Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin betreibt in Linz-Wegscheid, Wels, Salzburg-Anif, Ried und Vöcklabruck Verbrauchermärkte, in denen
Lebensmittel - insbesonders auch Fleisch- und Wurstwaren -, Haushaltswaren, Kosmetikartikel und Waschmittel, Sportartikel, Textilien und Autozubehör sowie Elektroartikel angeboten werden. Die Beklagte betreibt in Wels unter der Bezeichnung "D*** Großmarkt" einen Verkaufsmarkt mit Warenangeboten der gleichen Sparten. Am 3. November 1987 verteilte die Beklagte ein Flugblatt, in dem eine 500-g-Packung Staubzucker um S 7,90 angeboten wurde, obwohl der Einstandspreis einschließlich aller Abgaben hiefür S 8,36 betragen hatte. Am 16. November 1987 bot die Beklagte in der "OÖ Kronen-Zeitung" eine Kiste Schützen-Bier mit 20 Flaschen um S 59,50 sowie 1 kg Weizenmehl gekoppelt mit 1 kg Feinkristallzucker um S 19,90 an; auch diese Preise lagen unter den Einstandspreisen. Schon im Juni 1987 hatte die Beklagte in ihrem Verkaufsmarkt in Wels eine Kiste Bier der Marke Zipfer Urtyp um S 117,90 und damit unter dem damaligen Einstandspreis angeboten. Mit Schreiben vom 30. Juni 1987 hatte die Klägerin diesen Sachverhalt der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, Sektion Handel, mit dem Ersuchen mitgeteilt, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um dieser Vorgangsweise der Beklagten Einhalt zu gebieten. Mit Schreiben vom 15. Juli 1987 hatte die genannte Sektion der Klägerin geantwortet, daß sie auf Grund des erwähnten Schreibens vom 30. Juni 1987 die Beklagte auf den offensichtlichen Verstoß gegen das Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis hingewiesen und um Stellungnahme ersucht habe; die Geschäftsführung der Beklagten habe sich sofort nach Erhalt des Schreibens telefonisch für diese Vorgangsweise entschuldigt und sich auf einen Irrtum in der Werbeabteilung berufen. Schriftlich sei bestätigt worden, daß diese Aktion eingestellt worden sei; die Beklagte habe die Erklärung abgegeben, daß eine "Unterfahrung des Einstandspreises bei Zipfer-Bier nicht geplant gewesen sei".
Auf ein entsprechendes Schreiben der Klägerin vom 3. November 1987 antwortete die Kammmer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, Sektion Handel, am 14. Dezember 1987 der Klägerin, daß sie die Beklagte angeschrieben habe. Diese habe geantwortet, daß bei der Erstellung ihres Flugblattes vom 3. November 1987 bedauerlicherweise übersehen worden sei, den Preis für Staubzucker in der 500-g-Packung inklusive aller Steuern und Abgaben anzubieten; sofort nach Bekanntgabe sei der Preis gemäß § 3 a NVG erhöht bzw. richtiggestellt und den Erfordernissen angepaßt worden; in Zukunft werde man bemüht sein, die Bestimmungen einzuhalten.
Ob die Beklagte außer den geschilderten Verstößen vom Juni 1987 sowie vom 3. und 16. November 1987 weitere Verstöße gegen das Nahversorgungsgesetz durch Unterschreiten des Einstandspreises begangen hat, steht nicht fest.
Mit der Behauptung, daß sich die Beklagte seit längerer Zeit auf unzulässige Weise dadurch einen Wettbewerbsvorsprung verschaffe, daß sie wiederholt Waren entgegen § 3 a NVG unter dem Einstandspreis verkaufe und damit gegen eine wettbewerbsregelnde Norm verstoße, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites zu verbieten, Waren, die dem § 3 a NVG unterliegen, unter dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben zu verkaufen sowie einen solchen Verkauf anzubieten und anzukündigen. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Da sich die Klägerin einzig und allein auf § 3 a NVG berufe, sei der streitige Rechtsweg unzulässig; das NVG habe keine neuen, nach dem UWG zu verfolgenden Tatbestände geschaffen. Grundsätzlich sei das Preisunterbieten ein im Wettbewerb erlaubtes Kampfmittel; es unterliege nur den Sanktionen nach §§ 6 ff NVG. Dem aus Deutschland kommenden Marktleiter des D*** Marktes Wels sei im November 1987 ein Irrtum unterlaufen; ein bewußtes, planmäßiges Vergehen liege nicht vor. Im Juni 1987 sei eine Verletzung des § 3 a NVG jedenfalls in der behaupteten Form nicht erfolgt.
