Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,30 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 8. März 1986 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe, der der mj. Patrick, geboren am 27. September 1985, entstammt. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wels. Der Beklagte hat die Ehe gebrochen. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Sie macht den Ehebruch und folgende weitere Eheverfehlungen geltend: Der Beklagte habe sie wiederholt gefährlich bedroht und grob beschimpft, er habe seine Unterhaltspflicht verletzt, verweigere die Herausgabe des Kindes und habe im Dezember 1986 die Ehewohnung verlassen. Der Beklagte stellte einen Mitschuldantrag gestützt auf die Behauptungen, die Klägerin habe gleichfalls die Ehe gebrochen, die Pflege des Kindes und die Haushaltsführung vernachlässigt, die Unterschrift des Beklagten gefälscht und die eheliche Gemeinschaft grundlos aufgehoben.
Das Erstgericht schied die Ehe aus beiderseitigem, jedoch
überwiegendem Verschulden des Beklagten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen verlief die Ehe schon in den ersten Monaten nicht sehr harmonisch. Der Beklagte beanstandete die Haushaltsführung der Klägerin und deren Kochgewohnheiten. Die Klägerin kochte ihm zuviele Fleischspeisen. Es kam fallweise vor, daß Lebensmittel im Kühlschrank verdarben. Der Beklagte griff einige Male selbst zum Staubsauger und reinigte die Wohnung. Er war in dieser Hinsicht sehr penibel. Die Haushaltsführung der Klägerin entsprach der in vergleichbaren Durchschnittshaushalten, nicht jedoch den Anforderungen des Beklagten, was Ursache vieler Streitigkeiten war. Im Zuge der Streitigkeiten bezeichnete der Beklagte die Klägerin als Trampel. Im Dezember 1986 und im Jänner 1987 gehörten diese Beschimpfungen zur Tagesordnung.
Der Beklagte versuchte während der Ehe mehrfach, sich der Schwester der Klägerin zu nähern. Diese Versuche führten im Sommer 1986 zu einem Geschlechtsverkehr zwischen beiden. Ende August oder Anfang September 1986 gestand die Schwester der Klägerin dieser den Ehebruch. Die Klägerin stellte den Beklagten zur Rede, der den Ehebruch zugab. Die Ehegatten kamen überein, die Scheidung anzustreben. Die Klägerin empfand den Vorfall so gravierend, daß sie die Ehe als gescheitert ansah und nicht mehr bereit war, die Ehe fortzusetzen. Es kam auch nicht mehr zu einem Geschlechtsverkehr zwischen den Ehegatten. Der Beklagte stellte auch Karin S***, einer Freundin der Klägerin, nach.
Der Beklagte war sehr eifersüchtig und nicht damit einverstanden, daß die Klägerin nachmittags oder abends mit Freundinnen ausging. Auch wegen der Eifersucht des Beklagten kam es oft zu Streitigkeiten. Im Zuge der Streitigkeiten drohte der Beklagte der Klägerin in der Zeit zwischen Juni und Dezember 1986 mehrfach, sie umzubringen. Bei einem dieser Vorfälle im Juni 1986 verwendete er ein Messer, hielt dieses in die Nähe des Halses der Klägerin und sagte, er werde sie umbringen. Der Beklagte hatte jedoch niemals einen Tötungs- oder Verletzungsvorsatz. Die Weihnachtsfeiertage 1986 verbrachten die Streitteile bei den Eltern des Beklagten in Bad Aussee. Zwischen Weihnachten und Neujahr erklärte der Beklagte, er müsse nach Wels, um dort etwas zu regeln. Die Streitteile ließen den Sohn bei den väterlichen Großeltern in der Meinung, sie würden beide bald zurückkehren und fuhren nach Wels. Dort kam es zu einem heftigen Streit und die Klägerin verließ vorerst für einige Tage den Beklagten. Dieser kehrte nach Bad Aussee zurück und nützte die Situation dahin aus, daß er den Sohn bei seinen Eltern in Pflege beließ. Diese verweigerten der Klägerin die Herausgabe des Kindes. Im Zusammenhang mit dem Vorfall in Wels vor Neujahr 1987 entschloß sich die Klägerin endgültig, die Ehe zu beenden. Seit der Trennung der Ehegatten unterband der Beklagte den Kontakt der Klägerin zu dem Kind. Die Klägerin erhielt vom väterlichen Großvater Hausverbot.
Während der Ehe bezog die Klägerin bis September 1986 S 7.000 monatlich Karenzgeld und danach etwa S 4.500 monatlich Notstandshilfe. Am 1. April 1986 war der Beklagte zum Grundwehrdienst eingezogen worden. Während des Präsenzdienstes des Beklagten erhielt die Klägerin auch Leistungen nach dem Heeresversorgungsgesetz. Seit 1987 bezahlt der Beklagte der Klägerin aufgrund eines Unterhaltsvergleiches S 1.000 monatlich. Ein Wirtschaftsgeld gab er der Klägerin nie. Er tätigte aber fallweise größere Wareneinkäufe.
