OGH 3Ob513/88

OGH3Ob513/8819.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef F***, Beamter, und 2. Hedwig F***, im Haushalt, beide St. Peter, Hauptstraße 35 b/III/7, 8042 Graz und vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster u. a., Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Angela L***, Geschäftsfrau, Hans Brandstätter Gasse 37, 8010 Graz, vertreten durch Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwalt in Graz, und den ihr beigetretenen Nebenintervenienten Josef L***, Pensionist, Franz Steiner Gasse 15, 8020 Graz, wegen Feststellung eines Rechtsverhältnisses (Streitwert 301.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9. Dezember 1987, GZ 3 R 331/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 28. September 1987, GZ 24 C 1207/86-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 12.381,19 S (darin 1.125,56 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden Kläger erwarben im Jahr 1971 von der Trafikantin Anna R*** je zur Hälfte deren Viertelanteil der Liegenschaft EZ 1165 KG 63102 St. Leonhard mit dem Haus Riesstraße 16 in Graz. Auf der Liegenschaft befindet sich ein Trafik-Kiosk mit einem Verkaufslokal mit 9,5 m2 Nutzfläche, einem Lagerraum mit 8 m2 und einem Kellerraum mit 6 m2. Auf Grund einer Vereinbarung der Teilhaber der gemeinschaftlichen Liegenschaft konnte die Verkäuferin Anna R*** über diese Geschäftsräumlichkeiten verfügen. Sie betrieb dort seit dem Jahr 1955 eine Tabaktrafik. Das Benützungsrecht steht nun den Klägern auf Grund ihres Miteigentums an der Liegenschaft mit je einem Achteilanteil zu.

Es ist nicht strittig, daß zwischen den Klägern als Bestandgebern und der Beklagten, der Schwester des Erstklägers, ein Bestandverhältnis an dem Kiosk aufrecht ist. Uneins sind sie, ob es sich um Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht handelt. Die Kläger erhoben daher die auf Feststellung gerichtete Klage, daß das an dem Geschäftslokal bestehende Rechtsverhältnis ein Pachtvertrag sei. Sie hätten 1971 nicht nur den ideellen Anteil der Verkäuferin, sondern auch deren Unternehmen gekauft und dieses an den Ehemann der Beklagten verpachtet. Diese sei in das Pachtverhältnis eingetreten und behaupte jetzt, es liege ein den Kündigungsbeschränkungen unterworfenes Mietverhältnis vor. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Kläger seien nie Eigentümer des Trafikunternehmens geworden, weil es ihnen an den Voraussetzungen fehlte. Schon 1972 sei der Ehemann der Beklagten (und Nebenintervenient) Josef L*** zum Trafikanten bestellt worden. Er habe stets Mietzins bezahlt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest:

Die Kläger hatten zur Zeit des Erwerbes keine Berechtigung zum Betrieb einer Tabaktrafik. Der Erstkläger vereinbarte mit dem Nebenintervenienten, er werde in dessen Namen bei der Monopolverwaltung um eine "Konzession" ansuchen. Der Erstkläger erledigte die erforderlichen Schritte. Dem Nebenintervenienten wurde die Berechtigung zum Betrieb der Tabaktrafik erteilt, das Unternehmen aber wie ein Familienbetrieb geführt. Die Leitung lag bei den Klägern, der Nebenintervenient war der "Konzessionsträger", der dafür von den Klägern als Naturalleistung den freien Bezug von Tabakwaren im Wert von 3.000 S im Monat eingeräumt bekam. Seit 1972 beschäftigten die Kläger im Geschäft noch den Bruder des Erstklägers und der Beklagten Franz F***.

Da der Erstkläger 1973 für einige Zeit als Bundesheeroffizier in Zypern Dienst versah, übertrugen die Kläger dem Nebenintervenienten die Weiterführung der Tabaktrafik, übergaben ihm das vorhandene Warenlager und die Einrichtungsgegenstände, den Kundenstock und das Beschäftigungsverhältnis mit Franz F*** und vereinbarten, daß die Führung der Tabaktrafik von nun an der Nebenintervenient allein übernehme, ihm der Ertrag zustehe und er dafür den Klägern monatlich einen bestimmten Betrag leiste. Ab 1980 übertrug der Bestandzins 5.000 S im Monat.

