Spruch:
Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, daß die dem Kollektivvertrag für Angestellte der Sparkassen angehörigen Sparkassen verpflichtet seien, unter den in § 10 des Kollektivvertrages für Angestellte der Sparkassen angeführten Voraussetzungen 70 % der Anzahl jener Angestellten, die nach dem 20. Lebensjahr mehr als 10 Dienstjahre in der Sparkasse verbracht haben, definitiv zu stellen und der Antragsgegner verpflichtet sei, gegen kollektivvertragswidrige Mitglieder entsprechend vorzugehen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer und der Antragsgegner eine solche der Arbeitgeber im Sinne des § 4 Abs. 2 ArbVG. Die ihnen schon vor dem Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes zuerkannte Kollektivvertragsfähigkeit ist weiterhin aufrecht (vgl. Floretta in Floretta-Strasser, ArbVG § 165 Erl. 2.1 lit. a und 2.2 lit. f).
Der Antragsteller führt zur Begründung seines aus dem Spruch ersichtlichen Antrages aus, daß § 10 Abs. 3 des Kollektivvertrags für die Angestellten der Sparkassen (im folgenden kurz Kollektivvertrag) vorsehe, daß die Anzahl der definitiven Angestellten jedenfalls mindestens 70 % der Anzahl jener Angestellten entsprechen müsse, die nach dem vollendeten 20. Lebensjahr mehr als 10 Dienstjahre in der Sparkasse verbracht hätten. Diese Bestimmung enthalte keine normative Regelung, sondern gehöre zum obligatorischen Teil des Kollektivvertrags. Jede der beiden Kollektivvertragsparteien sei verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die einzelnen Arbeitsverträge inhaltlich kollektivvertragsmäßig gestaltet und erfüllt würden. Der Antragsgegner müßte daher jene Sparkassen, die kollektivvertragswidrig vorgingen, veranlassen, diese Bestimmung kollektivvertragskonform anzuwenden. Einige Sparkassen kämen auch ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Ermittlung der Verhältniszahl im Sinne des § 10 Abs. 3 zweiter Satz des Kollektivvertrags nicht nach. Von der Klärung der Rechtsfrage der Verpflichtung des Antragsgegners bzw. der dem Kollektivvertrag unterliegenden Sparkassen, die Bestimmungen des § 10 des Kollektivvertrags im vollen Umfang anzuwenden, seien sowohl mehr als drei Sparkassen als auch mehr als drei Angestellte betroffen. Da der Antragsgegner seiner gesetzlichen Verpflichtung, die dem Kollektivvertrag unterliegenden Sparkassen entsprechend zu beeinflussen, daß die Bestimmung des § 10 des Kollektivvertrags für die Angestellten der Sparkassen gewährleistet sei, nicht nachkomme, habe der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzuweisen. Bei der Bestimmung des § 10 Abs. 3 erster Satz des Kollektivvertrags handle es sich um eine Normativbestimmung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 2 ArbVG, weil darin keine Regelung von Rechtsbeziehungen zwischen den Kollektivvertragsparteien im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 1 ArbVG enthalten sei. Eine schuldrechtliche Regelung könne auch nicht Gegenstand des Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs. 2 ASGG sein. Die Feststellung des bloßen Wortlautes des § 10 Abs. 3 des Kollektivvertrags sei entbehrlich. Es mangle dem Antrag diesbezüglich am Rechtsschutzinteresse. Eine Verpflichtung des Antragsgegners, auf die autonomen Mitgliedsinstitute einzuwirken, sei nicht möglich. Dem Antragsgegner obliege als einem Verein im Sinne des Vereinsgesetzes lediglich die Interessenvertretung von 126 Sparkassen, der Girozentrale und der Steiermärkischen Bank. Er habe aber keine rechtliche Handhabe, in die Geschäfts- und Personalpolitik der Mitgliedsinstitute einzugreifen, geschweige denn Sanktionen für den Fall verbandsinkonformer Vorgangsweisen zu verhängen oder verbandskonforme Vorgangsweisen zu erzwingen. Die beantragte Feststellung sei in ihrem zweiten Teil rechtlich nicht exequierbar. Soweit sich der Antragsteller auf Einwirkungs- und Durchführungspflichten des Antragsgegners berufe, seien diese dem schuldrechtlichen Teil des Kollektivvertrags zuzuordnen. In der dazu noch erstatteten Äußerung und Gegenäußerung wiederholten die Parteien jeweils ihre Standpunkte.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat auf der Grundlage des behaupteten Sachverhalts (§ 54 Abs. 4 erster Satz ASGG) über den Feststellungsantrag erwogen:
