OGH 3Ob103/88

OGH3Ob103/8819.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Werner S***, Holzgroßhändler, St. Pölten, Josefstraße 17, vertreten durch Dr. Eduard Pranz ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die verpflichtete Partei Margareta S***, Pensionistin, St. Pölten, Josefstraße 17, vertreten durch Dr. Günther Pointner, Rechtsanwalt in Tulln, wegen Versteigerung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 20.April 1988, GZ R 239/88-19, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 7.März 1988, GZ 4 E 8396/87-14, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im vorliegenden Exekutionsverfahren sind die Liegenschaften EZ 1693 und 3075, Grundbuch St.Pölten, im Sinne des § 352 EO zu versteigern. Die betreibende Partei legte zunächst Versteigerungsbedingungen vor, nach welchen die Liegenschaft EZ 1693 bei einem Schätzwert von 3,644.000 S um das geringste Gebot von 2,700.000 S und die Liegenschaft EZ 3075 bei einem Schätzwert von 2,450.000 S um das geringste Gebot von 1,715.000 S ausgerufen werden solle. In der Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen am 8.Jänner 1988 sprach sich die verpflichtete Partei gegen die von der betreibenden Partei angeführten Schätzwerte aus. Einer sei zu niedrig, einer sei zu hoch. Hierauf einigten sich die Parteien dahin, daß der Schätzwert der Liegenschaft EZ 1693 mit 5 Mill. S und das geringste Gebot mit zwei Dritteln dieses Betrages festzusetzen ist. Für die Liegenschaft EZ 3075 konnte keine Einigung erzielt werden. Beide Parteien beantragten, diese Liegenschaft von einem Sachverständigen schätzen zu lassen.

Noch ehe die betreibende Partei den ihr aufgetragenen Kostenvorschuß erlegt hatte, beantragte sie, daß auch die Liegenschaft EZ 1693 geschätzt werden möge. Durch verschiedene Erkundigungen habe die betreibende Partei feststellen müssen, daß die Liegenschaft mit Sicherheit keinen Schätzwert von 5 Mill. S repräsentiere. Die verpflichtete Partei habe bisher auch die angekündigten Kaufanbote in dieser Höhe noch nicht vorgelegt. Sie habe den Schätzwert offensichtlich nur deshalb so hoch angesetzt, weil sie wisse, daß die betreibende Partei an einem Kauf interessiert sei, um so den Ablösebetrag möglichst hoch ansetzen zu können.

Das Erstgericht ordnete hierauf die Schätzung beider Liegenschaften an.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß nur die Schätzung der Liegenschaft EZ 3075 angeordnet werde, und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, die Einigung der Parteien in der Tagsatzung vom 8.Jänner 1988 sei nicht eine grundsätzlich widerrufbare prozessuale Erklärung der Parteien, sondern eine unwiderrufliche Erklärung mit materiellrechtlichem Charakter, sodaß die betreibende Partei an sie gebunden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Da die Versteigerungsbedingungen im vorliegenden Fall nicht schon im Exekutionstitel festgelegt wurden, sind sie im Exekutionsverfahren nach § 352 EO festzustellen. Wichtigster Punkt der Versteigerungsbedingungen ist die Bestimmung des Ausrufspreises. Wenn sich die Parteien über die Höhe des Ausrufspreises einigen, ist dieser in der vereinbarten Höhe festzusetzen. Andernfalls muß der Schätzwert ermittelt werden und der Ausrufspreis ist, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren, in der Höhe dieses Schätzwertes festzusetzen.

Selbst wenn man in den Erklärungen, die die Parteien im vorliegenden Verfahren zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen abgaben, im Sinne der Ausführungen im Revisionsrekurs bloße Prozeßerklärungen erblickte, entstand dadurch eine von der betreibenden Partei nicht mehr einseitig aufhebbare Bindung. Die für Prozeßhandlungen im Gegensatz zu Rechtsgeschäften des Privatrechtes in der Regel gegebene Widerrufbarkeit besteht nämlich nur, solange der Gegner daraus noch nicht unmittelbare Rechte erlangt hat (Fasching, Lehrbuch Rz 763). Letzteres ist aber bei einer Einigung über den Ausrufspreis der Fall. Der verpflichteten Partei entstand das Recht, daß zumindest einmal der Versuch unternommen wird, den der Einigung entsprechenden Mindestverkaufserlös zu erzielen.

Kommt es im Sinne der Befürchtungen der betreibenden Partei zu keinem Anbot, dann ist über einen neuen Ausrufspreis zu befinden, auf den sich die Bindung nicht mehr erstrecken würde. Die im Revisionsrekurs dargestellten Mutmaßungen der betreibenden Partei über die möglichen Motive der verpflichteten Partei sind belanglos. Eine Kostenentscheidung entfällt, weil iSd § 352 a EO im Revisionsrekurs keine Kosten verzeichnet wurden.

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