Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 367.294,12 samt 11 % Zinsen und 6 % Verzugszinsen ab 1. Jänner 1986 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen, wobei die Exekution hinsichtlich der zweit- bis fünftbeklagten Parteien auf die verpfändete Liegenschaft EZ 168 II KG Hochfilzen Gerichtsbezirk Kitzbühel beschränkt sei, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 138.510,43 (darin S 11.648,23 Umsatzsteuer und S 10.380 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
In der Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde vom 16. April 1974 verpflichteten sich die Darlehensschuldner, die Erstbeklagte und ihr inzwischen (am 18. Juni 1979) verstorbener Ehegatte Alfred W***, ein ihnen zu gewährendes Darlehen von S 650.000 vom Tag der Zuzählung an mit dem jeweils vom Darlehensgeber, der klagenden Partei, festgesetzten Zinsfuß, derzeit 8,5 % pro Jahr, zu verzinsen und darüber hinaus alle mit dem Darlehen und der Kontoführung zusammenhängenden Provisionen und Spesen nach Vorschreibung zu ersetzen. Als Zinsenfälligkeiten wurden die Quartalsenden 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember eines jeden Jahres (Verrechnung im nachhinein) festgelegt. Weiters wurde vereinbart, daß das Kapital dem Darlehensgeber ohne jeden Abzug bis längstens 31. Oktober 1979 zur Gänze zurückzuzahlen war; zwischenzeitlich waren Teilzahlungen von S 108.000 jeweils am 31. Oktober jeden Jahres, erstmals am 31. Oktober 1974, und die Restrate mit S 110.000 zu leisten. Für den Fall nicht rechtzeitiger Bezahlung des Kapitals, der Zinsen oder der sonstigen in der Urkunde festgelegten Nebengebühren wurden Verzugs- und Zinseszinsen in der vom Darlehensgeber jeweils festgesetzten Höhe, derzeit 8,5 % pro Jahr, vereinbart. Die Schuldner erklärten sich damit einverstanden, daß sämtliche Zahlungen zunächst auf die fälligen Zinsen und sonstigen Nebengebühren und erst dann auf das Kapital verrechnet werden. Zur Sicherstellung des Darlehens samt Zinsen, Verzugs- und Zinseszinsen sowie einer Nebengebührenkaution von S 195.000 wurde u.a. ob der Liegenschaft EZ 168 II KG Hochfilzen ein Pfandrecht zugunsten der klagenden Partei einverleibt.
In der Folge wurden den Darlehensnehmern laufend Kontoauszüge übermittelt, die den jeweiligen Saldo auswiesen. Dabei wurden die Darlehensnehmer auch von den jeweiligen Änderungen der Zinssätze informiert. Einwendungen haben sie nicht erhoben. Sie hielten jedoch in der Folge die Tilgungsvereinbarung nicht ein, weshalb die klagende Partei das Darlehen zum 6. Dezember 1978 zur Gänze zur Zahlung fällig stellte. Dabei gab sie den Darlehensnehmern mit Schreiben vom 4. Dezember 1978 den Sollsaldo per 5. Dezember 1978 mit S 894.618,50 bekannt, verrechnete Zinsen vom 1. Oktober 1978 bis 6. Dezember 1978 von S 16.251,50, Verzugszinsen vom 1. Jänner 1975 bis 6. Dezember 1978 von S 161.961, und Wechselspesen von S 1.341. Über den Gesamtbetrag von S 1,074.172 brachte sie am 13. Dezember 1978 beim Landesgericht Innsbruck die Wechselklage mit dem Antrag auf Erlassung eines Zahlungsauftrages ein. Der Wechselzahlungsauftrag wurde am 14. Dezember 1978 erlassen und erwuchs in Rechtskraft.
Die Erstbeklagte erwarb im Erbweg nach Alfred W*** ein weiteres Sechstel der Liegenschaft EZ 168 II KG Hochfilzen, sodaß sie nunmehr zu zwei Dritteln Miteigentümerin der Liegenschaft ist. Die übrigen Beklagten, die Kinder der Erstbeklagten und ihres verstorbenen Ehegatten, erwarben im Erbweg nach letzterem je ein Zwölftel dieser Liegenschaft.
