel weiterem Umfange beherrscht wird (SSV-NF 1/48). Dies trifft für die von der Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend ausgeübte Tätigkeit zu, weil sie bloße Teiltätigkeiten eines Forstfacharbeiters ohne dessen Haupttätigkeit und dazu nur untergeordnete Teiltätigkeiten aus dem Berufszweig einer Forstgartenfacharbeiterin verrichtet hat, sodaß Berufsschutz verneint werden muß.
Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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