OGH 6Ob660/88

OGH6Ob660/886.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Abhandlung der Verlassenschaft nach der am 12.Mai 1987 gestorbenen Maria Magdalena M***, Bäuerin in Kitzbühel, Römerweg 118, wegen Bestellung eines Verlassenschaftskurators, infolge Revisionsrekurses des Ziehsohnes der Erblasserin Johann F***, Bauer, und dessen Ehefrau Angelika F***, Bäuerin, beide in Kitzbühel, Römerweg 118, beide vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Juli 1988, GZ 3 b R 42/88-41, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 22.Februar 1988, GZ A 144/87-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zur Verlassenschaft nach der am 12.Mai 1987 gestorbenen Erblasserin gaben einerseits deren Adoptivtochter aufgrund einer letztwilligen Verfügung vom 4.März 1987 und andererseits der Ziehsohn der Erblasserin und dessen Ehefrau aufgrund einer letztwilligen Verfügung vom 28.April 1987 Erbserklärungen ab. Diese einander widersprechenden Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen, der Adoptivtochter ist gemäß § 125 AußStrG die Klägerrolle zugewiesen, die Klagsfrist ist noch nicht abgelaufen. Die Erblasserin war gemeinsam mit ihrem etwa ein Vierteljahr vor ihr gestorbenen Ehemann zu je einem Hälfteanteil Eigentümer von vier Tiroler geschlossenen Höfen und mehreren walzenden Gütern (Einzelheiten können der Sachverhaltsdarstellung in der Revisionsrekursentscheidung vom 14.April 1988, ON 42 = 6 Ob 553/88 entnommen werden).

Der Ziehsohn der Erblasserin und dessen Ehefrau hatten in der vor dem Gerichtskommissär am 18.Dezember 1987 stattgefundenen Tagsatzung beantragt, ihnen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen. Die Adoptivtochter hat sich mit Rücksicht auf die einander widersprechenden Erbserklärungen gegen diesen Antrag ausgesprochen.

In inhaltlicher Abweisung des gemäß § 145 AußStrG gestellten Antrages bestellte das Abhandlungsgericht einen Rechtsanwalt zum Verlassenschaftskurator.

Sowohl die Adoptivtochter der Erblasserin als auch deren Ziehsohn und dessen Ehefrau erachteten die Bestellung eines Verlassenschaftskurators als nicht notwendig und erhoben gegen den Bestellungsbeschluß Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht bestätigte die Bestellung des Verlassenschaftskurators.

Der Ziehsohn der Erblasserin und dessen Ehefrau erheben Revisionsrekurs. Sie stellen ihre in drei Punkte gegliederten Rechtsmittelausführungen unter sämtliche im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe, führen aber der Sache nach keinen dieser Rekursgründe schlüssig aus.

Worin ein mit Nichtigkeit bedrohter Verfahrensverstoß gelegen sein soll und welche tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen in einer wesentlichen Abweichung vom Inhalt einer schriftlichen oder protokollierten Parteienerklärung oder einer in den Akten befindlichen Urkunde zugrundegelegt worden sein sollen, ist in keiner Weise zu erkennen. Die Rechtsmittelausführungen können daher lediglich als Darlegung einer unter Bedachtnahme auf die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung augenfällig einer positiven Gesetzesanordnung oder einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz zuwiderlaufenden Annahme der Voraussetzungen für die Kuratorbestellung aufgefaßt werden:

Die Revisionsrekurswerber beanspruchen für sich gegenüber dem von der Adoptivtochter aufgrund der zeitlich vorangehenden letztwilligen Verfügung geltend gemachten Erbanspruch das stärkere Recht. Darüber ist im Rechtsstreit zu entscheiden. Diese Entscheidung ist weder, wie bereits in der Vorentscheidung ausgeführt wurde, bei der abhandlungsgerichtlichen Zuweisung der Klägerrolle gemäß § 125 ABGB, noch bei der Entscheidung über die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses vorwegzunehmen. Die Streitfrage nach dem besseren Erbrecht ist vielmehr für das Abhandlungsverfahren bis zum fruchtlosen Verstreichen der Klagsfrist oder der rechtskräftigen Beendigung des Erbrechtsstreites in Schwebe. Wenn die Vorinstanzen diese Ungewißheit über die wahre Erbeneigenschaft der miteinander im Widerstreit stehenden Erbansprecher den im § 78 AußStrG bezeichneten Fällen als Bestellungsvoraussetzung gleichgehalten haben, haben sie eine Gesetzeslücke durch Analogie geschlossen, ohne daß die Revisionsrekurswerber einen in die Augen fallenden Verstoß gegen anerkannte Gesetzesauslegungsregeln aufzuzeigen vermögen. Die Revisionsrekurswerber weisen weiters darauf hin, daß nach ihrer Ansicht zu einer Besorgung und Verwaltung der Verlassenschaft derzeit keine Notwendigkeit bestünde, weil die Verlassenschaft in der Hauptsache aus Liegenschaften bestehe, die "aufgrund üblicher bäuerlicher Vereinbarungen in Pacht" gegeben seien. Nach dem aktenkundigen Standpunkt der Widerstreiterben steht die Annahme einer längeren Dauer des Erbrechtsstreites und einer demgemäß langen Dauer des Abhandlungsverfahrens nicht im Widerspruch zu den Prozeßerfahrungen. Aktenkundig sind Vertragsansprüche der Adoptivtochter aus einem mit der Erblasserin geschlossenen Pflichtteilsregelungsübereinkommen im Zusammenhang mit der Abhandlung nach dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin. Zu jener Verlassenschaft hat die Erblasserin eine unbedingte Erbserklärung abgegeben und war daher Hauptbeteiligte in einem anhängigen gerichtlichen Verfahren. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Aktenlage die Notwendigkeit einer Vertretung des Nachlasses während der voraussichtlich längeren Dauer der Abhandlung als notwendig befunden haben, kann darin ebenfalls kein augenfälliger Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze gesehen werden.

Mit den Ausführungen zum dritten Punkt des Revisionsrekurses versuchen die Rechtsmittelwerber darzulegen, daß die Verpachtung der den Hauptbestandteil des Nachlasses bildenden Liegenschaften eine Nachlaßverwaltung entbehrlich mache. Dabei verkennen sie völlig die einander entgegengesetzten Vertragsinteressen von Bestandgeber und Bestandnehmer, den Umstand, daß in die Verlassenschaft die von dieser wahrzunehmenden Interessen des Liegenschaftseigentümers und Verpächters gefallen sind, und daß an der Wahrnehmung der Vertragsinteressen aus einem Dauerschuldverhältnis oder einem absoluten Recht zumindest latent ein stetes Bedürfnis besteht. Dieses wird keinesfalls dadurch verdrängt, daß ein Vertragspartner seine Rechte ausübt. Die zum dritten Punkt des Revisionsrekurses entwickelte Ableitung vermag keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, sie muß sich vielmehr selbst den Vorwurf eines augenfälligen Rechtsirrtums gefallen lassen. Mangels Darlegung eines nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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