OGH 9ObA199/88

OGH9ObA199/8828.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Hermann Peter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Firma Leopold J***, Kaufmann, Neumarkt, Wiener Bundesstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Oberrauch, Referent der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Salzburg, Salzburg, Julius Raab Platz 1, vertreten durch Dr. Herbert Hübel, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Josef S***, Köstendorf, Tannham 16, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsawnalt in Salzburg, wegen Zustimmung zur Kündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 1988, GZ 12 Ra 72/88-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. März 1988, GZ 4 Cga 1111/87-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.949,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer und 120 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 28. Oktober 1985 als einer von zwei Betriebsschlossern im Betrieb der klagenden Partei beschäftigt. Am 16. April 1987 wurde er zum Betriebsratsmitglied gewählt. Die klagende Partei begehrt Zustimmung zur Kündigung des Klägers. Am 1. Juni 1987 sei eine Kleberauftragsmaschine wegen eines Materialbruches ausgefallen. Der Beklagte sei beauftragt worden, die schadhaften Teile auszuwechseln und neue Teile aus Aluminium - nicht jedoch aus Eisen, weil dies roste - einzubauen. Dennoch habe der Beklagte Ersatzteile aus Eisen besorgt und diese in die Maschine einbauen wollen. Ungeachtet mehrfacher Aufforderungen durch seinen Vorgesetzten habe sich der Beklagte geweigert, den zwischenzeitig beigeschafften Ersatzteil aus Aluminium einzubauen; er habe den Betrieb verlassen, ohne diesen Auftrag auszuführen. Bereits vorher habe der Beklagte mehrfach Weisungen seines Werkmeisters nicht befolgt und andere Arbeiten durchgeführt, die ihm offenbar genehmer gewesen seien. Der Beklagte sei unter Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen ausdrücklich verwarnt worden. Er habe auch die Leistung von Nachtschichten verweigert, obwohl ihm bei der Einstellung bekanntgewesen sei, daß er im Drei-Schicht-Betrieb zu arbeiten habe. Aus diesen Gründen sei dem Kläger eine Weiterbeschäftigung des Beklagten nicht zumutbar.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die klagende Partei habe die Aktivitäten des Beklagten zur Vorbereitung der Betriebsratswahl und seine Kandidatur negativ beurteilt und Mitarbeiter wegen der Unterstützung des Beklagten bei dieser Wahl unter Druck gesetzt. Seit der Wahl hätten der Vorgesetzte des Beklagten Johann K*** und der Kläger den Beklagten wiederholt Weisungen bezüglich seiner Arbeit erteilt. Dies sei vorher nicht der Fall gewesen. Am 1. Juni 1987 habe sich der Beklagte im Firmeninteresse bemüht, einen langlebigen Ersatzteil anzufertigen; die Maschine habe damit auch funktioniert. Dennoch sei die klagende Partei von ihrem Auftrag, einen Aluminiumersatzteil einzubauen, nicht abgerückt. Von der Nachtarbeit sei der Beklagte wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten ab Jänner 1987 befreit worden. Motiv für die Kündigung sei nicht der Vorfall vom 1. Juni 1987 gewesen, sondern das Bemühen des Beklagten, gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, Arbeitsruhegesetzes und Arbeitnehmerschutzgesetzes verstoßende Mißstände zu beseitigen. Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Betriebsschlosser haben im Betrieb der klagenden Partei für das reibungslose Funktionieren der Produktionsmaschinen zu sorgen und allfällige Reparaturen durchzuführen. Der Beklagte ist etwas eigenwillig und verhielt sich bei Weisungen seiner Vorgesetzten Johann K*** und Franz W*** fallweise widerspenstig. Arbeitsrechtliche Konsequenzen wurden dem Beklagten vor dem 1. Juni 1987 nicht angedroht. Die Initiative zur Abhaltung der Betriebsratswahl ging vom Beklagten aus. Ca. 3 Wochen vor der Wahl wurde eine Betriebsversammlung abgehalten und sodann ein Wahlvorschlag mit dem Beklagten, Klaus S***, Robert K*** und Frau L*** als Kandidaten eingebracht. Später kam es zu einem zweiten Wahlvorschlag. Direkten Einfluß auf die Betriebsratswahl nahm die klagende Partei nicht; im Betrieb kursierte jedoch das Gerücht, die klagende Partei sei generell gegen die Betriebsratswahl eingestellt, allenfalls bevorzuge sie die Kandidaten der Liste 2. Gewählt wurden der Beklagte von der Liste 1 und drei Kandidaten der Liste 2.

