Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird abgeändert und der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses gegen diesen Beschluß selbst zu tragen und ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Beklagte betreibt zu AZ E 3815/87 des Bezirksgerichtes Leibnitz zur Hereinbringung einer Geldforderung gegen die Tochter des Klägers Dr. Christine S*** Fahrnisexekution. Mit der Behauptung, die Verpflichtete habe ihm diese Sachen im Jahr 1985 verkauft und übergeben, macht der Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Toronto in Kanada hat, mittels Klage die Unzulässigkeit der Exekutionsführung auf die in seinem Eigentum stehenden Pfandgegenstände Postzahl 1 bis 36 des Pfändungsprotokolles E 6989/86 geltend.
Das Erstgericht trug dem Kläger auf Antrag des Beklagten eine Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten von S 30.000,-- auf und eröffnete dem Kläger, daß im Falle des fruchtlosen Ablaufes der mit 14 Tagen bestimmten Frist zum Erlag oder zur eidlichen Bekräftigung der Unfähigkeit zum Erlag die Klage auf Antrag des Beklagten vom Gericht für zurückgenommen erklärt würde. Es gelte wohl für Kanada das österreichisch-britische Rechtshilfeabkommen vom 31. März 1931, BGBl 1932/45, doch ergebe sich daraus nur die formelle Gegenseitigkeit für die Prozeßkostensicherheit. Der Kläger sei von der Verpflichtung zur Leistung der Sicherheit auch nicht nach § 57 Abs 2 ZPO befreit. Prozeßkostenersatzentscheidungen eines österreichischen Gerichtes würden im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers nicht vollstreckt. Der Kläger habe sich nur darauf berufen, daß er in Österreich bewegliches Vermögen besitze. Die im § 57 Abs 2 Z 2 ZPO beschriebene Ausnahme setze aber den Besitz hinreichenden Vermögens an unbeweglichen Gütern im Inland oder an Forderungen voraus, die auf solchen Gütern bücherlich sichergestellt sind.
Das Rekursgericht änderte über den Rekurs des Klägers, der sich auf die für Kanada maßgebenden Bestimmungen des österreichisch-britischen Rechtshilfeabkommens berief, - wonach die Angehörigen der vertragschließenden Staaten in dem Gebiet des anderen vertragschließenden Teiles nicht verhalten seien, Prozeßkostensicherheit zu leisten, - den erstgerichtlichen Beschluß in die Abweisung des Antrags des Beklagten auf Sicherheitsleistung für Prozeßkosten ab. Das Rekursgericht teilte die Ansicht des Klägers. Ausländer hätten zwar als Kläger vor einem österreichischen Gericht auf Verlangen des Beklagten für die Prozeßkosten Sicherheit zu leisten, sofern nicht durch Staatsverträge etwas anderes bestimmt sei (§ 57 Abs 1 ZPO). Auch seit der ZVN BGBl 1983/135 komme die Befreiung vom Erlag der Sicherheit einem Ausländer nicht schon dann zu, wenn nach den Gesetzen seines Heimatstaates österreichische Staatsangehörige im gleichen Fall zur Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nicht verpflichtet seien (§ 57 Abs 2 Z 1 ZPO idF vor der ZVN 1983), sondern nur, wenn der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe (§ 57 Abs 2 Z 1 ZPO) oder wenn eine gerichtliche Entscheidung, die dem Kläger den Ersatz von Prozeßkosten an den Beklagten auferlegte, im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers vollstreckt würde (§ 57 Abs 2 Z 1a ZPO). Da mit Kanada kein Vollstreckungsvertrag bestehe und eine zu Gunsten des Beklagten ergehende Kostenentscheidung in Toronto nicht vollstreckt würde, sei der Kläger also nicht nach § 57 Abs 2 Z 1 oder Z 1a ZPO von der Sicherheitsleistung für Prozeßkosten befreit, wohl aber nach Artikel 11 des auch für Kanada geltenden Staatsvertrages vom 31. März 1931, BGBl 1932/45 (BGBl 1935/347). Danach seien die Angehörigen eines Vertragsstaates, sofern sie im Gebiet des anderen Vertragsstaates wohnhaft sind, nicht verhalten, Prozeßkostensicherheit in einem Fall zu leisten, wenn auch ein Angehöriger des betreffenden anderen Vertragsstaates dazu nicht verhalten würde. Da ein in Österreich wohnhafter österreichischer Staatsbürger bei Erhebung einer Klage nach § 37 EO nicht Prozeßkostensicherheit zu leisten habe, sei nach dem Staatsvertrag auch ein in Kanada wohnhafter kanadischer Staatsangehöriger davon befreit. Dies entspreche zwar nicht der Zielsetzung der ZVN 1983, das wenig aussagekräftige Kriterium der Gegenseitigkeit durch den Schutz des Beklagten davor zu ersetzen, daß eine allenfalls zu seinen Gunsten ergehende Kostenentscheidung nicht vollstreckt werden könne. Der Staatsvertrag gelte aber.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu der zu lösenden Rechtsfrage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Der Beklagte strebt mit seinem Revisionsrekurs die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, zulässig und berechtigt.
