Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.171,85 (darin S 1.288,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Februar 1978 bis 4. Oktober 1978 und vom 1. Dezember 1981 bis 5. November 1986 als Vertreter für Teppichreinigungsgeräte beschäftigt. Es war seine Aufgabe, mit dem eigenen PKW potentielle Kunden in den Gemeinden Ebreichsdorf, Unterwaltersdorf, Schranawand, Weigelsdorf, Wampersdorf, Pottendorf, Siegersdorf, Landegg und Wimpassing aufzusuchen, die von der Beklagten vertriebenen Geräte zu verkaufen und den Kunden in der Folge entsprechende Serviceleistungen (Ersatzteile) anzubieten. Überdies hatte er als sogenannter Bezirksleiter noch die ihm unterstellten Gebietsleiter zu betreuen. Als vereinbartes Entgelt erhielt der Kläger eine Verkaufsprovision und einen Spesenvergütungsbetrag, der einer bestimmten Quote des Verkaufspreises entsprach, unabhängig davon, ob der Kläger eine weite oder kurze Strecke gefahren war oder die Kunden nur einmal oder mehrmals aufgesucht hatte.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 230.574,90 brutto sA an ausstehendem Entgelt für 1.570 Überstunden und 29 Feiertage sowie S 196.648,60 netto sA an restlichen Diäten und Kilometergeld. Er sei in den Jahren 1983 bis 1985 täglich mehr als 8 Stunden unterwegs gewesen und habe mit seinem PKW
104.331 Kilometer zurückgelegt. Die Beklagte habe die Reiseaufwandentschädigung nicht nach dem tatsächlichen Aufwand, sondern nach dem erbrachten Umsatz berechnet. Die getroffene Spesenvereinbarung sei sittenwidrig, da sie die tatsächlich aufgelaufenen Kosten nicht decke. Die Verrechnung von Kilometergeld und Diäten hätte vielmehr nach den einseitig zwingenden Bestimmungen des Kollektivvertrages der Handelsangestellten (kurz Kollektivvertrag) erfolgen müssen. Für auf Arbeitstage entfallende Feiertage sei keine Entgeltfortzahlung geleistet worden. Trotz der regelmäßigen Vorlage der Fahrtenblätter und Mahnungen habe die Beklagte die Ansprüche des Klägers nicht richtig abgerechnet. Der Kläger stellte weiters den Antrag auf Zwischenfeststellung, daß er, da er mehrere politische Gemeinden als Gebietsvertreter zu betreuen gehabt habe, für das Jahr 1986 in die Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrages einzustufen sei. Er habe für dieses Jahr noch einen Anspruch auf restliche Entlohnung. Auch seien ihm Vordienstzeiten nicht angerechnet worden.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Über die Verrechnung der Spesen sei eine nach dem Kollektivvertrag zulässige Vereinbarung über Spesenhöchstbeträge getroffen worden. Diese Spesenhöchstbeträge seien so kalkuliert, daß auch vergebliche Bemühungen des Klägers abgegolten worden seien. Überstunden seien nicht erforderlich gewesen und auch nicht erbracht worden. Überdies sei die Spesenforderung mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen und die Ansprüche auf Entgelt für Überstunden seien verjährt.
Der Kläger sei zu Recht in die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages eingestuft worden. Anrechenbare Vordienstzeiten habe er nicht gehabt.
Das Erstgericht gab dem Zwischenantrag auf Feststellung und dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 17.000,-- brutto sA statt.
Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Der Kläger, der seine Arbeitszeit frei einteilen konnte und an sich 40 Arbeitsstunden pro Woche zu erbringen hatte, übte seinen Beruf von seiner Wohnung aus aus; es bestand für ihn keine Notwendigkeit, aus dienstlichen Gründen außer Haus zu nächtigen. Es kam wiederholt vor, daß er einen bestimmten Kunden aufsuchen wollte, diesen aber nicht antraf, daraufhin zu anderen Kunden fuhr und wieder zu dem ersten Kunden zurückkehrte. Auf diese Weise befuhr er oft mehrmals täglich dieselbe Strecke.
