OGH 6Ob706/88 (6Ob707/88)

OGH6Ob706/88 (6Ob707/88)15.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine K***, Hausfrau, Stafflerstraße 3, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien

1. Johann W*** und 2. Rosa W***, beide Hoteliers, Holzleiten 85, 6416 Obsteig, beide vertreten durch Dr. Henriette Achammer-Stadler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Beseitigung (Streitwert S 500.000), infolge Revision und Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen das Urteil und den in dessen Ausfertigung aufgenommenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Gerichtes zweiter Instanz vom 5. Mai 1988, GZ 2 R 32,33/88-38, womit infolge Berufung und Rekurses der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. Oktober 1987, GZ 6 Cg 372/85-33, bestätigt und der Rekurs der beklagten Parteien gegen den in die Ausfertigung dieses Urteiles aufgenommenen Beschlusses dieses Gerichtes über die Zulassung einer Klagsänderung zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß und das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz werden aufgehoben. Dem Gericht zweiter Instanz wird die Entscheidung über die Anfechtung der beklagten Parteien gegen den erstinstanzlichen Beschluß über die Zulassung der Klagsänderung und die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufgetragen. Die Revisionsrekurskosten sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung der beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Beseitigung eines näher umschriebenen Teiles des auf den Grundstücken 5868/1 und 5868/2 je KG Obsteig errichteten Gebäudes binnen vier Wochen. Dieses Klagebegehren ist das Ergebnis zweier Klagsänderungen (ON 3 und 19), gegen welche die Beklagten jeweils sofort Widerspruch erhoben. Das Erstgericht ließ die "Klagsänderung" (offenbar ON 19) mit dem in die Ausfertigung seines Urteiles aufgenommenen Beschluß zu und gab dem (geänderten) Klagebegehren vollinhaltlich statt. Das Gericht zweiter Instanz wies den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der Beklagten mit gleichfalls in die Ausfertigung seiner Sachentscheidung aufgenommenen Beschluß zurück und gab der von den Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Zur Begründung seines Beschlusses führte es aus, auch in das Urteil aufgenommene Beschlüsse über die Klagsänderung seien mit Rekurs anzufechten. Nur wenn das Gericht über das geänderte Begehren ohne Beschlußfassung sachlich entschieden habe, könne die unterlassene Beschlußfassung zusammen mit der in der Sacherledigung zumindest schlüssig getroffenen Entscheidung über die Klagsänderung mit Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft werden. Das Erstgericht habe über die Klagsänderung mit ins Urteil aufgenommenem Beschluß entschieden. Die Frist für den Rekurs gegen diesen Beschluß betrage 14 Tage und werde auch durch die Aufnahme des Beschlusses in die Entscheidung in der Hauptsache nicht verlängert. Da die erstinstanzliche Entscheidung den Beklagten am 16. November 1987 zugestellt worden sei, habe der am 14. Dezember 1987 gemeinsam mit der Berufung zur Post gegebene Rekurs als verspätet zurückgewiesen werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten erhoben gegen diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz Revisionsrekurs und gegen dessen bestätigendes Urteil Revision. Wie noch zu zeigen sein wird, ist derzeit nur über den Revisionsrekurs abzusprechen. Dieser ist zulässig und rechtzeitig erhoben.

Da das Gericht zweiter Instanz den Rekurs gegen den in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluß des Erstgerichtes über die Zulassung der Klagsänderung als verspätet erhoben zurückgewiesen und damit eine meritorische Erledigung dieses Rechtsmittels abgelehnt hat, liegt keine bestätigende Entscheidung im Sinne des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO vor. Der Beschluß der zweiten Instanz ist daher anfechtbar.

