OGH 10ObS309/88

OGH10ObS309/8822.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz und Dr. Sylvia Krieger (beide AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Leopold H***, Piberstein 6, 4184 Helfenberg, im Rekursverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** DER BAUERN,

Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. August 1988, GZ 13 Rs 93/88-9, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 1988, GZ 14 Cgs 4/88-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger bezieht seit (richtig) 1. Dezember 1973 eine Alterspension. Zugleich wurde ihm eine Ausgleichszulage zuerkannt deren Berechnung das fiktive Ausgedinge vom verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb Piberstein 6 in einem Einheitswert von damals S 42.000,-- zugrundegelegt wurde. Die Aufgabe der landwirtschaftlichen Betriebsführung erfolgte per 1. Dezember 1973 durch Verpachtung der Landwirtschaft an den Neffen Karl H***. Mit Vertrag vom 10. Mai 1983 veräußerte der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb an Johann H***, wobei im Punkt 4 des Übergabsvertrages vereinbart wurde, daß der Vertrag als aufgelöst gelten solle, wenn der Übernehmer in ledigem Zustand vor dem Verkäufer versterben sollte. Dieser Fall trat in der Folge ein. Johann H*** verstarb am 21. September 1985; seine Erben übereigneten den landwirtschaftlichen Betrieb mit Vereinbarung vom 23. April 1987 wieder an den Kläger. Mit Kaufvertrag vom 6. Oktober 1987 verkaufte der Kläger den Betrieb an die Ehegatten Emanuel und Gertraud H***. Mit Bescheid der beklagten Partei vom 17. November 1987 wurde dem Kläger zur Pension eine Ausgleichszulage von S 181,20 gewährt, wobei bei der Berechnung der Ausgleichszulage zweimal ein fiktivs Ausgedinge ausgehend von einem Einheitswert von S 39.000,-- (derzeitiger Einheitswert des Betriebes) zugrundegelegt wurde. Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger die beklagte Partei zu verpflichten, die Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß unter Anrechnung nur des einfachen Einheitswertes (offenbar richtig: unter Berücksichtigung der Pauschalanrechnung ausgehend vom einfachen Einheitswert) zu gewähren. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der Beklagte habe den landwirtschaftlichen Betrieb zweimal veräußert; die Anrechnung des fiktiven Ausgedinges habe für jeden Übertragungsakt zu erfolgen.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Es folgte dabei der Rechtsansicht der beklagten Partei, daß infolge zweimaliger Übertragung der Liegenschaft die Pauschalanrechnung nach § 140 Abs 7 BSVG zweimal zu erfolgen habe. Bei Ermittlung des fiktiven Ausgedinges sei daher vom doppelten Einheitswert (S 78.000,--) auszugehen.

Das Berufungsgericht hob für Berufung des Klägers dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Aus dem Wortlaut und dem Inhalt der Wendung "der Ermittlung des Einkommens" und dem Zweck der Bestimmung über die Pauschalanrechnung sei zu schließen, daß für den Übergeber eines Betriebes überhaupt die Möglichkeit bestehen müsse, aus der Betriebsübergabe Einkommen zu erzielen. Grundgedanke der Regelung sei, daß niemand zu Lasten der Allgemeinheit auf realisierbares Einkommen verzichten dürfe. Es sei wohl zu unterstellen, daß der Kläger bei Übergabe seiner Landwirtschaft an Johann H*** entsprechende Ausgedingsleistungen hätte erzielen können. Es sei aber auszuschließen, daß solche Ausgedingsleistungen nach Rückübertragung der Landwirtschaft an den Kläger durch die Erben des Johann H*** weiterhin erbracht worden wären. Für die Zukunft könne nur davon ausgegangen werden, daß es dem Kläger möglich sein mußte, aus dem späteren Verkauf der Landwirtschaft an Emanuel und Gertraud H*** entsprechende Gegeleistungen zu erzielen, wofür die Anrechnung eines fiktiven Ausgedinges sachgerecht sei. Die von der beklagten Partei vertretene Lösung widerspreche dem Zweck des § 140 Abs 7 BSVG, da sie zu dem Ergebnis führen würde, daß dem Kläger Ausgedingsleistungen angerechnet würden, die er niemals zu erzielen in der Lage gewesen wäre. Eine Entscheidung dem Grunde nach und die Auferlegung einer vorläufigen Leistung käme aber in Fällen in denen das Begehren auf Leistung der Ausgleichszulage laute nicht in Betracht, weil es zu einer solchen Entscheidung dem Grunde nach aller Feststellungen bedürfe, die schon die Berechnung der Höhe des Anspruches ermöglichten. Das Verfahren sei unvollständig geblieben, weil das Erstgericht ausreichende Feststellungen, die die Berechnung der Ausgleichszulage der Höhe nach ermöglichten, nicht getroffen habe.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt werde.

Die klagende Partei hat sich im Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

§ 140 Abs 7 BSVG normiert, daß dann, wenn die Bewirtschaftung eines land-(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde, der Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen 21,6 vH des durchschnittlichen Einheitswertes der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land-(forst)wirtschaftlichen Flächen zugrundezulegen sind, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als 10 Jahre, gerechnet vom Stichtag zurückliegt. Der Begriff der "Übergabe" beschränkt dabei die Anwendung dieser Bestimmung nicht auf Fälle in denen ein Übergabsvertrag in der im bäuerlichen Bereich üblichen Form geschlossen wurde, sondern bezeichnet den Modus im Sinn der §§ 423 ff ABGB. Damit werden alle Fälle umfaßt, in denen im Zusammenhang mit einer Veräußerung des Betriebes auch dessen Übergabe erfolgt. Bei anderer Auslegung bestünde die Möglichkeit durch eine andere Form der Veräußerung des Betriebes als durch Übergabsvertrag, etwa durch Verkauf, Schenkung etc., die Anwendung der Bestimmungen über die Pauschalanrechnung auszuschließen, was dem mit der Bestimmung verfolgten Zweck zuwiderlaufen würde. Da sohin die Veräußerung durch Verkauf und Übergabsvertrag gleich zu behandeln sind, kommt den Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit für die hier zu beurteilende Frage, keine rechtliche Relevanz zu.

