Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 25. Mai 1981 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Da er Transporte im In- und Ausland durchzuführen hatte, leistete er beträchtliche Überstunden. Er vereinbarte im Jahre 1983 mit dem Geschäftsführer der Beklagten die Zahlung eines Überstundenpauschales für 30 Stunden Mehrarbeit mit einem 50 %-igen Zuschlag pro Monat und die Vergütung der darüber hinaus erbrachten Überstunden in Form von Zeitausgleich. Am 23. Juli 1985 schloß die Beklagte mit dem Arbeiterbetriebsrat aus Anlaß der Stillegung des Betriebes eine Betriebsvereinbarung unter anderem folgenden Inhalts:
"....2. Weiters erhalten alle Arbeiter aus Anlaß der Beendigung des Dienstverhältnisses eine zusätzliche freiwillige Abfertigung von:
20 % des Leistungslohnes bei 0 Fehltagen
15 % des Leistungslohnes bei 1 Fehltag
10 % des Leistungslohnes bei 2 Fehltagen
beginnend ab 19. August 1985 bis Ende des Dienstverhältnisses, sofern dieses durch Kündigung durch den Dienstgeber endet. ..... Arbeitsverhinderungen laut § 19 Kollektivvertrag sowie die gesetzlich zustehenden Arbeitssuchtage werden nicht als Fehltage verrechnet. Sonstige Fehltage wegen Arbeitsverhinderung aus wichtigen persönlichen Gründen können durch Inanspruchnahme von Urlaubstagen mit vorhergehender Zustimmung der Geschäftsleitung gestattet werden, ohne dadurch als Fehltage zu gelten...."
Mit Ende November 1985 wurde der Betrieb der Beklagten geschlossen und der Kläger zu diesem Termin gekündigt. Mit der am 17. August 1987 eingebrachten Klage begehrt der Kläger ein durch das Überstundenpauschale nicht gedecktes und durch Zeitausgleich nicht abgegoltenes restliches Überstundenentgelt für die Zeit von September 1984 bis November 1985 in Höhe von S 57.591,16 brutto sA und eine zusätzliche freiwillige Abfertigung von S 11.301,30 brutto sA. Er habe sich zwar vom 3. September bis 13. September 1985 im Krankenstand befunden, doch stehe ihm die zusätzliche Abfertigung in Höhe von 20 % des Leistungslohnes gemäß § 3 EFZG im Zusammenhalt mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu. Die Beklagte habe auch vorerst eine Abfertigung in Höhe von 15 % des Leistungslohnes anerkannt, deren Auszahlung aber verweigert, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, eine Lohnbefriedigungserklärung zu unterschreiben.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Dem Kläger stehe kein restliches Überstundenentgelt zu. Der Kläger habe Gelegenheit gehabt, den im Verhältnis 1 : 1 vereinbarten Zeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Er sei nicht berechtigt, den Überstundenzuschlag zur verbrauchten Zeitausgleichstunde hinzuzurechnen. Überdies sei der Anspruch auf Überstundenentgelt bis August 1985 nach dem Kollektivvertrag für die Arbeiter der Schuhindustrie (kurz Kollektivvertrag) verfristet, da er nicht binnen 3 Monaten nach seinem Entstehen geltend gemacht worden sei.