Der Erstrichter wies den Sicherungsantrag ab. Er nahm die unter den Einstandspreisen gelegenen Angebote vom 3. und 16. November 1987 sowie das Schreiben der Klägerin vom 30. Juni 1987 und der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich vom 4. Dezember 1987 als bescheinigt an, ebenso aber auch die Tatsache, daß seit dem letztgenannten Schreiben die Beklagte keinen weiteren Verstoß gegen § 3 a NVG mehr begangen habe. Rechtlich meinte er, daß ein Verstoß gegen das NVG zwar gleichzeitig ein Verstoß gegen § 1 UWG sein könne, daß aber der hier allein behauptet und festgestellte Verstoß gegen § 3 a NVG für sich allein nicht ausreiche, um darin ein Handeln gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) zu erblicken. Beim Nahversorgungsgesetz handle es sich nicht um eine Vorschrift, die Ausdruck sittlicher Wertung sei; dieses Gesetz enthalte keine Verbotsnormen, sondern nur Untersagungsbefugnisse; es sei daher unzulässig, Sachverhalte, die Tatbestände des Nahversorgungsgesetzes erfüllen, als Verletzung wettbewerbsregelnder Normen unter § 1 UWG zu subsumieren. Anders wäre es, wenn die Beklagte den Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz in der Absicht begangen hätte, sich durch eine fortgesetzte und planmäßige Mißachtung des Gesetzes Wettbewerbsvorteile zu verschaffen; das habe die Klägerin jedoch nicht bescheinigen können, zumal zwischen Juni 1987 und Ende Jänner 1988 nur insgesamt 4 Verletzungen des § 3 a NVG begangen worden seien, wobei ein allfälliger Verstoß vom Juni 1987 bereits verjährt wäre (§ 20 UWG).
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt an und folgerte daraus rechtlich:
§ 9 NVG regle das Verhältnis zwischen § 3 a NVG und § 1 UWG dahin, daß durch das NVG die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb unberührt bleiben. Das bedeute, daß ein gegen das Nahversorgungsgesetz verstoßendes Verhalten gleichzeitig auch dem UWG zuwiderlaufen und daher nicht nur zur Einleitung eines außerstreitigen Verfahrens vor dem Kartellgericht, sondern auch zu einem Rechtsstreit vor dem ordentlichen Gericht führen könne. Ob ein Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz als Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Norm schon für sich allein - also auch ohne Vorliegen besonderer "Unlauterkeitskriterien" - ein Zuwiderhandeln gegen § 1 UWG bedeute, sei bisher von Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet worden.
Wenn das - schon seit Mitte der 60iger-Jahre und dann wieder anläßlich der Einführung des Nahversorgungsgesetzes geforderte - Verbot des Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis durch die NVG-Novelle 1980 BGBl. 121 für bestimmte, mehr oder weniger täglich benötigte und überdies höchstpreisgeregelte Waren doch eingeführt worden sei, dann deshalb, weil sich günstige und werbemäßig entsprechend herausgestellte Preise für diese Waren besonders gut als "Lockmittel" eigneten; sie würden in der Erwartung angekündigt, das solchermaßen angelockte Kunden dann auch andere Produkte kauften. Praktisch könnten von dieser Werbemethode aber nur die Großbetriebe des Einzelhandels profitieren, und zwar zu Lasten der kleinen Händler, für die der tägliche Grundbedarf den wesentlichen Umsatzträger liefere. Das Nahversorgungsgesetz sei also eine Vorschrift wettbewerbsregelnden Charakters. Die Verletzung solcher Vorschriften bewirke einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern und sei unlauter im Sinne des § 1 UWG. Für das Verhältnis Nahversorgungsgesetz - UWG werde aber diese Regel eine Einschränkung erfahren müssen: Das Nahversorgungsgesetz knüpfe die Verletzung des kaufmännischen Wohlverhaltens an keine Voraussetzungen wie Marktmacht, Pression oder wettbewerbsverzerrenden Effekt. Ob auch ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt, werde daher von typischen Unlauterkeitskriterien abhängen müssen. Immer handle es sich dabei um eine Art erfolgsqualifizierter Unlauterkeit: Es müsse eine Gefahr für das Bestehen der Ordnungsfunktion des Wettbewerbs vorliegen. Das Rekursgericht vertrete daher die Auffassung, daß ein Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz als Verletzung einer wettbewerbsregelnden Norm nur bei Vorliegen besonderer "Unlauterkeitskriterien" ein Zuwiderhandeln auch gegen § 1 UWG bedeute. Im vorliegenden Fall werde dieses von der Beklagten zu vertretende Unlauterkeitskriterium darin erblickt, daß die Beklagte geradezu planmäßig gegen § 3 a NVG verstoße; diese Planmäßigkeit liege darin, daß die Beklagte sich zwar auf Vorhalt der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel, mit einem Irrtum der Werbeabteilung entschuldige, in der Folge jedoch erneut gegen § 3 a NVG verstoße. Der von der Beklagten behauptete Wechsel in der Marktleitung sowie die Unerfahrenheit eines aus Deutschland stammenden neuen Marktleiters sei von ihr selbst zu vertreten. Daß sich die Beklagte durch ihre wiederholten Verstöße gegen § 3 a NVG einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wolle, liege in der Natur eines solchen Verstoßes. Die Beklagte habe sich durch die planmäßige Mißachtung von Bindungen, die für alle Mitbewerber gelten, zu Lasten ihrer gesetzestreuen Konkurrenten einen durch Leistung nicht legitimierten Vorsprung verschafft und somit gegen § 1 UWG verstoßen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstrichters wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Die Beklagte meint, daß sie mit den festgestellten Verletzungen des Nahversorgungsgesetzes nicht gegen § 1 UWG verstoßen habe, weil kein typisches Unlauterkeitskriterium, das über den bloßen Normverstoß hinausgehe, vorhanden sei. Dem ist nicht zu folgen:
