OGH 15Os112/88 (15Os113/88)

OGH15Os112/88 (15Os113/88)4.10.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Oktober 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian H*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB, AZ 2 a Vr 2778/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über (1.) die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung sowie (2.) die Beschwerde des Angeklagten gegen (zu 1.) das Urteil und (zu 2.) den Beschluß dieses Gerichtes als Schöffengericht jeweils vom 19.April 1988, ON 22 und 24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten Christian H*** und des Verteidigers Dr. Ambros

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

"Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben; gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Christian H*** wird für das ihm nach dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch zur Last fallende Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 letzter Fall StGB nach § 164 Abs. 3 StGB unter Bedacht auf §§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO zu 3 (drei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last."

sowie

2. den Beschluß gefaßt:

"Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß vom Widerruf der bedingten Nachsicht der mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. Juni 1987, GZ 2 a E Vr 5918/87-5, über Christian H*** verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten aus Anlaß seiner neuen Verurteilung (laut Pkt 1.) im vorliegenden Verfahren abgesehen wird."

Text

Gründe:

Im ersten Rechtszug war die Verurteilung (§ 260 Abs. 1 Z 1 und 2 StPO) des Angeklagten Christian H*** wegen des (in der Zeit vom 18. bis zum 26.Juli 1987 durch das An-sich-Bringen und Verheimlichen von drei Autoradios und einem Verstärker im Wert von zusammen rund 18.800 S in Kenntnis des Umstands, daß Manfred F*** diese Sachen durch Einbruchsdiebstahl erlangt hatte, begangenen) Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2, Abs. 2 und Abs 3 letzter Fall StGB im Grundtatbestand und in der Wertqualifikation rechtskräftig geworden; in Ansehung der zuletzt relevierten Verbrechensqualifikation, des ihr zugrunde gelegenen Ausspruchs und des Strafausspruchs hingegen hatte der Oberste Gerichtshof die Verfahrenserneuerung in erster Instanz angeordnet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht im zweiten Verfahrensgang abermals dahin, daß dem Angeklagten die Erlangung der Tatobjekte seitens des Vortäters durch Einbruchsdiebstahl bekannt war und daß er demgemäß die Qualifikation nach § 164 Abs. 3 (letzter Fall) StGB zu verantworten hat, wobei es die bereits rechtskräftigen Teile des ersten Schuldspruchs (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) wiederholte und zudem abermals einer (teilweise abweichenden) rechtlichen Beurteilung (§ 260 Abs. 1 Z 2 StPO) unterzog, mit der es annahm, die Qualifikation nach § 164 Abs. 2 StGB habe zu entfallen, weil der Wert des verhehlten Gutes nicht die mit dem Inkrafttreten des StrÄG 1987 in der Zwischenzeit wirksam gewordene neue Wertgrenze von 25.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Wiederholung des schon in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs zum Grundtatbestand und zum Wert der verhehlten Sachen als auch die neuerliche eigenständige Subsumtion jener Teile des Tatgeschehens waren prozessual verfehlt (vgl RZ 1980/14, SSt 51/1, EvBl 1987/89 uva), weil das Schöffengericht auf Grund der Rechtsmittelentscheidung verhalten war, das neue Verfahren auf die Frage nach dem Vorliegen der Verbrechensqualifikation nach § 164 Abs. 3 StGB und auf den Strafausspruch zu beschränken (§ 293 Abs. 1 und 2 StPO); eine unrichtige Anwendung des Strafgesetzes zum Nachteil des Angeklagten (§ 290 Abs. 1 StPO) ist hiedurch aber nicht unterlaufen.

Denn der (dementsprechend als bloß formaler Mangel zu beurteilenden) Wiedergabe der bereits rechtskräftigen Teile des ersten Schuldspruchs im Tenor des angefochtenen Urteils kam (trotz ihres insoweit irreführenden Wortlauts) der Sache nach nicht die Bedeutung einer abermaligen Verurteilung (wegen derselben Tat) zu, und die nochmalige rechtliche Beurteilung dieses schon rechtskräftig subsumierten Tatsachensubstrats verstieß zwar gegen den sich aus den Bestimmungen des XX. Hauptstücks der StPO ergebenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO), gereichte jedoch dem Angeklagten im Hinblick auf die dabei vorgenommene Ausschaltung der Qualifikation nach § 164 Abs. 2 StGB, die von der Anklagebehörde nicht bekämpft wird, zum Vorteil; für eine amtswegige Korrektur des Urteils war daher in beide Richtungen hin kein Raum. Wohl aber war das angefochtene Urteil in Stattgebung der vom Angeklagten erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 11 (erster Fall) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde im Strafausspruch aufzuheben, weil das Erstgericht ungeachtet dessen, daß es den Beschwerdeführer im ersten Rechtszug unter Anwendung des § 41 StGB zu nur drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und die Staatsanwaltschaft dagegen kein Rechtsmittel ergriffen hatte, nunmehr die Strafdauer unter Mißachtung des in §§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO normierten Verschlimmerungsverbotes und unter Ablehnung einer außerordentlichen Strafmilderung mit sechs Monaten festgesetzt hat.

