OGH 8Ob567/88

OGH8Ob567/8827.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr. Benno D***-D***, 2) Ellna MAJ-S***, 3) Dr. Gerhard

D***, 4) Egon D***-D***, 5) Martin H***, und 6) Dr. Thomas H***, sämtliche Miteigentümer des Hauses 9020 Klagenfurt, Wiesbadener Straße 3, alle vertreten durch die Hausverwalterin Edith D***-D***, 9020 Klagenfurt, Wiesbadener Straße 3, diese vertreten durch Dr. Gert Paulsen und Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Karl P***, Kaufmann i.R., 9020 Klagenfurt, Linsengasse 99, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufkündigung (Streitwert 35.640 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 11. Jänner 1988, GZ 1 R 625/87-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14. August 1987, GZ 7 C 335/86-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 3.678,68 S (einschließlich 334,43 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien sind die Miteigentümer der Liegenschaft Kärntner Landtafel EZ 261 KG Klagenfurt mit dem Haus in der Wiesbadener Straße Nr. 3.

Der Beklagte ist seit 1925 Mieter des im Parterre dieses Hauses vom Hauseingang links gelegenen Geschäftslokals. Er betrieb dort von 1960 bis 1982 ein Einzelhandelsunternehmen mit Südfrüchten, Obst und Gemüse sowie mit Gemischtwaren aller Art. Im Jahr 1970 ging der Beklagte infolge Erreichens der Altersgrenze in Pension. Er führte aber das Geschäft weiter wie zuvor. Nur die gewerberechtliche Betriebsbewilligung wurde auf seinen Sohn Dr. Karl P***, Magistratsangestellter in Klagenfurt, übertragen. Dieser wurde auch nach außen als Geschäftsinhaber ausgegeben. Der Beklagte bezahlte aber weiterhin sämtliche Abgaben und Steuern, die seinem Sohn Dr. Karl P*** als formellem Geschäftsinhaber vorgeschrieben wurden, und führte das Geschäft eigenverantwortlich weiter. Ein Übergabe- oder Pachtvertrag wurde zwischen dem Beklagten und seinem Sohn nie abgeschlossen.

Am 9. Juli 1982 schloß Gerlinde P*** mit Dr. Karl P*** und dem Beklagten vor dem öffentlichen Notar in St. Paul im Lavanttal Dr. Hermann E*** einen Vertrag, wonach Dr. Karl P*** ihr das im Geschäftslokal betriebene Unternehmen verpachtete und der Beklagte der Pächterin die Nutzung seiner Bestandrechte am Geschäftslokal überließ. Bei der Vertragsgestaltung wurde davon ausgegangen, daß Dr. Karl P*** Eigentümer des Unternehmens und der Beklagte der Mieter der Geschäftsräumlichkeiten sei, also ein "gespaltenes Mietverhältnis" vorliege.

Der wesentliche Teil des Vertrages lautet:

"Der seinerzeitige Eigentümer des Unternehmens, Albert Karl P*** (der Beklagte), tritt diesem Rechtsgeschäft mit der Erklärung bei, seine Bestandrechte, die er bisher seinem Sohn Dr. Karl P*** im Rahmen der Übertragung seines Unternehmens überlassen hat, mit dem Beginn des hiemit begründeten Pachtverhältnisses der Pächterin zu überlassen, und stimmt hiemit unwiderruflich zu, daß die pachtweise gewerberechtliche Tätigkeit von der Pächterin in den von ihm gemieteten Geschäftsräumlichkeiten im Haus Wiesbadener Straße 3, 9020 Klagenfurt, Erdgeschoß, ausgeübt werden kann."

Gerlinde P*** übernahm am 1. September 1982 die Geschäftsräumlichkeiten sowie das Warenlager und führte das Unternehmen seither in der gleichen Geschäftssparte ohne Unterbrechung auf Grund eigener Gewerbeberechtigung weiter. Sie bezahlte einen monatlichen Pachtschilling in Höhe von 2 % des Umsatzes und Umsatzsteuer, also (im Urteilszeitpunkt erster Instanz) etwa 8.000 S pro Monat, ausschließlich an den Beklagten. Dieser bezahlte zuletzt etwa 2.970 S an Miete und Betriebskosten für das Geschäftslokal an die Kläger. Am 6. September 1982 teilte der Beklagte der von den Klägern bestellten Verwalterin der Liegenschaft mit, daß er sein Unternehmen verpachtet habe. Dem Wunsch der Kläger auf Einsicht in den Pachtvertrag wurde weder vom Beklagten noch von den anderen Vertragspartnern des Vertrages vom 9. Juli 1982 entsprochen.