Der Nebenintervenient legte 1986 seine Berechtigung bei der Monopolverwaltung zugunsten der Beklagten - seiner Ehefrau - zurück, worauf die Monopolverwaltung mit der Beklagten mit Wirkung vom 1. Oktober 1986 einen Bestellungsvertrag schloß. Seither führt die Beklagte mit Einverständnis der Kläger das Unternehmen Tabaktrafik. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht das Bestandverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten als Pacht. Es komme auf die Umstände des Einzelfalles an, wenn Geschäftsraummiete von Unternehmenspacht zu unterscheiden sei. Die Beteiligten hätten die Begriffe "Miete" und "Pacht" uneinheitlich und widersprüchlich gebraucht und vermengt. Dies sei erklärlich, weil die Führung der Tabaktrafik und deren Übertragung im engsten Familienkreis erfolgten. Die Beklagte sei in den Bestandvertrag ihres Ehemannes an dem lebenden Unternehmen eingetreten. Die Tabaktrafik werde an diesem Standort schon seit 1955 betrieben, es sei ein im wesentlichen gleichbleibender Kundenkreis vorhanden und die Kläger hätten 1973 an den Nebenintervenienten die Tabaktrafik mit dem Kundenstock, dem Warenlager und der Einrichtung gegen einen Bestandzins übergeben und sich die Weiterführung des Unternehmens ausbedungen. Daß sie selbst nicht die Berechtigung zum Betrieb hatten, sei ohne Bedeutung. Die Kläger hätten den Bestandnehmern alles beigestellt, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und seines wirtschaftlichen Fortbestandes gehöre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es legte seiner Entscheidung die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zugrunde und trat auch dessen Rechtsmeinung bei. Unternehmenspacht liege vor, wenn Bestandgegenstand ein lebendes Unternehmen sei, dem Bestandnehmer also nicht bloß ein Raum, sondern auch das beigestellt werde, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und zu dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehöre, also etwa Betriebsmittel, Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Für Pacht spreche ein umsatzabhängiger Bestandzins und die Übernahme von Beschäftigten. Wenn aber das lebende Unternehmen als wirtschaftliche Einheit fortbestehe, könnten einzelne der für Pacht sprechenden Merkmale fehlen. Die von den Parteien gewählte Bezeichnung ihres Bestandverhältnisses sei ohne Bedeutung und ebenso ein Umbau der Geschäftsräumlichkeit durch den Bestandnehmer oder die Erneuerung der Geschäftseinrichtung. Die Ablöse des Warenlagers spreche nicht gegen Pacht und es lasse sich auch aus einer als "Mietzinsvorauszahlung" geleisteten Zahlung von Bestandzins für die Zukunft zur Abgrenzung von Pacht und Miete nichts gewinnen. Daß die Kläger ihr Unternehmen dem Nebenintervenienten veräußert oder geschenkt hätten, sei von der Beklagten gar nicht behauptet worden. Die zwischen den Klägern und dem Nebenintervenienten 1973 getroffene Vereinbarung enthalte wesentliche Merkmale eines Pachtvertrages. Der Nebenintervenient habe von den Klägern die Tabaktrafik als organisierte Erwerbsgelegenheit samt Warenlager und Inventar mit der Verpflichtung zur Weiterführung gegen Zinszahlung erhalten und auch den Kundenstock und den dort beschäftigten Franz F*** übernommen. Die Tatsache, daß das Unternehmen bis dahin wie ein Familienbetrieb geführt wurde, schließe die Verpachtung nicht aus. Von bloßer Geschäftsraummiete könne hier nicht gesprochen werden. Daß den Klägern die Verschleißberechtigung fehlte, hindere die Unternehmensverpachtung nicht, weil es sich offenbar um eine selbständige Tabaktrafik nach § 15 Abs. 2 TabMG handle, deren Verkehrsfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Bloße Geschäftsraummiete liege auch nicht deshalb vor, weil das Vertragsverhältnis langfristig sei, keine Vereinbarung für den Fall seiner Auflösung getroffen wurde und ein ertragsunanhängiger Bestandzins zu leisten war. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei wegen der Bestreitung des Vertragsinhaltes durch die Beklagte und die Eignung der Klage, Klarheit über die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragsteilen zu schaffen, gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zulässige Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Der rechtlichen Beurteilung durch die Vorinstanzen wird beigetreten. Außer dem Bestandvertrag ähnlichen und gemischten Rechtsverhältnissen (Bittleihe, Leasing usw) wird ein Vertrag, wodurch jemand eine unverbrauchbare Sache auf Zeit gegen einen Preis (Bestandzins) zum Gebrauch überlassen wird (§ 1090 ABGB), als Mietvertrag, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen läßt, oder als Pachtvertrag bezeichnet, wenn sie nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann (§ 1091 ABGB). Die zur Abgrenzung dienlichen Merkmale eines Pachtvertrages haben die Vorinstanzen zutreffend angeführt (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1091). Die nur nach den Umständen des Einzelfalles mögliche Unterscheidung, der vor allem wegen der nur die Raummiete erfassenden Geltung mietrechtlicher Schutzgesetze Bedeutung zukommt, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Bei der Unternehmensverpachtung ist im allgemeinen die Betriebspflicht ein wichtiges Kriterium, wenn also der Bestandgeber ein wirtschaftliches Interesse am Bestehen und der Art des Betriebes besitzt (Würth in Rummel, aaO; Koziol-Welser8 I 341; SZ 16/208; EvBl. 1972/282; MietSlg. 37.126; MietSlg. 38.135 uva). Es spricht zwar für Unternehmenspacht, wenn der Zins von der Höhe des Umsatzes abhängt oder eine Gewerbeberechtigung mitverpachtet wird, doch schließt das Fehlen solcher Merkmale keineswegs Pacht aus. Auch der Pachtzins kann und wird häufig mit einem festen Betrag vereinbart, schon um die mit der Abrechnung und Überprüfung der Berechnungsgrundlagen verbundenen Erschwernisse zu vermeiden. Die Identität des verpachteten Unternehmens wird auch nicht dadurch berührt, daß der Bestandnehmer eine eigene Gewerbeberechtigung besitzt oder erwirbt (MietSlg. 18.149 ua) oder das Inventar ersetzt (MietSlg. 28.119; SZ 58/8). Die als sehr bedeutsam angesehene Betriebspflicht muß nicht einmal ausdrücklich vereinbart sein. Sie kann sich aus den Umständen ergeben (MietSlg. 17.132; SZ 58/8). Ein Bestandvertrag ist Pacht und nicht Miete, wenn der Bestandnehmer nicht bloß Räume, sondern ein darin vorhandenes lebendes Unternehmen als rechtliche Einheit mit der Verpflichtung zum ordentlichen Betrieb gegen Entgelt zum Gebrauche überlassen erhält, auch wenn er selbst eine eigene Berechtigung zum Betrieb des Unternehmens besitzt (MietSlg. 24.127; MietSlg. 25.112 ua).