Zum Zweck der hiedurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung waren (ebenso wie im ersten Verfahrensgang) eine einschlägige Vorstrafe des Angeklagten und sein überaus rascher Rückfall als erschwerend, seine (mit dem bekämpften Urteil ohne Begründung zu Unrecht nicht mehr berücksichtigte) Verleitung zur Tat durch den Vortäter, sein Alter unter 21 Jahren zur Tatzeit, sein Geständnis und die weitgehende Zustandebringung des verhehlten Gutes hingegen als mildernd zu bewerten.

Bei den darnach vorliegenden Strafzumessungsgründen und dem nach § 164 Abs. 3 StGB maßgebenden Freiheitsstraf-Rahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren erscheint die im gegebenen Fall nach §§ 293 Abs. 3, 290 Abs. 2 StPO höchstzulässige Strafdauer von drei Monaten nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) keinesfalls als überhöht; die Verhängung einer Geldstrafe anstatt der Freiheitsstrafe oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht kamen im Hinblick auf die Wirkungslosigkeit seiner Vorverurteilung aus Gründen der Spezialprävention nicht in Betracht (§§ 37 Abs. 1, 43 Abs. 1 StGB).

Über die ausschließlich gegen den Strafausspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß wie im Spruch zu erkennen; mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen. Auf Grund der verfahrensgegenständlichen neuerlichen Verurteilung widerrief das Schöffengericht außerdem im Sinn des § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO die bedingte Nachsicht jener über letzteren verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, zu der es ihn mit dem im Tenor näher bezeichneten Vor-Urteil wegen des (am 19. Februar 1987 in Gesellschaft eines Beteiligten begangenen) Verbrechens des schweren Diebstahls (eines Videorecorders samt vier Kassetten im Gesamtwert von 15.000 S) durch Einbruch (in ein Wohnhaus) nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB verurteilt hatte. Auch seiner dagegen erhobenen Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach § 53 Abs. 1 StGB in der durch das StrÄG 1987 geänderten Fassung ist vom Widerruf der einem Rechtsbrecher gewährten bedingten Strafnachsicht wegen einer während der Probezeit von ihm begangenen neuerlichen strafbaren Handlung nicht mehr wie vordem bloß dann abzusehen, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, daß er trotz der abermaligen Verfehlung in Zukunft keine weiteren Straftaten begehen werde, sondern umgekehrt die bedingte Strafnachsicht nur dann zu widerrufen, wenn das in Anbetracht der erneuten Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Erklärtes Ziel dieser Gesetzesänderung war es, die Entscheidung über den allfälligen Widerruf einer bedingten Strafnachsicht in solchen Fällen mit Rücksicht auf die durch das StrÄG 1987 neu eröffneten Möglichkeiten der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe (§ 43 a StGB) auch materiellrechtlich in eine (prozessual durch § 494 a StPO ermöglichte) "Gesamtregelung" der bedingten Nachsicht in Ansehung der in beiden Urteilen über den Täter verhängten Strafen einzubinden, wobei die Verhängung einer "teilbedingten" Freiheitsstrafe im neuen Urteil in der Regel nicht vom Widerruf einer offenen bedingten Strafnachsicht begleitet sein solle (JAB 359 d. Beil. XVII. GP S 11, 53 f.). Eine im wesentlichen vergleichbare Konstellation liegt im gegebenen Fall vor. Denn im Hinblick auf den raschen Rückfall des Angeklagten nach seiner einschlägigen Vorverurteilung bedarf es zwar aus Gründen der Spezialprävention augenscheinlich des Vollzuges immerhin eines Teiles der mit beiden Urteilen über ihn verhängten Freiheitsstrafen in der Dauer von zusammen neun Monaten; in deren Vollstreckung im vollen Ausmaß aber wäre - insbesondere wegen der damit verbundenen Nachteile für sein künftiges Fortkommen - wohl doch eine überzogene Reaktion auf die Begehung von zwei Vermögensstraftaten mit einem Gesamtschaden von rund 35.000 S durch einen vordem nicht einschlägig vorbestraft gewesenen rund 20jährigen Täter, der bisher noch keinen Freiheitsentzug erlitten hat, zu erblicken (vgl § 43 a Abs. 3 StGB). Nach Lage des Falles kann vielmehr angenommen werden, daß der nunmehr erstmalige Vollzug einer Freiheitsstrafe am Angeklagten im vorliegenden Verfahren in der Dauer von drei Monaten in Verbindung mit dem Fortbestand der Vollzugsandrohung bezüglich der im Vor-Verfahren über ihn verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe - zweckmäßigerweise unter Verlängerung der Probezeit, Bestellung eines Bewährungshelfers und Erteilung geeigneter Weisungen - genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Der Beschwerde war daher stattzugeben und vom Widerruf der in Rede stehenden Strafnachsicht - mit dem (auf die Gesamtdauer der in beiden Verfahren verhängten Haftstrafen bezogenen) Effekt einer "teilbedingten" Freiheitsstrafe - abzusehen (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO); über die Verlängerung der Probezeit, die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Erteilung von Weisungen wird im Vor-Verfahren das Erstgericht zu entscheiden haben (§ 494 a Abs. 7 StPO).

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