Eine zusätzliche Abfertigung könne der Kläger nicht verlangen, da er die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 50.209,30 brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 18.683,16 brutto sA ab. Es stellte im wesentlichen fest:
Der Kläger leistete von September 1984 bis November 1985 insgesamt 871,5 Überstunden, wovon 368,5 in die Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr bzw. auf Sonn- und Feiertage entfielen. Er trug diese Überstunden in seine Arbeitszeitkarten ein, die er jeweils der Lohnbuchhalterin Ulrike A*** vorwies. Seine Eintragungen wurden nie beanstandet. Ob die Arbeitszeitkarten im Lohnbüro abgegeben und verwahrt wurden, steht nicht fest. In diesem Zeitraum befand sich der Kläger insgesamt 274 Stunden auf Zeitausgleich. Zu dem Überstundenguthaben kam es deshalb, da der Kläger häufig weite Fahrten durchzuführen hatte und Zeitausgleich nur begrenzt zwischen diesen Fahrten nehmen konnte. Er forderte sein Überstundenguthaben ab September 1984 dem Geschäftsführer der Beklagten bzw. seinem unmittelbaren Vorgesetzten, Betriebsleiter Dr. Wilhelm G*** gegenüber fast wöchentlich ein und wies auf die Schwierigkeit, Zeitausgleich zu nehmen, hin. Der Geschäftsführer der Beklagten meinte lediglich, wenn er die Überstunden bezahle, könne er gleich zusperren. Auch gegenüber dem Sparkassenbediensteten Dr. Oskar H***, der ab etwa Mitte Mai 1985 zum Sachwalter hinsichtlich der Liquidation der Beklagten bestellt war, machte der Kläger die Bezahlung der Überstunden geltend. Er wurde von diesem aber an den Geschäftsführer verwiesen. Der Kläger erhielt für den gegenständlichen Zeitraum lediglich das für 30 Stunden zuzüglich eines Zuschlages von 50 % vereinbarte Überstundenpauschale ausgezahlt. Ob zwischen den Parteien Zeitausgleich im Verhältnis 1 : 1 oder 1 : 1,5 vereinbart wurde, steht nicht fest. Der Grund für den Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 23. Juli 1985 betreffend eine zusätzliche Abfertigung war, daß die Beklagte befürchtete, daß die Arbeitnehmer ihre Arbeitsverhältnisse noch vor der Betriebsstillegung lösen würden. Dadurch wäre die Beklagte nicht mehr in der Lage gewesen, die noch vorhandenen Aufträge zu erfüllen. Andererseits wollte man einem festgestellten Absinken der Arbeitsmoral, die sich in vielen Krankenständen äußerte, entgegenwirken. Nach Abschluß der Vereinbarung hörten die Krankenstände auch tatsächlich auf.
Der Kläger verletzte sich am 31. August 1985, einem Samstag, bei Holzarbeiten an einer Sehne am linken Arm. Er wurde im Krankenhaus genäht und sollte einen Gipsverband erhalten. Da der Kläger jedoch am Sonntag eine Fahrt nach Göppingen anzutreten hatte und keinen Fehltag haben wollte, wurde er auf eigenen Wunsch nur mit einem Pressverband versorgt und arbeitsfähig geschrieben. Als während der Fahrt die Nähte platzten, legte er sich einen neuen Pressverband an. Nach seiner Rückkehr suchte der Kläger am 3. September 1985 einen Arzt auf, der den Arm stillegte und eine weitere Arbeit untersagte. Der Kläger befand sich daraufhin 10 Tage im Krankenstand. Nach Stillegung des Betriebs der Beklagten erhielt der Kläger am 16. Dezember 1985 die Endabrechnung, in der eine Prämie von s 8.476 brutto in Höhe von 15 % des Leistungslohnes aufschien. Dieser Betrag wurde jedoch nicht ausgezahlt. Es steht nicht fest, ob es deshalb zur Stornierung der Gewährung der zusätzlichen Abfertigung gekommen ist, weil man zuerst fälschlich annahm, der Krankenstand des Klägers sei auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen, oder weil sich der Kläger geweigert hatte, eine Lohnbefriedigungserklärung zu unterzeichnen.
Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich forderte in Vertretung des Klägers das restliche Überstundenentgelt und die zunächst verrechnete Abfertigung mit Schreiben vom 5. März 1986 erstmals schriftlich ein.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das Begehren des Klägers auf restliches Überstundenentgelt nicht verfristet sei. Der Kläger habe dessen Zahlung während des Arbeitsverhältnisses wiederholt begehrt und das Überstundenentgelt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Dreimonatsfrist des § 25 des Kollektivvertrages schriftlich geltend gemacht. Normalüberstunden seien nach dem Kollektivvertrag mit einem Zuschlag von 50 % und Überstunden in der Zeit zwischen 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen. Daraus ergebe sich in Analogie zu den Zuschlägen eine über die Normalarbeitszeit hinausgehende Mehrleistung des Klägers von insgesamt 1.491,5 Stunden, von denen 274 Stunden an Zeitausgleich und 675 Normalstunden als Überstundenpauschale abzuziehen seien. Es verblieben daher 542,5 Normalstunden, so daß bei einem Bruttostundenlohn von S 71,72 noch S 38.908,-- brutto aushafteten. Der Kläger sei von der Beklagten nicht aufgefordert worden, zu bestimmten Zeiten Zeitausgleich zu nehmen. Ein allfälliger Verzicht des Klägers auf Abgeltung der Überstunden sei daher nicht in Erwägung zu ziehen. Unabhängig von einer allenfalls gegenteiligen und insoferne teilnichtigen Vereinbarung sei auch hinsichtlich der durch Zeitausgleich abgegoltenen Überstunden von einem Verhältnis 1 : 1,5 zur Normalarbeitsstunde auszugehen.