Der Rechtsmittelausschluß nach § 528 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Die Entscheidung, ob eine Sicherheit im Sinne des § 56 ZPO zu leisten ist, betrifft nicht den Kostenpunkt (SZ 41/178; EvBl 1974/55; Rz 1976/127 ua), weil es um Auswirkungen auf den Rechtsschutzanspruch an sich geht (Fasching II 400 und ZPR Rz 478). Da der Betrag der auferlegten Sicherheit S 15.000,-- übersteigt, verhindert auch § 528 Abs 1 Z 5 ZPO nicht die Anfechtung des abändernden rekursgerichtlichen Beschlusses. Es liegen aber auch die Voraussetzungen nach § 528 Abs 2 ZPO iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor, weil das Rekursgericht bei der Anwendung des zunächst maßgebenden Staatsvertrages von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist:
Das Österreichisch-Britische Rechtshilfeabkommen vom 31. März 1931, BGBl 1932/45, ist auch für Kanada maßgebend (Kundmachung BGBl II 1934/359 und BGBl 1935/347). Die Wiederanwendbarkeit dieses Staatsvertrages wurde am 18. Jänner 1952 durch Notenwechsel einvernehmlich festgestellt (JABl 1952, 16). Auch in der Fassung der ZVN BGBl 1983/135, die von der völligen Beseitigung des Instituts der Prozeßkostensicherheitsleistung im Interesse des Schutzes der beklagten Partei abgesehen und die frühere Regelung, wonach die Verpflichtung zu der Sicherheitsleistung bei materieller Gegenseitigkeit der einschlägigen Bestimmungen im Heimatrecht des ausländischen Klägers entfiel, durch eine sachgerechtere Lösung ersetzte (RV 669 BlgNR
15. GP zu Art III Z 9 = § 57 ZPO), sind für die Beurteilung, inwieweit Ausländer als Kläger Prozeßkostensicherheit zu leisten haben, vorrangig Staatsverträge maßgebend. Dies ergibt sich schon aus der Bindung an solche Verträge, die nicht durch innerstaatliche Gesetzgebung unterlaufen werden dürften.
Nach der Aktenlage hat der Exszindierungskläger nicht nur seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in Toronto in Kanada, sondern er ist auch Angehöriger dieses Staates, beruft er sich doch selbst darauf, daß er als kanadischer Staatsangehöriger auf Grund des zweiseitigen Vertrages nicht zur Leistung der Sicherheit für die Prozeßkosten verhalten werden könne.
Dabei hat aber der Kläger ebenso wie das Rekursgericht dem Artikel 11 des Rechtshilfeabkommens unzutreffend entnommen, daß dieser Vertrag eine Gleichstellung fremder Kläger mit eigenen Staatsbürgern beim Erlag der Prozeßkostensicherheit vorsieht. Nach dem ersten Halbsatz dieser Staatsvertragsbestimmung sind Staatsangehörige eines Teiles im Gebiet des anderen Teiles so zu behandeln wie eigene Staatsbürger, soweit es sich um die Gewährung des Armenrechtes und der Schuldhaft handelt. Diese Bestimmung ist im inländischen Verfahrensrecht durch die Aufhebung der früher als § 63 Abs 3 ZPO geltenden Anordnung, wonach die Verfahrenshilfe einer ausländischen Partei nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit gewährt werden durfte (Art IV Z 12 ZVN 1983), überholt. Nach dem zweiten Halbsatz im Artikel 11 des Rechtshilfeabkommens sind die Angehörigen eines Vertragsteiles in dem Gebiete des anderen Teiles nicht verhalten, Prozeßkostensicherheit in einem Fall zu leisten, wo ein Angehöriger des anderen Teiles hiezu nicht verhalten werden würde, aber nur mit der einschränkenden Bedingung, "daß sie in einem solchen Gebiete wohnhaft sind (englischer Text: "provided that they are resident in any such territory" (BGBl 1932/45). Nach Artikel 13 des Abkommens sind der deutsche und englische Wortlaut in gleicher Weise authentisch. Mit der Auslegung der Einschränkung im
2. Halbsatz des Artikel 11 "und vorausgesetzt, daß sie in einem solchen Gebiet wohnhaft sind", war der Oberste Gerichtshof schon bald befaßt. Er hat in der Entscheidung SZ 14/128 die Ansicht, es handle sich bei dieser Wortwahl um eine undeutliche, sinnstörende Übersetzung des englischen Textes, der auf den Wohnsitz im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten abstelle, verworfen und nach dem für authentisch erklärten deutschen Wortlaut des Abkommens das Wort "solche" in der Wendung "in einem solchen Gebiet" auf das Territorium des jeweils anderen Vertragsstaates bezogen. Danach trete also die Befreiung von der Pflicht zum Erlag der