Für die Beantwortung der Frage, ob Pacht oder Miete vorliegt, ist eine wirtschaftliche Betrachtung aller erhobenen Umstände des Einzelfalles geboten. Nach dem für eine abschließende Beurteilung ausreichend erhobenen Sachverhalt ist hier nicht zweifelhaft, daß zunächst die Kläger durch Kauf des ideellen Anteils der Voreigentümerin nicht nur dieses unbewegliche Vermögen, sondern das dort betriebene lebende Unternehmen der Tabaktrafik mit Warenbestand, Einrichtung und dem Kundenstock erworben haben, nachdem sie sich zuvor vergewissert hatten, daß durch die Einschaltung des Nebenintervenienten die nach dem TabMG erforderlichen Voraussetzungen für einen Bestellungsvertrag mit der Monopolverwaltung geschaffen werden können. Dieses in der Geschäftsräumlichkeit zunächst mit der Familie betriebene Unternehmen haben die Kläger sodann, als sich der Erstkläger ins Ausland begab, dem Nebenintervenienten zum Gebrauch gegen Zahlung eines Bestandzinses auf Zeit überlassen und zumindest schlüssig eine Betriebspflicht auferlegt, sollte doch nun der Nebenintervenient das ihm zum Gebrauch überlassene Unternehmen für die Dauer des Bestandverhältnisses weiterführen. In dieses Bestandverhältnis ist die Beklagte im Jahr 1986 in allseitigem Einverständnis eingetreten. An der Natur des Bestandvertrages änderte sich außer der Person der Bestandnehmerin nichts. Für die Beklagte gelten demnach weiter alle Grundsätze der Gebrauchsüberlassung durch die Kläger an den Nebenintervenienten. Zutreffend haben die Vorinstanzen auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, daß es auf die Bezeichnung durch die Parteien und daher auch nicht darauf ankommt, ob sie Miete und Pacht auseinanderhalten konnten oder unrichtige Begriffe gebrauchten (vgl. MietSlg. 25.113; MietSlg. 34.205; MietSlg. 37.126; MietSlg. 38.135 ua). Es bedeutet daher nichts, daß die Vertragsteile von "Mietzinszahlungen" sprachen, denn bei der unbestreitbaren Schwierigkeit der Abgrenzung von Miete und Pacht (Koziol-Welser aaO) kann aus dieser Wortwahl der Parteien für die Unterscheidung nichts gewonnen werden.