Das verkaufspreisbezogene System der Spesenvergütung brachte es mit sich, daß er dann, wenn er in der Nähe seiner Wohnung ein Gerät verkaufte, einen über den tatsächlichen Auslagen liegenden Spesenersatz erhielt, während er für ergebnislose wiederholte Kundenbesuche keine Abgeltung seiner Auslagen bekam. Der Kläger übermittelte der Beklagten in Abständen von rund vier Wochen sogenannte Fahrtenblätter, in die er die gefahrenen Wegstrecken (Orts- und Kilometerangaben) sowie die dienstlich außer Haus verbrachten Zeiten eingetragen hatte. Der Kläger verbrachte aber in einer nicht näher feststellbaren Vielzahl der Fälle nicht die gesamte auf den Fahrtenblättern aufscheinende Zeit außer Haus. In den Fahrtenblättern waren vielmehr auch Zeiträume enthalten, in denen der Kläger zu Vorbereitungsverhandlungen bzw. Erledigungsarbeiten zu Hause blieb. Ferner ist darin nicht berücksichtigt, daß der Kläger Mittagspausen einhielt oder sich zum Essen oder Holen von Geräten zu Hause aufhielt. Nach Absicht der Beklagten sollten die Fahrtenblätter steuerlichen Zwecken dienen und nicht als Reiseabrechnung oder zur Geltendmachung von Überstunden. Der Kläger bezog für 1983 S 173.663,30 brutto, für 1984 S 189.546,49 brutto und für 1985 S 162.744,10 brutto an Provisionen (ausschließlich der Sonderzahlungen und der Entgeltfortzahlung für 29 Tage von S 17.000,-- brutto). Dazu erhielt er entsprechend der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung an richtig errechneten Spesen für 1983 S 100.552,--, für 1984 S 89.356,-- und für 1985 S 72.075,--.
Schon zu Beginn des Jahres 1983 begehrte der Kläger vom vorgesetzten Verkaufsleiter Überstundenentlohnung und den Ersatz höherer Reisekosten. Ende des Jahres 1985 besprach der Kläger diese Problematik generell mit der Unternehmensleitung. Beide lehnten den Wunsch des Klägers auf eine Mehrabgeltung jedoch mit dem Hinweis darauf ab, daß Überstundenentlohnung und Reisediäten bereits in der Provisions- und Spesenvereinbarung Deckung fänden. Es steht weder fest, daß die Beklagte Überstunden angeordnet hätte noch daß ihr bekannt gewesen wäre, daß der Kläger Überstunden leistete. Den ungenau geführten Fahrtenblättern war mangels Aufzeichnung von Arbeitspausen die tatsächliche Arbeitszeit nicht zu entnehmen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger lediglich der Betrag von S 17.000,-- brutto sA als Entgeltfortzahlung für die Feiertage zustehe. Auch sei er für das Jahr 1986 in die Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrages einzustufen. Hinsichtlich der Reisekosten liege eine nach dem Kollektivvertrag zulässige Einzelvereinbarung über die Pauschalierung der Spesen vor. Es sei in dieser Branche keine andere Art der Abrechnung denkbar, da der Beklagten jegliche Kontrolle über die Arbeitszeit des Klägers gefehlt habe. Überstunden seien weder angeordnet noch mit Wissen der Beklagten geleistet worden. Das Berufungsgericht bestätigte diese nur in seinem klageabweislichen Teil angefochtene Entscheidung. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte dessen Rechtsauffassung. Es führte ergänzend aus, daß die zwischen den Parteien getroffene Spesenvereinbarung nicht gegen die guten Sitten verstoße. Die Regelung sei zwar für den Kläger belastend, da sie ihn unter Erfolgszwang gestellt habe, sie sei aber andererseits auch geeignet gewesen, die Beklagte vor leichtsinniger und unbedachter Verursachung von Spesen zu schützen. Das System des Spesenersatzes habe es mit sich gebracht, daß der dem Kläger zugekommene Spesenersatz letztlich ausgewogen gewesen sei. Zur Frage der Überstundenvergütung sei die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt, da sie nicht von den Feststellungen ausgehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise aufzuheben.
Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO). Soweit sich die Rechtsrüge nicht in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen erschöpft, ist ihr vorerst darin beizupflichten, daß die im Kollektivvertrag vorgesehene Reisekostenentschädigung gemäß Art XV Z 1 abbedungen werden kann. Die Vereinbarung eines Pauschalsatzes oder einer anderweitigen Entschädigung für den Reiseaufwand oder die Vereinbarung eines so hohen Entgelts, daß die im Sinne des § 1014 ABGB als notwendig und nützlich anzusehenden Spesen mitabgegolten sind, ist daher ebenso zulässig wie die Gewährung eines ausreichenden Prozentanteiles der Provision als Pauschalaufwandersatz (vgl. Martinek-Schwarz, AngG6 274 f; Dungl, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechts5 51). Richtig ist auch, daß dem Provisionsangestellten nach dem Kollektivvertrag ohne Rücksicht auf den Erfolg seiner Tätigkeit ein Entgeltanspruch insoweit zusteht, als seine Bezüge unter Ausschluß des Aufwandersatzes das garantierte Mindesteinkommen nicht erreichen (vgl. Arb 8863). Die Vereinbarung eines Spesenhöchstbetrages darf insoweit nicht zu Lasten des kollektivvertraglichen Mindesteinkommens gehen. Finden aber die Reisespesen in der Höhe der Provision Berücksichtigung, so daß dem Provisionsangestellten das kollektivvertraglich garantierte Einkommen ungeschmälert bleibt, kann nicht unterstellt werden, eine solche Vereinbarung sei nichtig, weil sie gegen die guten Sitten verstoße.
Im bisherigen Verfahren hat der Kläger seinen Anspruch auf Spesenabrechnung nach dem Kollektivvertrag allein darauf gestützt, daß die dazu getroffene Vereinbarung sittenwidrig sei, weil sie die tatsächlich aufgelaufenen Kosten nicht gedeckt habe. Auch die behauptete unrichtige Einstufung bezieht sich ausdrücklich nur auf das Jahr 1986 und nicht auf den gegenständlichen Zeitraum von 1983 bis 1985. Der erst in der Revision erhobene Einwand, der Kläger sei bei voller Berücksichtigung seiner Reisespesen als Abzugspost unterkollektivvertraglich entlohnt worden, ist somit neu und unbeachtlich (§ 504 ZPO). Auf dieses neue Vorbringen ist ebensowenig einzugehen wie auf die neuen Tatsachenbehauptungen betreffend die Sittenwidrigkeit von Teilen des Arbeitsvertrages oder die Benachteiligung durch Vertragsformulare im Sinne des § 864 a ABGB. Hinsichtlich der Überstundenentlohnung des Klägers (vgl. Arb 6038, 9931 ua) wurde bereits die Rechtsrüge in der Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt, da sie nicht vom festgestellten, sondern vom gewünschten Sachverhalt ausging (RZ 1966, 204). Nach den getroffenen Feststellungen steht es nicht fest, daß der Beklagten überhaupt bekannt geworden wäre, daß der Kläger entgegen ihrer Anordnung Überstunden geleistet hätte, zumal den nur ungenau geführten Fahrtenblättern die tatsächliche Arbeitszeit nicht zu entnehmen war. Dazu steht die weitere Feststellung der Vorinstanzen, der Kläger habe zweimal Überstundenentlohnung und den Ersatz höherer Reisekosten begehrt, nicht im Widerspruch, da aus diesem Begehren allein die tatsächliche Verrichtung von Überstunden nicht abgeleitet werden kann und die Beklagte dadurch noch nicht erkennen mußte, daß der Kläger seine Aufgaben ohne Leistung von Überstunden nicht werde erledigen können (Arb 8651, 9144, 9406, 9454, 10488 ua). Ein allfälliger Verstoß der Beklagten gegen die Vorschrift des Art VII Abs.3 lit a des Kollektivvertrages hätte sich lediglich auf die Verlängerung der Verfallsfrist ausgewirkt, nicht aber eine Beweislastumkehr herbeigeführt (vgl. Arb 8157, 9454, 9661). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)