Sicherheit nur ein, wenn der in Österreich als Kläger auftretende Angehörige des Vertragsstaates in Österreich wohnhaft sei. Dafür spreche auch der Hinweis im Erlaß vom 29. April 1932, JABl Nr. 22, daß Angehörige des einen Staates vor den Gerichten des anderen Staates von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten unter der Voraussetzung befreit seien, daß sie im Gerichtsstaat wohnhaft sind, wenn auch Angehörige dieses Staates zu einer Sicherheitsleistung nicht verpflichtet wären, denn nach englischem Recht sei jedermann, der nicht im Machtbereich des Prozeßgerichtes seinen ordentlichen Wohnsitz habe, zur Leistung der Sicherheit für Prozeßkosten verpflichtet. Die Rechtsansicht, daß ein Angehöriger eines Vertragsstaates des Rechtshilfeabkommens vom 31. März 1931, BGBl 1932/45, nur dann nicht zu einer Prozeßkostensicherheit zu verhalten sei, wenn er im Gebiet des fremden Staates wohnhaft ist, hat der Oberste Gerichtshof in RZ 1969, 51 unter Berufung auf Hoyer-Loewe, Staatsverträge über die Rechtshilfe und Vollstreckung, 147, sowie SZ 14/128, im Falle eines kanadischen Staatsangehörigen bekräftigt und auch in der Entscheidung RZ 1976/127, bei der im Vordergrund die Bewilligung der Verfahrenshilfe stand, die die klagende kanadische Staatsangehörige auch von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten befreit hätte (§ 64 Abs 1 Z 2 ZPO), darauf hingewiesen, daß es (nur) für die Bewilligung der Verfahrenshilfe anders als hinsichtlich des Erlages der Prozeßkostensicherheit nach dem im Verhältnir zu Kanada anzuwendenden Artikel 11 des österreichisch-britischen Rechtshilfeabkommens nicht erforderlich sei, daß der Antragsteller seinen Wohnsitz im Bereich des Prozeßgerichtes habe. Auch Fasching
II 478 meinte, daß die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates des Abkommens in einem Verfahren vor dem österreichischen Gericht grundsätzlich nicht kautionspflichtig sind, sofern sie nur ihren Wohnsitz in Österreich haben. Dieser Vorzug ist durch die allgemeine Gleichstellung von Ausländern, die einen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben, mit Inländern seit dem 1. Mai 1983 (Art IV Z 11 ZVN 1983) nicht mehr bedeutsam. Es bleibt aber dabei, daß Artikel 11 des Rechtshilfeabkommens keine andere Festsetzung iSd § 57 Abs 1 ZPO durch einen Staatsvertrag enthält, sofern der kanadische Staatsangehörige, der in Österreich als Kläger auftritt, seinen Wohnsitz nicht in Österreich hat - in diesem Fall wäre er nun schon nach § 57 Abs 2 Z 1 ZPO befreit - sondern in einem anderen Staatsgebiet, wenn auch in seinem Heimatstaat. Dies hat das Rekursgericht, das sich auch zu Unrecht auf die Länderübersicht im § 37 Abs 1 des Rechtshilfeerlasses 1986 JABl 1986/53 beruft, übersehen, weil daraus nur der Hinweis zu entnehmen ist, daß im Verhältnis zu Kanada eine Befreiung von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für Prozeßkosten nach Maßgabe des Artikel 11 des österreichisch-britischen Rechtshilfeabkommens eintritt (vgl. auch Loewe, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilsachen 579 f). Da der als Kläger auftretende Ausländer in Toronto wohnhaft ist, kommt ihm die Sonderregelung nach dem 2. Halbsatz des Artikel 11 des Abkommens nicht zugute. Es liegt auch keiner der im § 57 Abs 2 ZPO aufgezählten Sachverhalte vor, wonach sonst die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nicht eintritt.
Das Erstgericht hat auf den rechtzeitig gestellten Antrag des Beklagten hin ohne Rechtsirrtum dem Kläger nach § 60 ZPO die wngemessene Sicherheitsleistung, deren Höhe der Kläger nicht bekämpft hatte, für die Prozeßkosten aufgetragen.
Der Streit über den Auftrag zum Erlag der Sicherheit ist ein Zwischenstreit (Fasching II 399; RZ 1976/127 ua). Der im Zwischenstreit unterlegene Kläger hat seine Kosten im Zwischenstreit selbst zu tragen (§§ 40 und 50 ZPO) und dem Beklagten die Kosten des erfolgreichen Revisionsrekurses zu ersetzen (§§ 41 und 50 ZPO). Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 3 unterliegen nur Revisionsverfahren und Verfahren über Rekurse nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO (Anm 1 zu Tarifpost 3 GGG).
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