Anfang März 1987 bestellte die Klägerin bei einem Versandhaus Waren zum Preise von etwas über S 1.000 und unterschrieb die Bestellung mit dem Namen des Beklagten, weil auch zuvor Bestellungen immer unter seinem Namen getätigt worden waren. Die Klägerin erhielt diese Waren und bezahlte sie auch. Der Beklagte wurde aus diesem Geschäft nie in Anspruch genommen.
Ein Ehebruch der Klägerin wurde von den Vorinstanzen nicht als erwiesen angenommen.
Nach der Auffassung der Vorinstanzen seien dem Beklagten der Ehebruch, die wiederholten Bedrohungen der Klägerin und die Unterbindung des Kontaktes der Klägerin zu dem Kind als schwere Eheverfehlungen anzulasten. Der Klägerin fielen dagegen die Bestellung von Waren unter dem Namen des Beklagten und der Umstand zur Last, daß sie den Haushalt in einer Weise geführt habe, die nicht den Vorstellungen des Beklagten entsprochen habe. Es komme nicht darauf an, ob die Haushaltsführung objektiv ordnungsgemäß gewesen sei, sondern darauf, daß die Klägerin damit rechnen habe müssen, durch ihre Art der Haushaltsführung eine Quelle für neue Streitigkeiten zu schaffen. Die Klägerin habe dadurch einen Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet. Die Verschuldensabwägung ergebe jedoch, daß das Verschulden des Beklagten erheblich schwerer sei als das der Klägerin, deren Verschulden fast völlig in den Hintergrund trete. Der Beklagte habe nicht nur durch seine wiederholten Beschimpfungen und Bedrohungen der Klägerin die Zerrüttung der Ehe eingeleitet, sondern durch den Ehebruch die Zerrüttung der Ehe endgültig herbeigeführt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Nach der Rechtslage des Art. 10 Z 4 des Bundesgesetzes vom 11. November 1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes, BGBl. 566, sind Neuerungen im Berufungsverfahren auch im Ehescheidungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen (7 Ob 541/85 ua). Unerörtert bleiben kann im vorliegenden Fall, ob und inwieweit neues Tatsachenvorbringen auch dann unzulässig ist, wenn das Berufungsgericht die vom Erstgericht aufgenommenen Beweise ergänzt (vgl. SZ 19/278; SZ 22/105). Auf die Verzeihung ist nach neuerer Ansicht (RZ 1980/29; 7 Ob 608/88) von Amts wegen jedenfalls dann Bedacht zu nehmen, wenn sich aufgrund des in Erscheinung getretenen Verhaltens des beklagten Ehegatten Anhaltspunkte dafür ergeben (aM EFSlg. 10.337, 2435). Im übrigen hat aber jene Umstände, aus denen sich das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Anwendung des § 56 EheG im Zeitpunkt der Klagserhebung ergibt, der beklagte Ehegatte zu beweisen (EFSlg. 51.634, 34.022). Der Beklagte kann sich hier nur darauf berufen, daß die Klägerin die Scheidungsklage erst rund ein halbes Jahr nach seinem Ehebruch eingebracht hat. Die Verzeihung ist ein innerer Vorgang. Für die Annahme der Verzeihung ist die Äußerung dieses inneren Vorganges bei voller Kenntnis der Verfehlungen des anderen Ehegatten dahin notwendig, die Ehe vorbehaltslos fortsetzen zu wollen (EFSlg. 51.632 ua). Allein das Zuwarten mit der Einbringung der Scheidungsklage rechtfertigt noch nicht den Schluß, daß die Klägerin das ehewidrige Verhalten des Beklagten nicht mehr als solches empfand und bereit war, die Ehe mit dem Beklagten vorbehaltslos fortzusetzen (vgl. EFSlg. 51.638, 41.263). Dies umso weniger, als feststeht, daß die Klägerin, nachdem sie Ende August oder Anfang September vom Ehebruch des Beklagten erfahren hatte, die Ehe als gescheitert empfand und nicht mehr bereit war, mit dem Beklagten die Ehe fortzusetzen, die Ehegatten schon damals übereinkamen, die Scheidung anzustreben und zwischen ihnen in der Folgezeit nicht einmal mehr ein Geschlechtsverkehr stattfand. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht eine Verzeihung verneint.
Bei der Verschuldensabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet hat und wodurch die Zerrüttung der Ehe unheilbar wurde (EFSlg. 51.643, 51.647 ua). Nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg. 51.653 ua). Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich klar, daß der Ehebruch des Beklagten die entscheidende Ursache für die Zerrüttung der Ehe war. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann hier auf die obigen Ausführungen zur Frage der Verzeihung verwiesen werden. Da die Ehe Ende August bzw. Anfang September 1986 jedenfalls unheilbar zerrüttet war, würde sich nach den dargelegten Grundsätzen am Ergebnis selbst dann nichts ändern, wenn festgestellt worden wäre, daß die Klägerin dem Beklagten im August 1987 das Kind unberechtigt entzogen hat. Nach dem Gesagten braucht auch auf die Revisionsausführungen zur Milieubedingtheit der Drohungen des Klägers nicht mehr eingegangen zu werden. Es hätte beim Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten nämlich auch dann zu bleiben, wenn man in dieser Frage dem Standpunkt der Revision folgte.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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