Die pauschalierte Anrechnung von fiktivem Einkommen für Zwecke der Ermittlung der Ausgleichszulage bei Aufgabe oder Übergabe eines Betriebes oder Überlassung eines Betriebes zur Bewirtschaftung gehen in der bäuerlichen Pensionsversicherung auf das Bauernpensionsversicherungsgesetz BGBl. 28/70 zurück. Die Gesetzesmaterialien (1.411 BlgNR 11. GP, 57) führen hiezu aus, daß die Einrichtung des Ausgedinges eine Besonderheit darstelle, auf die bei der Regelung des Ausgleichszulagenrechtes im Bereich der Pensionsversicherung der Bauern Bedacht genommen werden müßte. In der Land- und Forstwirtschaft sei noch immer die Gepflogenheit weit verbreitet, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhalte, das ihm für seinen Lebensabend, Wohnung und Verpflegung sichere. Die üblichen Ausgedingsleistungen sollten im Ausgleichszulagenrecht ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, bei der Ermittlung des Gesamteinkommens durch Hinzurechnung eines Pauschalbetrages berücksichtigt werden. In der im wesentlichen der derzeit bestehenden Regelung entsprechenden Form finden sich die Bestimmungen über die Pauschalanrechnung von fiktiven Einkommen bei Übergabe eines land-(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Bereich der bäuerlichen Pensionsversicherung erstmalig in der zweiten Nov zum B-PVG (BGBl. 33/1973). Die Gesetzesmaterialien (406 BlgNR 13. GP 17 f) verweisen dazu auf die Begründung des zu diesen Bestimmungen gleichlautenden Entwurfes zur 29. ASVG-Novelle (404 BlgNR 13. GP, 110 ff zu § 292 Abs 8 ASVG). Die erläuternden Bemerkungen führen an dieser Stelle im wesentlichen übereinstimmend mit den Gesetzesmaterialien zum B-PVG (1.411 BlgNR 11. GP, 57) aus, daß in der Land- und Forstwirtschaft bekanntlich noch immer die Gepflogenheit weit verbreitet sei, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhalte, das ihm für seinen Lebensabend, Wohnung und Verpflegung sichere. Die üblichen Ausgedingsleistungen sollten, wie schon im damals bereits in Geltung stehenden Ausgleichszulagenrecht nach dem Bauernpensionsversicherungsgesetz, ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, bei der Ermittlung des Nettoeinkommens durch Hinzurechnung eines Pauschalbetrages berücksichtigt werden. Da sich die Höhe der Ausgedingsleistungen im allgemeinen nach der Ertragsfähigkeit des übergebenden Betriebes richte, erscheine es gerechtfertigt auch bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen den Einheitswert als Maßstab heranzuziehen.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß dem Eigentümer eines land-(forst)wirtschaftlichen Betriebes zugemutet werden könne, seinen Betrieb so zu verwerten, daß er einen Teil seines Lebensunterhaltes auch nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit selbst bestreiten kann. Für Zwecke der Ermittlung der Ausgleichszulage ist bei Aufgabe, Übergabe, Überlassung zur Bewirtschaftung eines land-(forst)wirtschaftlichen Betriebes die im bäuerlichen Bereich bei der Betriebsübergabe regelmäßig vereinbarte Ausgedingsleistung als Nettoeinkommen in einem der Leistungsfähigkeit des Betriebes entsprechenden Umfang zu berücksichtigen und zwar dies ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang er tatsächlich Ausgedingsleistungen erhält. Bei Aufgabe des Betriebes ist davon auszugehen, daß der frühere Betriebsführer laufende Leistungen bezieht, durch die seine Bedürfnisse teilweise natural befriedigt werden, was bei Ermittlung des Mindestbedarfes (Ausgleichszulage) im Rahmen der finanziellen Versorgung aus der Pensionsversicherung entsprechend zu berücksichtigen ist; diese Ausgedingsleistungen entsprechen dem Charakter einer Naturalunterhaltsleistung (in diesem Sinn auch Binder Probleme der pensionsrechtlichen Ausgleichszulage ZAS 1981, 89 insb. 95 mwN). Diese Naturalleistungen - die Gesetzesmaterialien nennen hiezu als wesentlichste Teile Wohnung und Verpflegung - kann der Pensionist aber aus der Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes nur einmal beziehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß aus der Übergabe, Verpachtung, Aufgabe etc. eines landwirtschaftlichen Betriebes ein Einkommen erzielbar ist, das dem im § 140 Abs 7 BSVG festgesetzten Pauschalbetrag entspricht. Dieses Einkommen fließt dem früheren Betriebsinhaber jedoch nur einmal zu, mögen auch zwei Übertragungsakte hintereinander stattgefunden haben. Die von der beklagten Partei gewünschte Interpretation würde zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, daß die Anrechnung doppelt zu erfolgen hätte, obwohl der Gesetzgeber, wie sich aus der Festlegung der am Einheitswert orientierten Pauschalanrechnung in Form des dort bezeichneten Prozentsatzes ergibt, davon ausgeht, daß der Übergabe des Betriebes insgesamt nur das in § 140 Abs 7 BSVG bestimmte Einkommen erzielbar ist. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß die Pauschalanrechnung nur einmal vorzunehmen ist.

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