Zur Verhinderung der für 6. Februar 1981 anberaumten Zwangsversteigerung kam es am 4. Februar 1981 in den Räumen der klagenden Partei zu einer Besprechung, bei der auf Seiten der Beklagten die Erstbeklagte, der Zweitbeklagte und der Beklagtenvertreter anwesend waren. Dabei wurde von den Beklagten angeboten, aus Grundverkäufen Beträge von insgesamt S 559.400 binnen einem Monat bei der klagenden Partei zu erlegen. Außerdem zedierte die Erstbeklagte ihren Anspruch gegen die Versicherung aus dem tödlichen Unfall ihres Ehegatten - im erwarteten Betrag von rund S 630.000 - an die klagende Partei. Es wurde vereinbart, daß sämtliche Zahlungen zunächst auf Kosten und Zinsen und erst dann auf das Kapital zu verrechnen seien. Die verbleibende Restschuld sollte weiterhin durch Hypotheken auf das Wohnhaus besichert bleiben. Weiters sollten Rückzahlungen in Monatsraten von je S 10.000 erfolgen, wozu sich der Zweitbeklagte ausdrücklich verpflichtete. Die Beklagten ersuchten um einen "gewissen Nachlaß" der Verzugszinsen, die klagende Partei gab aber keine derartige Zusage. Während die zugesagten Zahlungen aus den Grundverkäufen in der Höhe von S 559.400 von den Beklagten im März und April 1981 geleistet und dem Darlehenskonto gutgebracht wurden, erfolgte zunächst keine Überweisung aus der zedierten Versicherungssumme, weil die Abfindungserklärung nicht unterzeichnet worden war. Mit der vorliegenden Klage vom 27. November 1984 begehrte die klagende Partei die Zahlung von rückständigen Zinsen, Verzugszinsen und Kontoführungsspesen für die Zeit vom 14. November 1981 bis 13. November 1984 im Betrag von S 297.998,47 samt 11 % Zinsen und 6 % Verzugszinsen seit 14. November 1984. Sie dehnte dieses Begehren mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1986, vorgetragen in der Tagsatzung vom 3. November 1986, für Zinsen, Zinseszinsen und Kontoabschlußspesen für die Zeit bis 31. Dezember 1985 aus - sie errechnete hiefür S 69.295,65 - und begehrte daher zuletzt den Betrag von S 367.294,12 samt 11 % Zinsen und 6 % Verzugszinsen seit 1. Jänner 1986, wobei die Exekution hinsichtlich der zweit- bis fünftbeklagten Parteien auf die verpfändete Liegenschaft EZ 168 II KG Hochfilzen beschränkt sei. Dazu brachte sie vor, daß zwar das Darlehenskapital von S 650.000 zwischenzeitlich getilgt sei, an Zinsen und Kosten jedoch noch der Klagebetrag aushafte. Auf Grund der Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde im Zusammenhalt mit den AGBKr seien auch von den Nebengebühren, zu denen auch die Kosten gehörten, Verzugs- und Zinseszinsen zu bezahlen. Die geltend gemachten Beträge seien keineswegs überhöht, sondern branchenüblich.
Im übrigen sei den Beklagten laufend der Saldo mitgeteilt worden; dagegen seien keine Einwände erhoben worden. Außerdem sei am 4. Februar 1981 vereinbart worden, daß alle Zahlungen vorerst auf Kosten und Zinsen und erst nach deren Abdeckung auf das Kapital anzurechnen seien.
Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens und wendeten ein, daß die gesamte berechtigte Forderung der klagenden Partei einschließlich der Nebengebühren bereits abgedeckt worden sei. Da außerdem das Darlehenskapital getilgt und die Nebengebührenkaution lediglich auf S 195.000 bestellt worden sei, die Gesamtzahlungen aber wesentlich höher lägen, sei die Exekution auf die verpfändete Liegenschaft nicht mehr möglich. Im übrigen sei die Bestimmung der Darlehens- und Pfandbestellungsurkunde, nach der die klagende Partei einseitig den Zinsfuß bestimmen könne, sittenwidrig. Das Begehren der klagenden Partei verstoße außerdem gegen das Verbot des "ultra alterum tantum". Die mehr als drei Jahre zurückliegenden Forderungen seien überdies verjährt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:
Im vorliegenden Fall sei eine kontokorrentmäßige Verrechnung erfolgt. Dabei gebe es keine Möglichkeit, Kosten aus der Verrechnung herauszunehmen und nicht zu verzinsen. Branchenüblich würden daher alle mit dem Darlehen im Zusammenhang stehenden Kosten, auch Anwalts- und Gerichtskosten, dem Kunden angelastet und auch normal verzinst, weil eine andere Abwicklung technisch nur sehr schwer möglich wäre. Die von der klagenden Partei den Beklagten verrechneten (in der Zeit ab 1. März 1974 bis 1. Juli 1983 zwischen 8,5 % bis höchstens 13% und zuletzt 11 % betragenden) Zinssätze seien jeweils marktgerecht angehoben worden. Bei Vergleich mit Platzbanken lägen die Zinssatzänderungen der klagenden Partei im Mittelfeld. Die klagende Partei habe nicht nur Zinssatzanhebungen, sondern auch Zinssatzsenkungen marktgerecht und rechtzeitig durchgeführt. An Verzugszinsen habe sie in der Zeit vom 1. Jänner 1975 bis 6. Dezember 1978 9,75 % bis 10,5 % berechnet. Dieser Ansatz sei nicht als bankenüblich zu bezeichnen, da maßgebliche Platzbanken in dieser Zeit Verzugszinsen zwischen 3 und 6 % berechnet hätten. In der Zeit zwischen 7. Dezember 1978 und 31. Dezember 1980 habe die klagende Partei jedoch überhaupt keine Verzugszinsen berechnet. Dadurch ergebe sich ein tatsächlicher Verzugszinsensatz (für die gesamte Zeit) von rund 5 %, der wieder branchenüblich gewesen sei. Bei kontokorrentmäßiger Verzinsung, wie dies im vorliegenden Fall geschehen sei, würden die quartalsmäßigen Zinsen errechnet, dem Kapital zugeschlagen und das um die Zinsen erhöhte Kapital neuerlich verzinst. Darüber hinaus würden für den jeweiligen Zahlungsrückstand Verzugszinsen berechnet. Die Verzugszinsen würden wie die Zinsen vierteljährlich kapitalisiert und ebenfalls dem Kapital zugeschlagen. Somit habe sich jeweils am Quartalsbeginn der Rückstand um die im vorhergehenden Quartalszeitraum angefallenen Zinsen, Verzugszinsen und fällig gewordenen Kapitalsanteile vermehrt. Die Vereinbarung von Verzugs- und Zinseszinsen nebeneinander sei nicht unüblich, sondern bei kontokorrentmäßiger Verzinsung sogar zwangsläufig. Bei dieser Verrechnung überstiegen auch, falls über längere Zeit - wie hier - fast keine Zahlungen geleistet würden, die Zinsen einschließlich Überziehungszinsen regelmäßig das Kapital. Der von der klagenden Partei per 31. Dezember 1985 geltend gemachte Saldo von S 367.294,12 zu Lasten der Beklagten habe sich unter Berücksichtigung aller von den Beklagten geleisteten Zahlungen ergeben.
In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes verneinte das Erstgericht den von den Beklagten behaupteten Einwand der Sittenwidrigkeit bzw. wucherischen Vorgehens im Hinblick auf die Branchenüblichkeit der vorgenommenen Verzinsung. Das Verbot des "ultra alterum tantum" komme nicht zur Anwendung, weil bei kontokorrentmäßiger Verrechnung die Zinsen einschließlich Überziehungszinsen regelmäßig das Kapital überstiegen. Wegen der vereinbarten kontokorrentmäßigen Abrechnung sei die klagende Partei auch im Sinne der Vertragsbestimmungen berechtigt, die angelaufenen Rechtsgebühren dem Darlehenskonto anzulasten und dort zusammen mit der Darlehensforderung zu verzinsen. Die Verjährungseinwendung gehe schon im Hinblick auf das Anerkenntnis vom 4. Februar 1981 fehl. Über Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß die Exekution hinsichtlich der zweit- bis fünftbeklagten Parteien