Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger besitzt die Berechtigung zum Betrieb des Kfz-Mechanikerhandwerksgewerbes und des Gewerbes des Kleinhandels mit Kraftfahrzeugen und ist auch als Sachverständiger für Kraftfahrzeugwesen tätig. Am 31. Oktober 1985 fuhr der Kläger im Auftrag der Nordstein-Versicherung nach Eibiswald, um dort als Sachverständiger den Schaden an einem Kraftfahrzeug zu beurteilen. Auf dieser Fahrt ereignete sich ein Unfall, bei dem der Kläger Verletzungen erlitt.
Der Kläger begehrt die beklagte Partei zur Gewährung von Leistungen gemäß § 173 ASVG insbesonders einer Versehrtenrente in der gesetzlichen Höhe zu verpflichten. Er beschäftige sich hauptsächlich mit der Instandsetzung von beschädigten Fahrzeugen und der Vermittlung von gebrauchten und neuen Fahrzeugen. Zur Steigerung seines betrieblichen Umsatzes habe er sich in die Sachverständigenliste eintragen lassen. Anläßlich seiner Tätigkeit als Sachverständiger prüfe er die wirtschaftliche Verwertbarkeit der beschädigten Fahrzeuge für seinen Betrieb.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Der Kläger genieße nur innerhalb seiner gewerblichen Tätigkeit als Kfz-Mechaniker und Kfz-Händler Unfallversicherungsschutz. Seine Tätigkeit als Sachverständiger habe mit diesem Betrieb nichts zu tun. Die im Rahmen der Sachverständigentätigkeit übernommene Fahrt sei daher nicht unter Versicherungsschutz gestanden. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung in klagestattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Rechtsansicht des Klägers, daß die Sachverständigentätigkeit an sich von der Kammermitgliedschaft umfaßt und der fragliche Unfall schon aus diesem Grund dem Versicherungsschutz unterlegen sei, kann allerdings nicht beigetreten werden. Der Versicherungsschutz, der durch die Kammermitgliedschaft begründet wird, besteht ausschließlich für die Tätigkeiten, die im unmittelbaren, örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage dieser Kammermitgliedschaft bildet. Mag auch die Bestellung zum Sachverständigen und die Beiziehung als solcher in konkreten Fällen in der gewerblichen Tätigkeit des Klägers begründet gewesen sein, so ändert dies nichts daran, daß diese Tätigkeit, selbst wenn sie den Kläger zu einem wesentlichen Teil in Anspruch genommen haben sollte, keinen Teil seiner gewerblichen Tätigkeit bildet. Der Umfang der Gewerbeberechtigungen ergibt sich aus der Gewerbeordnung; eine Tätigkeit als Sachverständiger fällt nicht darunter. Voraussetzung für die Tätigkeit als solche, ist die Eintragung in die Sachverständigenliste. Der Bewerber hat dabei unter anderem die Sachkunde und eine - abgesehen von Ausnahmsfällen - 10jährige möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung nachzuweisen; nicht erforderlich ist, was die Revision unzutreffend unterstellt, der Besitz einer entsprechenden Gewerbeberechtigung. Auf der Grundlage dieser Bestellung übt der Sachverständige seine Tätigkeit aus. Diese unterliegt gemäß § 2 Abs 1 Z 10 GewO nicht der Gewerbeordnung. Es handelt sich dabei um eine allenfalls neben einem Gewerbebetrieb - in Frage kommen aber durchaus auch unselbständig Erwerbstätige als ständig beeidete Sachverständige - ausgeübte freiberufliche selbständige Tätigkeit. Wenn auch die Bestellung des Klägers als Sachverständiger und seine Tätigkeit auf diesem Gebiet in einem engen Naheverhältnis zu seinem Gewerbebetrieb steht, bildet sie doch nicht den Gegenstand dieses Gewerbebetriebes und wurde nicht als Teil seiner Gewerbeberechtigung ausgeübt. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auf die Sachverständigentätigkeit.
Der Kläger hat allerdings die Behauptung aufgestellt, daß seine Sachverständigentätigkeit weitgehend von den Interessen des Gewerbebetriebs bestimmt gewesen sei. Er habe sich zur Übernahme der Sachverständigentätigkeit nur zum Zweck der Steigerung des betrieblichen Umsatzes entschlossen und auch konkrete Aufträge, als Sachverständiger tätig zu werden, nur nach Maßgabe der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von besichtigten Fahrzeugen für seinen Mechaniker- und Handelsbetrieb übernommen.
Gemäß § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Der Versicherungsschutz des Klägers war durch die Ausübung der Gewerbeberechtigung als Mechanikermeister und Kfz-Händler determiniert (§ 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG). Bei Selbständigen sind als Ausübung der Erwerbstätigkeit alle diejenigen Tätigkeiten anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (Tomandl System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes 3. ErgLfg, 279). Für Verrichtungen, die sowohl unversicherten als auch betrieblichen Interessen dienen - sogenannte gemischte Tätigkeiten - besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall betrieblichen Interessen wesentlich gedient hat (Brockmann Handbuch 60. Nachtrag 4802 und r). Ein Weg, der sowohl der versicherten Tätigkeit, wie auch Interessen diente die außerhalb der versicherten Tätigkeit lagen, steht in kausalem Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, wenn diese zwar nur eine von mehreren jedoch eine wesentliche Bedingung des Weges darstellte (vgl: Tomandl aaO 314 zur Frage der "gemischten Wege"). Hat der Kläger, wie er behauptet, Aufträge für Sachverständigentätigkeiten nur zur Förderung der Ziele seines Gewerbebetriebes übernommen, so standen auch bei dieser Tätigkeit die Interessen seines Gewerbebetriebes im Vordergrund. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Weg, den der Kläger zur Besichtigung des beschädigten Fahrzeuges unternahm und seiner die Versicherung begründenden gewerblichen Tätigkeit bestand dann, wenn er Sachverständigenaufträge vor allem übernahm, um Gelegenheit zum Ankauf von beschädigten Fahrzeugen für seinen Betrieb zu erhalten. Ob, wie der Kläger behauptet, diese Voraussetzungen vorliegen, blieb bisher ungeprüft. In dieser Richtung erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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