Die am 23. Juli 1985 vereinbarte Anwesenheitsprämie widerspreche den Grundsätzen des österreichischen Arbeitsrechts hinsichtlich der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und der Entgeltsicherung bei gerechtfertigter Arbeitsverhinderung. Die an die freiwillige Abfertigung geknüpfte Bedingung des Ausschlusses von Fehltagen sei rechtswidrig und gelte als nicht beigesetzt. Der Kläger habe trotz seiner Fehltage durch den Krankenstand Anspruch auf die volle freiwillige Abfertigung.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß auf Grund der zwingenden Bestimmung des § 10 AZG abweichende Vereinbarungen über die Abgeltung von Überstunden nur dann wirksam seien, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger seien als der gesetzliche Anspruch auf Überstundenvergütung. Aus diesem Grunde seien Vereinbarungen, die sich darauf beschränkten, einen Freizeitausgleich lediglich im Verhältnis 1 : 1 festzusetzen, unwirksam. Die durch Zeitausgleich abgegoltenen Überstunden seien vielmehr im Verhältnis 1 : 1,5 zu berücksichtigen.
Vereinbarungen, wonach bestimmte Leistungen des Arbeitgebers nur dann gebührten, wenn der Arbeitnehmer keine krankheitsbedingten Fehlzeiten habe, widersprächen der zwingenden Regelung des § 3 EFZG. Solche Anwesenheitsprämien, die nur den Zweck hätten, die Arbeitnehmer von einem begründeten Krankenstand abzuhalten, seien rechtswidrig. Es wäre sachfremd, einen Arbeitnehmer, der an der Arbeitsleistung durch Krankheit verhindert ist, entgeltmäßig genau so zu behandeln wie einen Arbeitnehmer, welcher der Arbeit grundlos fernbleibe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ein den Betrag von S 209,30 brutto sA übersteigendes Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Mit ihren schon im Berufungsverfahren vorgetragenen und in der Rechtsrüge wiederholten Einwänden gegen den Zuspruch des restlichen Überstundenentgelts und der zusätzlichen Abfertigung läßt die Revisionswerberin in beiden Fällen zwingende arbeitsrechtliche Schutzgesetze außer acht. Es entspricht zwar Lehre und Rechtsprechung, daß ein Arbeitnehmer anstelle der vorgesehenen Geldvergütung für Überstunden Zeitausgleich in Anspruch nehmen kann; der Zeitausgleich darf bei Fehlen einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Grundlage aber nicht einseitig angeordnet, sondern kann immer nur im Wege einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen und verbraucht werden (DRdA 1988/17 mit Besprechung von Grillberger;
9 Ob A 213/88 mwH uva). Hinsichtlich der hier wesentlichen Frage, in welchem Verhältnis zur Normalarbeitsstunde der Zeitausgleich zu gewähren ist, kommt den Zielsetzungen des Arbeitszeitschutzes (Abgeltung der Mehrbelastung des Arbeitnehmers - Erhöhung der Kosten der Arbeit) entscheidende Bedeutung zu (vgl. Grillberger, Arbeitszeitgesetz § 10 Erl. 1 und 5). Der Einwand der Revisionswerberin, daß sich der Wert der Freizeit nicht ohne weiteres in Geld umrechnen lasse, ist zwar zutreffend, zumal auch eine Freizeitgewährung im gleichen Ausmaß die Mehrbelastung des Arbeitnehmers ausgleichen kann, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Überstundenarbeit liegt. Eine solche Gleichsetzung von Normalarbeitsstunde und Überstunde widerspräche aber eindeutig dem weiteren Zweck der Zuschlagsregelung, Überstunden durch Verteuerung möglichst hintanzuhalten (Grillberger aaO Erl. 5.2). Da auch ein vereinbarter Freizeitausgleich nach der zwingenden Vorschrift des § 3 ArbVG nicht zu einer Verschlechterung der Position des Arbeitnehmers gegenüber Kollektivvertrag und Gesetz führen darf, ist für die Abgeltung der Überstundenarbeit ein Verhältnis 1 : 1 gegenüber der Normalarbeitsstunde nicht zulässig. Mangels anderer im engeren Sachzusammenhang stehender Bezugspunkte ist vielmehr das vom Gesetz oder Kollektivvertrag angeordnete Verhältnis der Entlohnung einer Normalarbeitsstunde zur Entlohnung einer Überstunde analog heranzuziehen (Grillberger aaO Erl. 5.2; Cerny Arbeitszeitrecht2 AZG § 10 Erl. 8; Klein in FS Strasser !1983 127 f; Haslinger, Überstundenprobleme im Arbeitszeitrecht, ZAS 1971, 58; Kopler, Freizeitausgleich bei Überstunden, DRdA 1985 137 f; RdW 1988, 138 mit Anmerkung von Andexlinger; 9 Ob A 155/88 mwH). Soweit daher vom Kläger Freizeitausgleich in Anspruch genommen wurde, wäre dieser je nach der Art der geleisteten Überstunde (Normal-, Nacht- bzw. Sonn- und Feiertagsüberstunde) im eineinhalbfachen bis zweifachen Ausmaß der Normalarbeitszeit zu gewähren gewesen. Vereinbarungen, die diesem Ergebnis allenfalls entgegenstehen und dieses Verhältnis zum Nachteil des Arbeitnehmers einschränken, sind insoferne teilungültig.