Der Revisionsrekurs ist aber auch rechtzeitig erhoben. So wie die Beklagten schon den Rekurs an die zweite Instanz mit ihrer Berufung verbunden hatten, ist auch der Revisionsrekurs gemeinsam mit der Revision ausgeführt und wäre daher, würde man die Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz teilen, verspätet erhoben, weil die berufungsgerichtlichen Entscheidungen den Beklagten am 26. Juli 1988 zugestellt wurden, deren Schriftsatz, mit welchem sie beide Rechtsmittel ausgeführt haben, aber erst am 21. September 1988, demnach - unter Bedachtnahme auf die Gerichtsferien - erst am 27. Tag nach der Zustellung, zur Post gegeben worden ist. Zutreffend verweist das Gericht zweiter Instanz darauf, daß der Beschluß, mit welchem über die Zulassung der Klagsänderung abgesprochen wird, nicht zu den im § 521 a ZPO aufgezählten Beschlüssen gehört, die innerhalb einer Frist von vier Wochen bekämpft werden können. Die Rekursfrist beträgt daher im vorliegenden Fall an sich bloß 14 Tage (§§ 521 Abs 1 und 521 a Abs 2 ZPO).

Nach Lehre und Rechtsprechung (JBl 1962, 452; RZ 1982/40 uva; vgl. auch RZ 1985/36; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1692) besteht für die Anfechtung von Entscheidungen, die gemeinsam ausgefertigt wurden, eine einheitliche Frist im Ausmaß der längsten der dabei in Betracht kommenden Rechtsmittelfristen. Da im vorliegenden Fall Revisionsrekurs und Revision miteinander verbunden wurden, ist die für letztere vorgesehene - vierwöchige (§ 505 Abs 2 ZPO) - Frist maßgeblich.

Schon nach diesen Ausführungen erweist sich der Revisionsrekurs der Beklagten aber auch als berechtigt. Selbst wenn man - wie offenbar Fasching (aaO Rz 1241) - den Standpunkt vertritt, daß trotz der Bestimmung des § 462 Abs 2 ZPO auch ins Urteil aufgenommene Beschlüsse über die Klagsänderung stets mit (gesondertem) Rekurs zu bekämpfen sind, gelten die oben dargelegten Grundsätze über die Anfechtung mehrerer gemeinsam ausgefertigter Entscheidungen in gleicher Weise auch für die gleichzeitige Bekämpfung des erstinstanzlichen Urteiles und eines in dessen Ausfertigung aufgenommenen Beschlusses über die Zulassung der Klagsänderung. Demnach hätte das Gericht zweiter Instanz den Rekurs nicht als verspätet zurückweisen dürfen, sondern meritorisch erledigen müssen. Dies wird es im fortgesetzten Verfahren nachzuholen haben. Die Stattgebung des Revisionsrekurses hat weiters zur Folge, daß aus Anlaß dieser Entscheidung - also noch ohne Bedachtnahme auf die Ausführungen in der Revision - auch die Sachentscheidung des Berufungsgerichtes in der Hauptsache aufzuheben ist. Wenn das Gericht zweiter Instanz den erstinstanzlichen Beschluß über die Zulassung der Klagsänderung bestätigen sollte, verschiebt sich die bisherige Entscheidungsgrundlage in der Hauptsache nicht. Sollte es hingegen in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses die Klagsänderung ablehnen, müßte es der Hauptsachenentscheidung das ursprüngliche Klagebegehren zugrundelegen und somit dessen Berechtigung im Rahmen der Berufungsanträge prüfen. Nur dann bleibt das Gericht zweiter Instanz in die Lage versetzt, seiner meritorischen Entscheidung über die Klagsänderung auch bei der Erledigung der Berufung Rechnung zu tragen. Daraus folgt, daß die Entscheidung über die Klagsänderung und die Hauptsachenentscheidung miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehen, sodaß letztere ebenso aufzuheben war wie der in das Urteil aufgenommene Beschluß über die Klagsänderung.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Revisionsrekursbeantwortung ist, weil der Revisionsrekurs selbst kein zweiseitiges Rechtsmittel ist, nicht zulässig. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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