Die Kleberauftragsmaschine war von einem Technikerteam eigens für die Erfordernisse des Betriebes der klagenden Partei aus Aluminium konstruiert worden. Mit dieser Maschine gab es zahlreiche Probleme. Am 1. Juni 1987 kam der Kläger kurz vor 6.00 Uhr in den Betrieb und stellte fest, daß während der Nachtschicht wichtige Maschinen ausgefallen waren. Er stellte den Beklagten, den er beim Putzen von Schragen vorfand, zur Rede, warum er diese Arbeit verrichte, wenn für den Produktionsablauf wesentliche Maschinen wegen eines technischen Defektes stillstehen. Der Beklagte reagierte darauf eher hochmütig, worauf der Kläger den Betriebsleiter Johann K*** anwies, dem Beklagten eine Ermahnung zu erteilen, weil er seinen Dienstpflichten nicht nachgekommen sei. Ferner erklärte der Kläger gegenüber Johann K***, die Wiederherstellung der Maschine habe Vorrang, die Ersatzteile seien unbedingt aus Aluminium herzustellen, weil auf der Maschine mit Flüssigkeiten gearbeitet werde, die an anderen Werkstoffen Rost verursachen würden. Um 12.00 Uhr traf der von der klagenden Partei besorgte Aluminiumersatzteil ein. Johann K*** übergab ihn dem Beklagten mit dem Auftrag, ihn in die Kleberauftragsmaschine einzubauen. Der Beklagte, der mit einem - seiner Ansicht nach widerstandsfähigeren und weniger reparaturanfälligen - Ersatzteil aus Eisen gerechnet hatte, baute nicht den ihm übergebenen Aluminiumersatzteil ein, sondern begab sich zu einer Schlosserei und ließ dort einen Ersatzteil nach seinen Wünschen herstellen. Diesen Ersatzteil baute der Beklagte ein. Als Johann K*** um ca. 13.30 Uhr bemerkte, daß der Beklagte nicht den Aluminiumersatzteil eingebaut hatte, informierte er den Kläger über die Widersetzlichkeit des Beklagten. Auf Weisung des Klägers trug Johann K*** dem Beklagten auf, den Aluminiumersatzteil sofort einzubauen. Als der Beklagte diesen Auftrag nicht befolgte, brachte ihn Johann K*** ins Büro des Klägers. Dort weigerte sich der Beklagte weiterhin, den von der klagenden Partei bereitgestellten Ersatzteil einzubauen und versuchte, die Vorteile eines Eisenersatzteiles anzupreisen. Der Kläger wies den Beklagten eindringlich darauf hin, daß die Nichtbefolgung der Anweisungen eine Arbeits- und Pflichtverletzung sei. Da mittlerweile seine Schicht geendet hatte, verließ der Beklagte den Betrieb, ohne den Ersatzteil einzubauen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen wurden dem Beklagten bei seinem Weggang nicht mehr angedroht. In der Folge veranlaßte der Kläger den Einbau des Ersatzteiles durch einen anderen Mitarbeiter. Der Beklagte arbeitete noch bis 16. Juni 1987 im Betrieb; ab diesem Zeitpunkt wurde er dienstfrei gestellt. In der Zeit vom 1. Juni 1987 bis 16. Juni 1987 fehlte es bei der klagenden Partei an Betriebselektrikern und -mechanikern, weil Franz W*** und Klaus S*** erkrankt waren. Der Beklagte hatte bis Jahresanfang 1987 im Drei-Schicht-Betrieb Nachtdienst geleistet; danach wurde er betriebsbedingt nicht mehr im Nachtdienst eingesetzt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dem Beklagten sei die Nichtbefolgung der Weisungen des Arbeitgebers subjektiv nicht anzulasten, weil er die Arbeit nicht aus einem "Justamentstandpunkt" ohne Begründung verweigert habe, sondern sich bei seiner Vorgangsweise von eigenen technischen Überlegungen über den zweckmäßigen Einbau eines Eisenteiles leiten habe lassen. Dem Beklagten sei daher keine beharrliche Pflichtverletzung, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen. Darüber hinaus habe die klagende Partei durch das Zuwarten mit der Suspendierung bis 14 Tage nach dem Vorfall zu erkennen gegeben, daß ihr die Weiterbeschäftigung