auf die Liegenschaft EZ 168 II KG Hochfilzen im Umfang des dort unter COZ 18 einverleibten Pfandrechtes von S 650.000 samt 8,5 % Zinsen, 8,5 % Verzugs- und Zinseszinsen und einer Nebengebührenkaution von S 195.000 eingeschränkt sei. Das Gericht zweiter Instanz billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, das zwischen den Parteien (des Darlehens- und Pfandbestellungsvertrages) vereinbarte Kontokorrentverhältnis berechtige die klagende Partei zu der als bankenüblich befundenen Ab- und Verrechnungsweise. Soweit die klagende Partei überhöhte Verzugszinsen geltend gemacht habe, seien die Beklagten nicht nur auf den darauffolgenden Zeitraum, in dem überhaupt keine Verzugszinsen verrechnet seien, sondern auch auf die Anerkennungswirkung durch die unbeanstandete Annahme der jeweiligen Rechnungsabschlüsse zu verweisen. Sittenwidrigkeit oder Kreditwucher, wie die Beklagten behaupteten, liege jedenfalls nicht vor. Das Verbot des "ultra alterum tantum" komme gemäß Art. 8 Nr. 7 EVHGB wegen des zumindest auf der Klagsseite vorliegenden Handelsgeschäftes nicht zum Tragen. Die Verjährungseinwendung der Beklagten sei vom Erstgericht zutreffend abgelehnt worden, weil die Verjährung während der Verrechnungsperiode gehemmt sei, solange die Bindung durch das Kontokorrent dauere. Die Einwendung der Beklagten, durch die Beantragung und Erwirkung des Wechselzahlungsauftrages sei eine Novation der Darlehensforderung eingetreten, versage deshalb, weil es an der Nämlichkeit des Anspruches fehle, wenn einerseits ein Wechselzahlungsauftrag erwirkt, andererseits eine Hypothekarklage eingebracht werde.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes von den Beklagten erhobene Revision ist berechtigt.
In der Klage hat die klagende Partei ausdrücklich und mit der vorgelegten Aufgliederung des Schuldsaldos übereinstimmend vorgebracht, daß das Darlehenskapital von S 650.000 getilgt sei. Sie begehrte demgemäß auch immer nur Zinsen, Verzugszinsen und Kontoabschlußspesen, zuletzt solche, die bis zum 31. Dezember 1985 verrechnet waren, sowie weitere Zinsen und Verzugszinsen aus dem errechneten Betrag seit 1. Jänner 1986. Die Vorinstanzen nahmen an, es sei eine kontokorrentmäßige Verrechnung des von der klagenden Partei gewährten Kredites vereinbart worden. Der zwischen den Darlehensnehmern und der klagenden Partei abgeschlossene Vertrag bietet jedoch für eine solche Annahme keinen Anhaltspunkt. Ein Kontokorrent setzt aber eine entsprechende Parteienvereinbarung voraus, die die Vereinbarung des In-Rechnung-Stellens, einer in regelmäßigen Zeitabständen erfolgenden Verrechnung und der Begründung einer rechtlich selbständigen Saldoforderung beinhaltet (Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 7 zu § 355 mwN). Die klagende Partei nahm auch selbst nicht eine Kapitalisierung der in einer Abrechnungsperiode entstandenen Zinsen und Nebenforderungen vor, sondern verrechnete die Zinsen getrennt; sie macht auch nicht Kapital, sondern ausdrücklich nur Zinsen geltend. Sowohl in der Krediturkunde als auch in der Zusatzvereinbarung vom 4. Februar 1981 wurde aber ausdrücklich und der Zweifelsregelung des § 1416 ABGB entsprechend vereinbart, daß die Anrechnung von Zahlungen zuerst auf Zinsen und Nebengebühren (Kosten) und erst nach deren Abdeckung auf das Kapital stattzufinden hat. Wenn nun aber das Kapital bereits getilgt ist, ist nicht zu erkennen, woraus die klagende Partei noch Forderungen gegen die Beklagten ableiten will. Jedenfalls beträgt die Forderung der klagenden Partei - etwas anderes behauptet sie selbst nicht - weniger als S 650.000. Wenn die Beklagten überhaupt noch etwas schulden, so jedenfalls nur mehr Kapital und Zinsen aus diesem seit der letzten Zahlung. Ihr ganz anders lautendes Vorbringen ist damit nicht schlüssig.
In Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist daher das Klagebegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Nicht entrichtete Barauslagen (Sachverständigengebühren) können nicht zuerkannt werden. Für den Revisionsschriftsatz gebührt (noch) keine Pauschalgebühr (im verzeichneten Betrag von S 10.000), sondern Barauslagenersatz von S 1.920.
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