Das Verhältnis der Vorschriften des Nahversorgungsgesetzes zu denjenigen des UWG regelt § 9 NVG dahin, daß durch dieses Gesetz "die Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb unberührt bleiben". Das bedeute zunächst, daß ein gegen das Nahversorgungsgesetz verstoßendes Verhalten gleichzeitig auch dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zuwiderlaufen und daher nicht nur zur Einleitung eines (außerstreitigen) Verfahrens vor dem Kartellgericht, sondern auch zu einem Rechtsstreit vor dem ordentlichen Gericht führen kann (SZ 52/115; SZ 56/9 mwN). Ob darüber hinaus ein Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz als Verletzung einer wettbewerbsregelnden Norm schon für sich allein ein Zuwiderhandeln gegen § 1 UWG bedeutet, wird - wie schon das Gericht zweiter Instanz dargelegt hat - in der Lehre unterschiedlich beantwortet. Während nach John (GRURInt 1978, 343 ff !346 f ) Verstöße gegen das Verbot nicht leistungsgerechten Wettbewerbs nach dem Nahversorgungsgesetz in jedem Fall einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern bewirken und daher sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG sind, und auch Schuhmacher ("Quo vadis", österreichisches Wettbewerbsrecht ?, ÖJZ 1978, 314 ff !317 f ) meint, daß die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Sittenwidrigkeit der Verletzung von Vorschriften mit wettbewerbsregelndem Charakter dazu zwingen werde, die Einhaltung des Nahversorgungsgesetzes auch über § 1 UWG durchsetzen zu können, vertreten Barfuß (Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen !"NVG" , ÖZW 1978, 10 ff !14 ), Karsch (Verletzungen des Nahversorgungsgesetzes als Wettbewerbsverstoß ? ÖBl 1979, 91 f), Harrer (Normverstoß und § 1 UWG, ÖBl 1981, 89 ff !95 ) und Koppensteiner (Wettbewerbsrecht2, 263 f) die Auffassung, daß ein "bloßer" Verstoß gegen das Nahversorgungsgesetz - ohne Hinzutreten "typischer Unlauterkeitskriterien" (Karsch aaO) - nicht auch dem § 1 UWG unterstellt werden könne. Dem kann zwar insoweit gefolgt werden, als eine Verletzung des Nahversorgungsgesetzes schon im Hinblick auf das in §§ 6 f dieses Gesetzes vorgesehene besondere Verfahren vor dem Kartellgericht jedenfalls nicht "ohne weiteres" auch dem § 1 UWG unterstellt werden kann. Der Oberste Gerichtshof vertritt aber in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß eine dem Beklagten subjektiv vorwerfbare, in der Absicht, im Wettbewerb einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen, begangene Gesetzesverletzung immer auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG bedeutet. Warum das gerade für die - durchwegs wettbewerbsregelnden - Bestimmungen des Nahversorgungsgesetzes nicht gelten soll d, ist nicht zu sehen (in diesem Sinn auch Schuhmacher aaO 318; 4 Ob 359/86).
Die angeführten "Unterlauterkeitskriterien" sind aber auch im vorliegenden Fall gegeben: Daß die Beklagte nicht mit gutem Grund von der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens ausgehen durfte, vielmehr eine zumindest fahrlässige Verletzung des § 3 a Abs 1 NVG zu verantworten hat, ergibt sich schon aus dem insoweit klaren und unmißverständlichen Wortlaut der angeführten Gesetzesstelle; ob sich der Marktleiter der Beklagten über die Rechtslage geirrt oder ganz bewußt gegen das ihm bekannte Gesetz verstoßen hat, ist rechtlich ohne Bedeutung. Die Absicht der Beklagten, sich durch den beanstandeten Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis einen sachlich nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, bedarf schon auf Grund des objektiven Charakters eines solchen Verhaltens keines Beweises (und ist auch von der Beklagten gar nicht in Abrede gestellt worden). Unter diesen Umständen ist aber der vom Kläger gegen die Beklagte erhobene Vorwurf eines Verstoßes (auch) gegen § 1 UWG gerechtfertigt.
Darauf, ob die Beklagte auch nach dem November 1987 neuerlich gegen § 3 a NVG verstoßen hat, kommt es nicht an, zumal sie selbst nicht den Einwand mangelnder Wiederholungsgefahr erhoben hat; in der unterbliebenen Aufnahme von Bescheinigungsmitteln zur Behauptung der Beklagten, es habe nur irrtümliche Aktionen des neuen Verkaufsleiters gegeben, liegt daher kein Mangel des Verfahrens zweiter Instanz.
Der Revisionsrekurs mußte mithin erfolglos bleiben. Der Ausspruch über die Kosten der Beklagten gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, 40, 50, 52 ZPO, jener über die Kosten der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO.
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