des Beklagten im Hinblick auf die disziplinäre Ordnung im Betrieb zumutbar gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteige und vertrat - ausgehend von den nur vom Beklagten in der Berufungsbeantwortung bekämpften Feststellungen des Erstgerichtes - die Rechtsauffassung, daß dem Beklagten eine beharrliche Pflichtverletzung im Sinne des § 121 Z 3 ArbVG vorzuwerfen sei, weil sich der Beklagte über die klaren Weisungen seines Vorgesetzten und des Klägers, den Aluminiumersatzteil einzubauen, hinweggesetzt und damit besondere Unnachgiebigkeit und Hartnäckigkeit gezeigt habe. Der Kündigungstatbestand des § 121 Z 3 ArbVG erfordere aber über das Tatbestandsmerkmal der beharrlichen Pflichtverletzung hinaus, daß dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitgliedes aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden könne. Ein Vorbringen in dieser Richtung habe die klagende Partei aber weder erstattet noch habe das Beweisverfahren ergeben, daß durch das Verhalten des Klägers ab 1. Juni 1987 der Arbeitsablauf derart gestört und das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten im Betrieb derart bekannt geworden wäre, daß als Reaktion des Arbeitgebers zur Wiederherstellung der Arbeitsdisziplin nur eine sofortige Dienstfreistellung in Frage gekommen wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist es als zweites Tatbestandsmerkmal nach § 121 Z 3 ArbVG erforderlich, daß dem Arbeitgeber auf Grund der beharrlichen Pflichtverletzung eine Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitgliedes aus Gründen der Arbeitsdisziplin nicht zugemutet werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die beharrlichen Pflichtverletzungen im Betrieb so allgemein bekannt geworden sind oder den Arbeitsablauf derart stören, daß nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem betroffenen Betriebsratsmitglied geeignet ist, die Arbeitsdisziplin zu sichern (siehe Floretta in Floretta-Strasser Kommentar zum ArbVG 852; Cerny ArbVG 621). Den Kläger trifft für dieses Tatbestandsmerkmal ebenso die Behauptungs- und Beweislast wie für jenes der beharrlichen Pflichtverletzung. Die klagende Partei hat in der Klage dazu lediglich vorgebracht, daß sich der Beklagte beharrlich weigerte, die wiederholte Weisung über den Einbau des Aluminiumersatzteiles zu befolgen und auch schon vorher Anweisungen des Werkmeisters nicht befolgt habe. Der letzte Satz der Klagserzählung "aus den angeführten Gründen erscheint eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar ...." kann daher nur als Hinweis auf die besondere Beharrlichkeit der Pflichtverletzung, nicht aber als Vorbringen zum zweiten Tatbestandsmerkmal des § 121 Z 3 ArbVG aufgefaßt werden. Auch das Beweisverfahren hat, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, keine Hinweise dafür ergeben, daß das Verhalten des Klägers zu einer gravierenden Störung des Arbeitsablaufes geführt hätte oder im Betrieb so allgemein bekannt geworden wäre, daß die Weiterbeschäftigung des Beklagten eine Gefährdung der Arbeitsdisziplin im Betrieb zur Folge gehabt hätte. Gegen die Annahme einer Beeinträchtigung der Arbeitsdisziplin spricht vielmehr, daß die Reparatur der Maschine durch das Verhalten des Beklagten nicht allzulange verzögert wurde - der Aluminiumersatzteil stand erst um 12.00 Uhr zur Verfügung und wurde nach dem Weggang des Beklagten nach 14.00 Uhr von einem anderen Mitarbeiter eingebaut - und daß der Beklagte - auch wenn dies wegen eines Engpasses an qualifiziertem Personal notwendig gewesen sein sollte - immerhin noch 14 Tage weiterbeschäftigt wurde. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte