OGH 15Os109/88

OGH15Os109/8811.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt Friedrich M*** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Fall StGB (aF) über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 20. Jänner 1988, GZ 8 Vr 407/87-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Angeklagten M*** und der Verteidigerin Dr. Mühl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis verwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (vor dem 1.März 1988 gefällten) Urteil wurde Kurt Friedrich M*** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Fall StGB aF schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 20.Oktober 1986 in Schärding die ihm als Geschäftsführer der W***-GesmbH eingeräumte Verfügungsmacht dadurch wissentlich mißbraucht und dem genannten Unternehmen einen 100.000 S übersteigenden Vermögensschaden zugefügt zu haben, daß er einen Entschädigungsbetrag der N***-Versicherungs-AG in der Höhe von 437.198,20 S auf sein privates Konto überweisen ließ. Der gegen den Schuldspruch gerichteten, auf die Z 1, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kann schon, soweit Begründungs- und Feststellungsmängel geltend gemacht werden, Berechtigung nicht versagt werden. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen veranlaßte der Angeklagte das genannte Versicherungsunternehmen, den seiner Machtgeberin, der W***-GesmbH, aus einem Versicherungsfall zustehenden Entschädigungsbetrag auf sein Privatkonto zu überweisen, um seine (gemeint: künftigen) Ansprüche gegenüber seiner Machtgeberin "abzusichern" (US 4, 6, 9, 11, 12, 13, 14), bewirkte mithin (bewußt mißbräuchlich) einen Gehaltsvorschuß. Dem Urteil mangeln aber bereits ausdrückliche Feststellungen über die Fälligkeit der Gehaltsforderung des Angeklagten für Oktober 1986.

Rechtliche Beurteilung

War dieser Anspruch als Gehaltsforderung zum Zeitpunkt der Tathandlung (20.Oktober 1986) bereits fällig (dagegen allerdings die Behauptung des Zeugen H*** S 90), so wurde die Treugeber-Gesellschaft in der Höhe dieses Anspruches (60.000 S netto oder 90.000 S brutto) keinesfalls geschädigt, denn dabei ginge es jedenfalls nicht um die für die Tatbestandsverwirklichung nach § 153 StGB unerhebliche spätere Aufrechnung einer Forderung des Täters gegen einen bereits eingetretenen (nicht konnexen) Schaden des Machtgebers aus der vorangegangenen Untreuehandlung, sondern um die (als Tathandlung nicht vermögensmindernde) unmittelbare Zahlung einer Schuld (10 Os 41/87).

Bezüglich eines bewußt mißbräuchlich erwirkten Gehaltsvorschusses für den Zeitraum von Oktober oder November 1986 bis einschließlich Februar 1987 scheint das Erstgericht - wie aus der wiederkehrenden Konstatierung, daß der Angeklagte zur "Absicherung" seiner Ansprüche handelte, entnommen werden kann - davon ausgegangen zu sein, daß der Angeklagte seine solcherart bevorschußte Geschäftsführertätigkeit auch tatsächlich zu verrichten plante. In einem solchen Fall aber kann dann, wenn die vorschußweise honorierte Leistung des Täters seinem Vorhaben gemäß in wirtschaftlich angemessener Zeit erbracht werden soll (vgl hiezu SSt 48/69, SSt 46/8, 10 Os 160/86 ua), nicht davon gesprochen werden, daß mit der Zueignung des Vorschusses bereits ein Schaden in dieser Höhe eingetreten sei und die schon von Anfang an geplante Erbringung der bevorschußten Leistung bloß auf eine nachträgliche Gutmachung jenes Schadens abziele, sondern es wäre bei wirtschaftlicher Betrachtung von vornherein kein Schädigungsvorsatz anzunehmen. Bei einer derartigen Konstellation stünde (zumindest nach dem Tätervorsatz) dem eigenmächtig in Anspruch genommenen Vorschuß als Passivum ein (nicht tatbedingter, sondern schon vorher vereinbarter) wirtschaftlich potenter entsprechender Leistungsanspruch des Machtgebers gegenüber, sodaß dessen Vermögen jedenfalls nicht um die Kapitalshöhe des Vorschusses verringert worden wäre.

Entsprechende Feststellungen dahin, weshalb bei einer derartigen Konstellation dennoch ein Schädigungsvorsatz gegeben gewesen sein sollte, allenfalls ob sich der Vorsatz des Täters auf einen Zinsenschaden oder einen anderweitigen Folgeschaden erstreckt hätte, sind jedoch dem Urteil nicht zu entnehmen.

Schon aus den aufgezeigten Gründen erweist sich die Aufhebung des bekämpften Urteils als erforderlich, ohne daß es noch notwendig wäre, auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe einzugehen.

Allerdings bedarf es einer Verfahrenserneuerung. Die ersichtlich aus der sonst als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Angeklagten (S 154) übernommene Feststellung des Schöffengerichtes nämlich, wonach er (bereits) Ende November 1986 die Buchhaltung der W***-GesmbH von der Überweisung des Abfindungsbetrages auf sein Privatkonto informierte (US 5), was gewiß ein gewichtiges Indiz dafür wäre, daß er von vornherein plante, die bevorschußte Geschäftsführertätigkeit auch tatsächlich zu verrichten, ist nämlich nach der sonstigen Aktenlage, nach der erst Nachforschungen des nachmaligen Ausgleichsverwalters zur Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten geführt hätten, keineswegs unbedenklich, konnte aber von der Anklagebehörde mangels Befugnis zur Bekämpfung dieser Konstatierung nicht angefochten werden. Es wird somit im zweiten Verfahrensgang auch eine Prüfung der Frage erforderlich sein, ob der Angeklagte tatsächlich von vornherein plante, die bevorschußte Geschäftsführertätigkeit zu verrichten oder diese tatsächliche nachmalige Verrichtung erst einem nach der Tat entsprungenen Entschluß zuzuschreiben ist.

Im Hinblick auf die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 bewirkte Änderung der funktionellen Zuständigkeit war die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Einzelrichter des Kreisgerichtes Ried im Innkreis zu verweisen.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung darauf zu verweisen.

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