OGH 6Ob679/88

OGH6Ob679/886.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Kinder Markus S***, geboren am 15. Januar 1975, und Manuela S***, geboren am 24. Juni 1976, im Haushalt ihrer väterlichen Großmutter und Vormünderin Maria Z***, Wien 2., Ausstellungsstraße 67/4, zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 2. Bezirk, wegen Unterhaltsleistungen durch die Mutter Rebecca S***, zuletzt Kellnerin, Wien 5., Hauslabgasse 20a/4/4, infolge Rekurses der Mutter, vertreten durch Dr. Andreas Puletz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. Juli 1988, GZ 43 R 520/88-49, womit der Rekurs der Mutter gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 20. Januar 1988, GZ 4 P 229/87-32, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Beschluß derart abgeändert, daß er lautet: Der anwaltlich verfaßte Rekursschriftsatz, ON 44, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 15. Januar 1975 geborene Markus und seine am 24. Juni 1976 geborene Schwester Manuela sind eheliche Kinder. Die Ehe der Eltern wurde im Herbst 1977 durch Scheidungsurteil aufgelöst. Die Kinder befanden sich schon vor diesem Zeitpunkt in der Pflege ihrer väterlichen Großmutter. Das Pflegschaftsgericht genehmigte den Verbleib der ehelichen Kinder in der Erziehung und Pflege ihrer väterlichen Großmutter und bestellte diese zur Vormünderin. Aus Anlaß eines namens der Kinder gestellten Antrages auf Verpflichtung der Mutter zu Unterhaltsleistungen wurde das Bezirksjugendamt zum besonderen Sachwalter für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche der Kinder bestellt.

Der Vater der Kinder ist nach dem Vorbringen der Vormünderin im Mai 1986 gestorben.

Über den Antrag der Kinder, ihre Mutter zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von je S 1.000,-- zu verpflichten, wurde noch nicht entschieden. Die Mutter hat sich mit Rücksicht auf ihre Arbeitslosigkeit gegen jede den monatlichen Betrag von S 555,-- je Kind übersteigende Unterhaltsverpflichtung ausgesprochen. Nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige (BGBl 645/1987) beantragten beide Kinder die Gewährung eines vorläufigen Unterhaltes in der monatlichen Höhe von je S 1.000,-- durch die Mutter mittels Antrages gemäß § 382a EO.

Das Vormundschaftsgericht legte der Mutter mit einstweiliger Verfügung nach § 382a EO die Leistung des beantragten einstweiligen Unterhaltes auf.

Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde der Mutter am 25. Januar 1988 - wenn auch mittels RSb-Sendung, so doch - zu eigenen Handen zugestellt.

Am 2. Februar 1988 langte beim Erstgericht ein tags zuvor zur Postaufgabe gebrachter schriftlicher Rekurs der Mutter gegen die einstweilige Verfügung ein. Dieser Rekursschriftsatz war nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen.

Das Vormundschaftsgericht stellte den Schriftsatz deshalb der Rekurswerberin zur Verbesserung durch Anwaltsfertigung zurück und bestimmte eine Verbesserungsfrist von 14 Tagen. Der Schriftsatz mit dem Verbesserungsauftrag wurde der Rekurswerberin am 29. Februar 1988 zugestellt, nachdem eine Ablichtung des Schriftsatzes hergestellt und zu den Akten genommen worden war.

Am 4. März 1988 überreichte die Rekurswerberin einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwaltes. Das Vormundschaftsgericht bewilligte die Verfahrenshilfe. Dem vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer bestellten Vertreter wurde der Bestellungsbeschluß am 30. März 1988 zugestellt.

Ein vom Verfahrenshelfer (neu) verfaßter Rekursschriftsatz (ohne Anschluß des zur Verbesserung zurückgestellten Schriftsatzes) langte nach seiner Postaufgabe vom 12. April 1988 am folgenden Tag beim Erstgericht ein.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter gegen die nach § 382a EO erlassene einstweilige Verfügung als verspätet zurück. Diesen rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß ficht die Rekurswerberin mit einem auf Stattgebung des von ihr gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurses gerichteten Abänderungsantrag, hilfsweise mit einem auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zielenden Rechtsmittelantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Die verfahrensrechtliche Beurteilung hängt von der - im Sinne der §§ 502 Abs 4, 528 Abs 2 ZPO, §§ 402 Abs 1 und 78 EO erheblichen - grundsätzlichen Rechtsfrage ab, ob das nach § 520 Abs 1, letzter Halbsatz ZPO vorgesehene Formerfordernis der Rechtsanwaltsunterschrift für schriftliche Rekurse auch im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes nach § 382 a EO, auf Aufhebung oder Einschränkung einer nach dieser Bestimmung erlassenen einstweiligen Verfügung nach § 399 a EO und auf Ersatz gemäß § 399b EO zu gelten habe.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Durch das Bundesgesetz vom 15. Dezember 1987, BGBl. Nr. 645, wurde als neues Rechtsinstitut ein besonderer Anspruch auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes für Minderjährige eingeführt. Erklärtes gesetzgeberisches Ziel dieser Neuregelung war die Möglichkeit frühzeitiger Sicherung eines Mindestmaßes an finanziellen Lebensgrundlagen minderjähriger Kinder während eines gegen einen Elternteil anhängigen Unterhaltsfestsetzungsverfahrens. Die Voraussetzungen zur Gewährung dieses vorläufigen Unterhaltes sind ohne größeren Wertungsspielraum schablonenhaft umrissen. Tatsächliche Entscheidungsgrundlage ist das Vorbringen des Kindes, soweit sich aus den das Kind betreffenden Pflegschaftsakten nichts anderes ergibt. Dem in Anspruch genommenen Elternteil wird keine Beteiligung am Verfahren zur Schaffung des gegen ihn in Vollzug zu setzenden gerichtlichen Leistungsbefehles gewährt; selbst der Widerspruch ist ausgeschlossen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde für diese Sicherung eines Minimalbedarfes an Unterhalt während eines Unterhaltsfestsetzungsverfahrens die Sicherung nach dem zweiten Abschnitt des zweiten Titels der Exekutionsordnung dienstbar gemacht.

Eine gerichtliche Zuständigkeit nach § 387 Abs 2 EO ist nach den positiv normierten Voraussetzungen des Sicherungsanspruches nach § 382a Abs 1 EO ausgeschlossen. Im Sinne des § 382 a Abs 1 EO wird praktisch ausnahmslos das mit den Aufgaben der Pflegschaft oder Vormundschaft über das unterhaltsansprechende Kind betraute Gericht für das Sicherungsverfahren zuständig sein. Der Eigenart der im Regelfall weitgehend schablonenhaften Prüfung des Antrages entsprechend wurden die Entscheidung über die Bewilligung, Aufhebung oder Einschränkung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 a EO sowie die Entscheidung über den Ersatz zu Unrecht geleisteten vorläufigen Unterhaltes gemäß § 399b EO - wiewohl es sich um Entscheidungen in einem Sicherungsverfahren handelt - ausdrücklich dem Wirkungskreis des Rechtspflegers in Pflegschaftssachen zugewiesen.

Die nach den zugänglichen Gesetzesmaterialien in ihren einzelnen Folgerungen offensichtlich nicht restlos bedachte Unterstellung des neuen Rechtsinstitutes unter die Pauschalverweisungen der §§ 402 Abs 2 und 78 EO bedeutete nach ihrer unkritischen wörtlichen Anwendung auch die Geltung des § 520 Abs 1, letzter Halbsatz ZPO. Nach dem Bericht des Justizausschusses (440 Blg.Nr. XVII.GP, 1 zu Art I) wurde zwar der Anwaltszwang für schriftliche Rekurse erörtert und als "Diskrepanz" gegenüber dem außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren erkannt, aber nach der in der Praxis nicht zutreffenden Erwartung in Kauf genommen, daß Rekurse, sei es des unterhaltsansprechenden Kindes, sei es des in Anspruch genommenen Elternteiles, kaum wirklich erhoben würden. Die mit der uneingeschränkten Pauschalverweisung in Kauf genommene Regelung eines Anwaltszwanges für schriftliche Rekurse wurde denn auch ausdrücklich künftigen Überlegungen überantwortet, ob nicht eine "harmonischere Lösung" gefunden werden könnte. Eine solche ist schon durch wertungsgerechte Gesetzesauslegung zu finden:

Eine gegenüber dem Verfahren zur endgültigen Unterhaltsfestsetzung erhöhte Anforderung an einen schriftlichen Rekurs eines Verfahrensbeteiligten stünde zu der vom Gesetzgeber bewußt als hinreichend angesehenen minderqualifizierten Gerichtsbesetzung durch einen Rechtspfleger (obwohl sonst das Verfahren über Anträge auf Erlassung, Aufhebung und Einschränkung von einstweiligen Verfügungen grundsätzlich dem Richter vorbehalten bleibt) in einem unübersehbaren Wertungswiderspruch. Ohne in den wegen Unrichtigkeit der Prämissen unzutreffenden Größenschluß zu verfallen, daß jede bloße Sicherung eines Anspruches gegenüber dessen Feststellung und Durchsetzung geringerwertig sei und deshalb keinen strengeren Verfahrensvorschriften unterworfen werden sollte als die Sache selbst, zumal die Sicherung eines gesetzlichen Unterhaltes minderjähriger Kinder gegenüber einem Elternteil unter den Voraussetzungen des § 382 a EO gesetzestechnisch durch ein eigenes Rechtsinstitut mit selbständigen materiellen Voraussetzungen bewirkt wird ("Regelungs-EV"), wäre es doch ein nicht aufklärbarer Wertungswiderspruch, zwecks möglichster Beschleunigung des Verfahrens die Anspruchsvoraussetzungen in größtmöglichem Ausmaß zu formalisieren und damit im Zusammenhang ausnahmsweise auch Entscheidungen zu einem als einstweilige Verfügung institutionalisierten Rechtsinstitut auf seiten des Gerichtes dem Wirkungskreis eines Rechtspflegers zuzuordnen, andererseits aber für die Verfahrensbeteiligten gegenüber dem außerstreitigen Verfahren über die (endgültige) Unterhaltsfeststellung strengere Formvorschriften für den schriftlichen Rekurs aufzustellen. Diese Überlegung gebietet eine teleologische Reduktion der Verweisung nach § 402 Abs 2 und § 78 EO auf die allgemeinen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung über das Rechtsmittel des Rekurses in der Weise, daß § 520 Abs 1, letzter Halbsatz ZPO von der Anwendbarkeit im Verfahren nach den §§ 382 a, 399 a und 399 b EO ausgeschlossen bleibt.

Nach dieser Rechtsansicht ist der von der Rekurswerberin selbst verfaßte schriftliche Rekurs entgegen der dem Verbesserungsauftrag zugrundegelegten Ansicht formwirksam; einer Verbesserung bedurfte es nicht. Der wirksam erhobene Rekurs war, insbesondere nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, keiner Ergänzung zugänglich. Der anwaltlich verfaßte Rechtsmittelschriftsatz ist daher unbeachtlich. Der rekursgerichtliche Zurückweisungsbeschluß ist auf diesen Schriftsatz zu beschränken. Über den von der Rekurswerberin selbst verfaßten schriftlichen Rekurs wird eine Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu fällen sein. Daß dieser Schriftsatz innerhalb der Verbesserungsfrist nicht wieder vorgelegt wurde, ist mit Rücksicht darauf, daß das Gericht vor der Rückstellung zur Verbesserung eine Ablichtung herstellte und zu den Akten nahm, ein formeller Verstoß, der unbeachtet bleiben kann. Der rekursgerichtliche Zurückweisungsbeschluß war aus diesen Erwägungen dahin abzuändern, daß nicht das Rechtsmittel als solches, sondern lediglich der anwaltlich verfaßte Rechtsmittelschriftsatz, ON 44, als unzulässige Wiederholung und Ergänzung eines bereits im Sinne des Schriftsatzes, ON 34, wirksam erhobenen Rekurses zurückzuweisen war.

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