Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin erlitt am 5.Mai 1985 bei einem Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma. Es kam zu einer Gehirnkontusion, einer Gehirnprellung mit einer Hirnödemphase neben weiteren gegenüber diesen Verletzungen an Bedeutung zurücktretenden Verletzungen. Mit Bescheid vom 17.März 1986 bzw. 19.August 1986 (Bestimmung der endgültigen Höhe der Pensionsleistung) gewährte die beklagte Partei der Klägerin eine befristete Invaliditätspension für die Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 31.Dezember 1986. Der Antrag der Klägerin auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension ab 1.Jänner 1988 wurde von der beklagten Partei mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. März 1987 abgewiesen.
Die am 14.März 1963 geborene Klägerin ist gelernte Verkäuferin und war immer als Schuhverkäuferin tätig. Aus rein unfallchirurgischer Sicht sind der Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen zumutbar. Lediglich Arbeiten an Maschinen und das Tragen schwerer Lasten muß infolge Schwächung des linken Armes vermieden werden. Die Klägerin leidet aber als Nachwirkung des Unfalles noch an neuropsychiatrischen Störungen, und zwar an einer sehr geringfügigen spastischataktischen Bewegungsstörung und geringer posttraumatischer Hirnleistungsschwäche, migränoider Cephalea ein- bis zweimal wöchentlich an synkobalen Anwandlungen infolge hypotoner Regulationsstörungen, die intern behandelt werden müssen. Infolge dieser neuropsychiatrischen Störungen können der Klägerin in den nächsten Jahren auch mittelschwere Arbeiten nicht, wohl aber bereits jetzt leichte Arbeiten zugemutet werden, wobei Tätigkeiten unter besonderem Zeit- und Entscheidungsdruck nicht zumutbar sind. Infolge der unfallkausalen Verletzung wird eine gewisse motorische Behinderung zurückbleiben. Eine Besserung der Hirnleistungsschwäche könnte aber eintreten. Die derzeit bestehende Hirnleistungsschwäche bedingt, daß von der Klägerin neben den gesetzlichen Arbeitspausen zusätzliche Arbeitspausen eingehalten werden müssen, wobei es aber genügt, wenn die Klägerin in zeitlichen Abständen von 2 Stunden 10 Minuten Pause einlegt und sie eine 30minütige Mittagspause hat. In den Pausen darf die Klägerin aber keinerlei Arbeit ausüben.
Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei zur Weitergewährung der Invaliditätspension über den 31.Dezember 1986 hinaus zu verpflichten. Zufolge der unfallbedingten Leidenszustände sei sie nicht in der Lage, ihren Beruf wieder auszuüben.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Eine Arbeitskraft mit den Leistungseinschränkungen der Klägerin könnte grundsätzlich ab 1.Jänner 1987 wieder als Schuhverkäuferin oder in anderen Verkaufsberufen arbeiten. Im Hinblick auf das Erfordernis der Einhaltung zusätzlicher Arbeitspausen - alle zwei Stunden im Ausmaß von 10 Minuten - sei aber die Arbeitskraft der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu verwerten. Es liege daher Berufsunfähigkeit vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab. Der berufskundliche Sachverständige, auf dessen Gutachten das Erstgericht sein Ergebnis gegründet habe, daß zusätzliche Arbeitspausen von 2 x 10 Minuten dem Arbeitgeber unzumutbar seien und damit eine Verweisung auf den Arbeitsmarkt ausscheide, habe zur Begründung dieser Ansicht keinerlei Fakten angegeben, sondern sich lediglich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien berufen. Diese Entscheidung entspreche aber - wie das Berufungsgericht unter Darstellung der zu dieser Frage ergangenen Judikatur ausführte - nicht der ständigen Rechtsprechung. Ob einem Arbeitgeber Pausen, die das gesetzlich vorgesehene Ausmaß überschreiten, zumutbar seien, sei keine Tatfrage, sondern eine quaestio mixta, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sei. Es sei allgemeinkundig, daß Schuhgeschäfte ab 8 Uhr, meist aber erst 9 Uhr bis 18 Uhr geöffnet halten, wobei sie entweder über Mittag längere Zeit gesperrt sind oder bei durchlaufender Öffnungszeit ihre Verkäuferinnen zeitlich überschneidend beschäftigen. Die Arbeitszeit der Klägerin könne leicht so festgelegt werden, daß sie neben einer 30minütigen Mittagspause am Vormittag und am Nachmittag je 10 Minuten Pause einhalten könne, zumal diese Pausenzeiten nicht in die Gesamtarbeitszeit eingerechnet werden müßten. Erfahrungsgemäß würden gerade auch in kleineren Geschäften allgemein zusätzliche Pausen am Vormittag und Nachmittag (etwa zum Kaffeetrinken) toleriert, weil diese im Regelfall mit einer Behinderung des Geschäftsbetriebes und den zusätzlich anfallenden Nebenarbeiten vereinbar seien, weil zu bestimmten Tageszeiten erfahrungsgemäß die Auslastung des Verkaufspersonals schwächer sei. Die von der Klägerin über die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinaus benötigten zusätzlichen kurzen Pausen stellten daher keine entscheidende Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit dar.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Zu prüfen ist im vorliegenden Fall nicht, ob im Rahmen eines konkreten Arbeitsverhältnisses einem Arbeitgeber eine bestimmte Verhaltensweise des Arbeitnehmers zumutbar ist; dies wäre eine Frage, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen wäre. Entscheidungswesentlich ist vielmehr, ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze bestehen, die die Klägerin mit den festgestellten Einschränkungen auszufüllen in der Lage ist. Dies wäre hier insbesonders der Fall, wenn, ausgehend etwa von den Verhältnissen im Schuhhandel - sonstige Verweisungsmöglichkei en sind bisher ungeprüft geblieben - wie bereits vom Berufungsgericht erwogen wurde und wofür vieles zu sprechen scheiny,gbei einer überschneidenden Beschäftigung von Verkäuferinnen in verschiedenen Schichten die Möglichkeit einer entsprechenden Teilung der Arbeitszeit besteht und etwa Verkäuferinnen vom Dienstgeber ohne Anrechnung auf die Arbeitszeit zusätzliche Pausen gewährt werden. Ob eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung steht, bei denen diese Voraussetzung gegeben ist, ist jedoch eine Tatfrage. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß der berufskundliche Sachverständige zu dieser Frage keine verwertbare Stellungnahme abgegeben, sondern sich lediglich auf die Begründung einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien berufen hat. Fehlt jedoch damit eine Grundlage für die erforderliche Feststellung zu der dargestellten Frage, so ist das Beweisverfahren - allenfalls durch Beiziehung eines anderen Sachverständigen aus diesem Fach - ergänzungsbedürftig.
Nach dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bedarf die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zusätzlicher Arbeitspausen. Allein aus der Kenntnis über die Öffnungszeiten von Schuhgeschäften und der Tatsache, daß zusätzliche Pausen vielfach (etwa zum Kaffeetrinken in Abhängigkeit vom Geschäftsgang) toleriert werden, kann nicht der Schluß gezogen werden, daß die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen in der Lage ist, als Schuhverkäuferin tätig zu sein; es kann hieraus nicht abgeleitet werden, daß die Einhaltung der erforderlichen Pausen durch die Klägerin unter allen Umständen gewährleistet ist. Nur wenn feststeht, daß eine entsprechende Anzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung steht, bei denen die erforderlichen Pausen der Klägerin gesichert gewährt werden, kann vom Bestehen einer Verweisungsmöglichkeit ausgegangen werden. Ob diese Voraussetzungen bei einer entsprechenden Anzahl von Arbeitsplätzen zutreffen, wird ergänzend zu prüfen sein.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
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