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die Gewährung von Freizeitausgleich an den Kläger im Verhältnis 1 : 1 unzulässig war und ihm daher die dadurch noch nicht abgegoltenen Überstundenzuschläge zustehen. Soweit der Verbrauch des Zeitausgleiches nicht möglich war, kommt ohnehin nur mehr ein Vergütungsanspruch in Geld in Betracht. Dies wird von der Revisionswerberin auch nicht bezweifelt. Mit ihrem Einwand, das vereinbarte Überstundenpauschale hätte nicht zur Gänze auf Überstunden mit einem 50 %-igen Zuschlag verrechnet werden dürfen, übersieht sie die getroffenen Feststellungen.
Die Ausführungen der Beklagten, der Kläger hätte sich nur allgemein geäußert, "was mit den Überstunden sei", entspricht nicht dem festgestellten Sachverhalt. Der Kläger forderte sein Überstundenguthaben ab September 1984 vielmehr fast jede Woche mündlich ein. Da der Beklagten die Anzahl der geleisteten Überstunden durch die vorgewiesenen und zur Kenntnis genommenen Arbeitszeitkarten bekannt war, machte der Kläger auf diese Weise seinen Anspruch auf Überstundenentgelt im Sinne des § 25 des Kollektivvertrags wirksam und rechtzeitig geltend, so daß sein Begehren weder verfristet noch verjährt ist (vgl. Arb. 9.454, 9.661; RdW 1985, 380 ua).
Hinsichtlich der Gründe, welche zur Vereinbarung vom 23. Juli 1985 führten, ist zwischen der Zuerkennung der gesetzlichen Abfertigung auch bei Selbstkündigung ab dem 15. Oktober 1985 (Beilage 1), welche ein Abwandern der Arbeitnehmer verhindern sollte, und der Gewährung einer zusätzlichen freiwilligen Abfertigung in einem Prozentsatz des Leistungslohnes zu unterscheiden. Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, handelt es sich bei dieser zusätzlichen freiwilligen Abfertigung um eine sogenannte Anwesenheitsprämie, deren Wesen darin besteht, daß sie die Arbeitnehmer überhaupt oder jedenfalls in voller Höhe nur dann erhalten sollen, wenn sie während eines bestimmten Zeitraums tatsächlich und ununterbrochen gearbeitet haben. Fehlzeiten führen zum Entfall oder zur Minderung der Prämie ohne Rücksicht darauf, ob es sich um berechtigte oder unberechtigte Fehlzeiten handelt. Es werden in der Regel - so wie hier - lediglich einzelne Fehlzeitgründe ausgenommen, die aber am Wesen der Vereinbarung nichts ändern. Das Anwendungsgebiet solcher Anwesenheitsprämien fällt sohin in einen Bereich, in dem das arbeitsvertragliche Synallagma "Ohne Arbeit kein Lohn" durch Gegenkräfte (Gesetz, Kollektivvertrag ua) durchbrochen ist, da in ihm auch "Lohn ohne Arbeit" gezahlt wird (vgl. Fenn-Bepler, Die Problematik der Anwesenheitsprämie, RdA 1973, 218 ff, insbesondere 219 und 221). Es ist daher zu prüfen, ob die Suspensivbedingung der ununterbrochenen Tätigkeit im Betrieb bzw. der Toleranz lediglich zweier Fehltage für den Anspruch auf die zusätzliche Abfertigung zulässig ist oder dem Lohnausfallprinzip des Entgeltfortzahlungsgesetzes widerspricht (vgl. B. Schwarz in DRdA 1978, 256; Arb. 10.355). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich bei der Anwesenheitsprämie um ein "fortzuzahlendes" oder um ein in Aussicht gestelltes einmaliges Entgelt handelt. Der Sinn der Bestimmung des § 3 EFZG ist, sicherzustellen, daß der Arbeitnehmer durch eine Arbeitsverhinderung gemäß § 2 EFZG keinen wirtschaftlichen Nachteil erleidet (1105 BlgNR XIII.GP 14). Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn der erkrankte Arbeitnehmer letztlich eine Entgelteinbuße dadurch erleidet, daß er die Anwesenheitsprämie nicht erhält. Er wäre tatsächlich nicht so gestellt wie er stünde, wenn er gesund gewesen wäre (vgl. BAG 19. Mai 1982, NJW 1982, 2789). Für diese Ziele spielt die Zahlungsweise der Anwesenheitsprämie keine Rolle.