Auch die sonst in der Revision gegen die Einordnung des Bestandvertrages in den Unterfall der Pacht erhobenen Einwände sind nicht stichhältig. Wie die Kläger schon bei Erwerb des Unternehmens in der Person des Nebenintervenienten jemand fanden, der von der Monopolverwaltungsstelle zum Tabakverschleißer bestellt wurde, so konnten sie das Unternehmen an jeden verpachten oder veräußern, der sich diese Berechtigung zu verschaffen wußte. Es war daher naheliegend, im Jahr 1973 den Pachtvertrag mit dem Nebenintervenienten zu schließen, der mit dem Erstkläger verschwägert und damals schon im Besitz der erforderlichen Berechtigung war. Daß die Zweitklägerin sich nicht an der Betriebsführung beteiligt haben soll, ändert nichts. Einerseits war die Zeitspanne zwischen dem Unternehmenserwerb durch beide Kläger bis zum Zustandekommen des Bestandvertrages nicht allzu lang, andererseits erfordert die Verpachtung nicht eine Unternehmensführung durch den Eigentümer. Es kann auch ein Unternehmen immer wieder durch Verpachtung betrieben werden. Ebensowenig kann aus dem Fehlen einer Befristung der Bestandzeit auf Miete geschlossen werden. Gerade weil Pacht nicht den Kündigungsbeschränkungen nach dem MG bzw MRG unterworfen war, konnte auch auf unbestimmte Zeit verpachtet werden. Ein Interesse an einer Zeitpacht haben wohl Pächter und Verpächter, wenn sie dadurch eine vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses durch den anderen Teil ausschließen wollen, doch kann der Pachtvertrag auch auf unbestimmte Zeit geschlossen werden.

Wenn die Beklagte schließlich meint, die Übernahme des Kundenstockes und der Beschäftigten sei auch bei einem Unternehmenskauf üblich, verkennt sie, daß sie sich nie darauf berufen hat, die Kläger hätten ihr Tabaktrafik-Unternehmen dem Nebenintervenienten verkauft. In Frage steht nur die Abgrenzung in die Unterabteilungen des Bestandvertrages Pacht oder Miete, und diese ist bei ganzheitlicher Betrachtung dahin vorzunehmen, daß es sich hier um eine Unternehmensverpachtung und nicht um die bloße Gebrauchsüberlassung der Geschäftsräume handelt.

Die Voraussetzungen für die Klagsführung nach § 228 ZPO liegen vor (vgl. Fasching ZPR Rz 1093; MietSlg. 34.727; MietSlg. 36.762/48; MietSlg. 38.770 ua) und werden von der Revisionswerberin auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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