Mit der vorliegenden Klage kündigten die Kläger dem Beklagten aus dem - im Revisionsverfahren allein

interessierenden - Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG auf, weil er selbst den Mietgegenstand an eine dritte Person weitergegeben habe und das Geschäftslokal nicht mehr benütze. Der Beklagte beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und wendete ein, der angezogene Kündigungsgrund liege nicht vor, die Kläger hätten vielmehr in voller Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse von ihm weiterhin unbeanstandet den Mietzins angenommen. Im übrigen werde das verpachtete Unternehmen in gleicher Weise fortgeführt, wie es von ihm seit dem Jahr 1960 geführt worden sei.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung des Mietgegenstandes. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Beklagte habe sich in dem - nicht näher definierten - Vertrag mit seinem Sohn des Unternehmens begeben und in Form eines gespaltenen Mietverhältnisses lediglich die Stellung als Mieter der Geschäftslokalitäten beibehalten. Mit dem Pachtvertrag vom 9. Juli 1982, in welchem sein Sohn das Unternehmen an Gerlinde P*** verpachtet und er dieser im Rahmen des Pachtvertrages seine Bestandrechte überlassen habe, hätte sich der Beklagte des Mietgegenstandes im Sinne der angezogenen Kündigungsbestimmung gänzlich begeben.

Infolge Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes derart ab, daß es die Aufkündigung aufhob. Es äußerte - ohne Wiederholung oder Ergänzung des erstgerichtlichen Beweisverfahrens - die Ansicht, daß der Beklagte bis zum Unternehmenspachtvertrag vom 9. Juli 1982 Inhaber des Unternehmens geblieben sei, so daß er und - im Gegensatz zur Annahme des Erstgerichtes - nicht sein Sohn der wahre Vertragspartner der Unternehmenspächterin sei. Damit liege aber der Kündigungsgrund der Weitergabe des Mietgegenstandes nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Berufungsurteil von den Klägern erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Es ist für das Ergebnis der richtigen rechtlichen Beurteilung der Streitsache bedeutungslos, ob - wie das Erstgericht in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Beurkundung des Pachtvertrages vom 9. Juli 1982 (Beilage 1) und der Zeugenaussage der Pächterin Gerlinde P*** (S 57 f) annahm - Dr. Karl P*** oder - wie das Berufungsgericht im Widerspruch dazu ohne Beweiswiederholung und ohne Behandlung der Beweisrüge als erwiesen ansah - der Beklagte das in dem aufgekündigten Geschäftslokal betriebene Einzelhandelsunternehmen an Frau Gerlinde P*** verpachtet hat, denn es ist weder in dem einen noch in dem anderen Fall der von der Klägerin in Anspruch genommene Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4

1. Fall MRG gegeben: Frau Gerlinde P*** führt nämlich, wie unbestritten ist, mit Willen des Beklagten und seines Sohnes Dr. Karl P*** das in dem aufgekündigten Geschäftslokal etablierte Unternehmen als Pächterin unverändert so fort, wie es vorher vom Beklagten selbst und/oder seinem Sohn Dr. Karl P*** geführt worden war, so daß sie jedenfalls mit Willen des beklagten Mieters des Geschäftslokales die unverändert in seiner Rechtszuständigkeit stehenden Mietrechte als Pächterin des Unternehmens, mit dem diese Mietrechte verbunden sind, ausübt. Ein derart "gespaltenes" Mietrechtsverhältnis ist bei Unternehmensverpachtung auch im Geltungsbereich des MRG zulässig. Die Überlassung des Mietgegenstandes im Rahmen der Unternehmensverpachtung, selbst wenn diese Verpachtung durch den Unternehmenserwerber erfolgt, der selbst nur die Ausübung der Mietrechte vom Mieter des Geschäftslokals als Veräußerer des Unternehmens herleitete, ist keine Weitergabe des Mietgegenstandes im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 1. Fall MRG. Die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist daher zu bestätigen.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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