Das Bedenkliche der gegen ein krankheitsbedingtes Fehlen gerichteten Anwesenheitsprämie liegt in der Reizwirkung, die sie auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten ausüben mußte. Auch dem wirklich kranken Arbeitnehmer wurde dadurch im Ergebnis nahegelegt, auf seine Krankheit keine Rücksicht zu nehmen, sondern zu arbeiten, um finanzielle Einbußen zu vermeiden. Gerade davor sollen die Lohnfortzahlungsbestimmungen den Arbeitnehmer aber bewahren. Der Arbeitnehmer soll nicht veranlaßt werden, aus finanziellen Gründen mit seiner Gesundheit Raubbau zu treiben; seine Gesundheit darf ihm nicht abgekauft werden. Durch einen bleibenden Schaden an der Gesundheit wäre nicht nur der einzelne Arbeitnehmer betroffen, sondern auch die Allgemeinheit, die bei vorzeitiger dauernder Erwerbsunfähigkeit den Arbeitnehmer und dessen Familie sozialversicherungsrechtlich abdecken muß (Fenn-Bepler aaO 226 f). Dies zeigt der vorliegende Fall sehr deutlich. Der Kläger verzichtete zugunsten einer Fahrt nach Göppingen auf die Behandlung seiner Sehnenverletzung am Arm, die eine Ruhigstellung durch einen Gipsverband erfordert hätte. Während der Fahrt platzten die Nähte der Wunde. Abgesehen von den unmittelbaren Folgen für die Verkehrssicherheit hätte die nur provisorisch behandelte Verletzung auch zu einem schweren gesundheitlichen Risiko führen können. Dem gegenüber stand lediglich das subjektive Interesse der Beklagten, sich die Arbeitskraft ihrer Arbeitnehmer möglichst uneingeschränkt zu sichern, um die vorliegenden Aufträge vor der ohnehin geplanten Stillegung des Betriebs noch erledigen zu können. Das Interesse des Arbeitgebers, Mißbräuche bei Krankmeldungen vorzubeugen, vermag eine Vertragsgestaltung der vorliegenden Art nicht zu rechtfertigen. Diese würde den unverschuldet Kranken ebenso benachteiligen wie den Simulanten; sie würde sogar Fälle erfassen, bei denen ein Mißbrauch nicht zu befürchten ist, weil die zugrundeliegende Krankheit oder etwa eine Schwangerschaft kein Simulieren zuläßt.
Die der Vereinbarung einer freiwilligen zusätzlichen Abfertigung beigesetzte Anwesenheitsbedingung ist daher, weil durch sie zwingende (§ 6 EFZG), dem Schutz der Arbeitnehmer dienende Normen umgangen werden, im gesamten vom Zweck der Entgeltfortzahlungsvorschriften betroffenen Teil (vgl. Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht I3 108) nichtig (B. Schwarz aaO 256 ff, 258; Cerny EFZG2 74; Arb. 9.579; Fenn-Bepler aaO 233 f; Schaub, Arbeitsrechthandbuch6 427 ff insbesondere 429 f; NJW 1979, 2119; NJW 1982, 2789). Dem Kläger steht die von ihm geltend gemachte zusätzliche Abfertigung zu. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.
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