Der Antragsteller stützt sein Feststellungsbegehren ausschließlich auf eine Bestimmung des Kollektivvertrags für die Angestellten der Sparkassen. Es ist daher vorerst zu prüfen, ob das den Gegenstand des besonderen Feststellungsverfahrens bildende Recht oder Rechtsverhältnis eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 ASGG ist. Streitigkeiten über den obligatorischen Teil eines Kollektivvertrages gehören nämlich nicht zu den Arbeitsrechtssachen nach dieser Gesetzesstelle (vgl. Kuderna, ASGG § 54 Erl. 12). Während die kollektivvertraglichen Inhaltsnormen den Inhalt der vom Kollektivvertrag umfaßten Einzelarbeitsverhältnisse zum Gegenstand haben und hinsichtlich der von diesen Bestimmungen betroffenen Personen unmittelbar rechtsverbindlich sind (§ 11 Abs. 1 ArbVG), erschöpft sich der Inhalt des schuldrechtlichen Teils des Kollektivvertrags in der Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen den vertragschließenden Parteien (§ 2 Abs. 2 Z 1 ArbVG). Kollektivvertragliche Abschlußnormen regeln das Zustandekommen neuer Arbeitsverhältnisse oder neuer Vereinbarungen etwa durch Formvorschriften, Abschlußgebote oder Abschlußverbote (Cerny ArbVG § 2 Erl. 7; Kuderna, Die Auslegung kollektivvertraglicher Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 163 ff; Arb. 10.241). Zu den Erfüllungspflichten im Rahmen des schuldrechtlichen Teils gehört insbesondere die als kollektivvertragsimmanent anzusehende Durchführungspflicht der Kollektivvertragsparteien, die sowohl Selbst- als auch Einwirkungspflicht ist. Jede der beiden Kollektivvertragsparteien ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Einzelarbeitsverträge inhaltlich kollektivvertragsgemäß gestaltet und erfüllt werden. Gegen kollektivvertragswidrig handelnde Mitglieder ist vom kollektivvertragschließenden Verband entsprechend vorzugehen (Strasser in Floretta-Strasser, ArbVG 25 f; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 II 120 f; Cerny ArbVG § 2 Erl. 7). Gerade dieses entsprechende Vorgehen gegen die Mitgliedinstitute des Antragsgegners ist aber der wesentliche Inhalt des vorliegenden Feststellungsantrages, der sich in seinem Zusammenhang und nach seinem Sinn nicht auf die bloße Feststellung des Wortlauts einer unbestrittenen Bestimmung des Kollektivvertrags als Vorfrage richtet, sondern insgesamt auf ein Einwirken des Antragsgegners im Rahmen des im Antrag angeführten § 10 des Kollektivvertrags.
§ 10 Abs. 3 des Kollektivvertrags ordnet aber lediglich an, daß die Anzahl der definitiven Angestellten jedenfalls mindestens 70 % der Anzahl jener Angestellten entsprechen müsse, die nach dem vollendeten 20. Lebensjahr mehr als 10 Dienstjahre in der Sparkasse verbracht haben und richtet sich damit als eine Art persönlicher Solidarnorm (Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO 114 f) an die Mitgliedsinstitute des Antragsgegners, entsprechende Vereinbarungen abzuschließen bzw. an den Antragsgegner, eine entsprechende Neugestaltung von Arbeitsverhältnissen zu veranlassen, ohne daß es schon dadurch zu einer unmittelbaren Einwirkung auf bestimmte Arbeitsverhältnisse gekommen wäre. Dabei macht es keinen Unterschied, daß die gegenständliche Bestimmung im normativen Teil des Kollektivvertrags enthalten ist. Enthält ein Kollektivvertrag nämlich solche Regelungen, so zählen sie wie jeder andere unzulässige Inhalt des normativen Teils zum schuldrechtlichen Teil (Strasser aaO).
Die in Frage stehende Kollektivvertragsbestimmung gehört sohin, wie der Antragsteller ohnehin richtig erkannte, zum schuldrechtlichen Teil des Kollektivvertrags. Der Feststellungsantrag hat damit aber keine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand, so daß die allgemeinen Voraussetzungen im Sinne des § 54 Abs. 2 ASGG nicht erfüllt sind. Der Antrag des Antragstellers ist daher ohne weitere inhaltliche Prüfung des Begehrens zurückzuweisen.
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