OGH 11Os117/88

OGH11Os117/886.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.September 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anna Maria G*** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 19. November 1987, GZ 21 b Vr 1.122/87-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 4.Juni 1950 geborene Anna Maria G*** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130, vierter Deliktsfall, und 15 StGB (I), des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs 1 und 2 StGB (II) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt. Darnach beging sie in der Zeit vom 20.Oktober 1983 bis 18. April 1987, an welchem Tag sie bei einem Diebstahlsversuch betreten wurde, in Salzburg gewerbsmäßig 38 Gelddiebstähle aus abgestellten Fahrzeugen, in 27 Fällen durch Einbruch, und erbeutete hiebei die im Spruch einzeln angeführten Schilling-Geldbeträge (I); Behältnisse und andere nicht sofort verwertbare Sachen (44 Fakten) warf sie ebenso weg (II) wie Urkunden (38 Fakten), wobei sie mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, daß diese Papiere im Rechtsverkehr zum Beweise von Rechten, Rechtsverhältnissen oder Tatsachen gebraucht werden (III).

Diesen Schuldspruch ficht die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; den Strafausspruch bekämpft sie mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte fühlt sich in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt (Z 4), weil ihr Antrag auf Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zum Beweis dafür, daß zu den einzelnen Tatzeiten ihre Dispositionsfähigkeit nicht vorgelegen sei (S 198), abgelehnt wurde, und zwar mit der Begründung, daß das erstattete Gutachten des Univ.Prof. Dr. L*** ausreichend erscheine (S 199). Tatsächlich kam dieser Sachverständige, nachdem er sein schriftliches Gutachten (ON 8/I) erläutert hatte, auch nach Befragen durch den Verteidiger in der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, es sei bei der Angeklagten die Diskretionsfähigkeit überhaupt nicht und die Dispositionsfähigkeit keinesfalls so weit herabgesetzt gewesen, daß man vom gänzlichen Verlust sprechen könnte; dies sei mit Sicherheit ausschließbar (S 194 bis 198). Bei der vom Gericht zu entscheidenden Rechtsfrage, ob die höhergradig neurotische, affekt- und stimmungslabile Persönlichkeitsstruktur der schon mehrfach einschlägig vorbestraften Anna Maria G*** einer Geisteskrankheit, einem Schwachsinn oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gleichkommt (§ 11 StGB), ist ein strenger Maßstab anzulegen. Verminderte Hemmfähigkeit oder sogenannte Monomanien (wie zB auch die hier in Frage kommende Kleptomanie) schließen die Schuldfähigkeit in der Regel nicht aus (Leukauf-Steininger2 RN 15 zu § 11 StGB): Wenn das Gericht bei der Beurteilung, ob die Angeklagte unter Begleitumständen vorging, die Zurechnungsunfähigkeit implizieren, dem Gutachten des vernommenen Sachverständigen folgte, handelte es sich hier um einen Akt der freien Beweiswürdigung, der im Nichtigkeitsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht bekämpft werden kann (EvBl 1959/218, SSt. 40/23, 11 Os 43/86 uva), im Rahmen der Z 5 a der genannten Gesetzesstelle aber in sorgfältiger Prüfung und Wägung aller Umstände dieses Falles zur Feststellung führt, daß erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entsprechenden schöffengerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht bestehen (11 Os 44/88 = NRsp 1988/203).

Es liegen daher auch die Voraussetzungen für die Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens nicht vor. Dies hätte gemäß dem § 126 Abs 1 StPO in Verbindung mit dem § 125 StPO zur Voraussetzung, daß das Gutachten des vernommenen Sachverständigen dunkel, unbestimmt, mit sich selbst oder den erhobenen Tatumständen in Widerspruch steht oder Schlüsse enthält, die aus den Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind. Solche Mängel des Gutachtens wurden aber anläßlich der Antragstellung gar nicht behauptet, sondern es wurde nur darauf hingewiesen, daß der Sachverständige die Kooperationsbereitschaft der Angeklagten in der Hauptverhandlung anders beurteilte als im schriftlichen Gutachten. Die Beschwerde stützt darauf und auf einige andere mit der Befunderhebung zusammenhängende Umstände ihre Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens, was aber - wie bereits dargelegt - nur auf eine schlichte Bekämpfung der ausschließlich den Tatrichtern zustehenden Beweiswürdigung hinausläuft. Die Verfahrensrüge ist daher ebenfalls unbegründet.

Mit der Mängelrüge (Z 5) kritisiert die Angeklagte, daß dem Urteil ein Geständnis zugrundegelegt wurde, ohne in Einzelfällen jene Beweisergebnisse anzuführen, die für die Richtigkeit ihrer Einlassungen sprechen. Die gegebene Begründung sei daher insoweit als Scheinbegründung anzusehen.

Dem ist aber nur zu erwidern, daß das Gericht sich ausdrücklich auf die Anzeigen der Polizei stützte, die sich weitgehend mit dem Geständnis der Angeklagten decken. In einigen Punkten wurde den Angaben der Zeugen und Geschädigten der Vorzug gegeben. Zweifelhafte Fälle wurden schon von der Staatsanwaltschaft nicht in die Anklage aufgenommen (S 235, 236/II). Die Beschwerde vermag auch keinen Umstand anzuführen, der mit dieser der Begründungspflicht in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) genügenden Urteilsbegründung nicht zu vereinbaren wäre. Der einzige in diese Richtung erhobene Vorwurf hält nämlich einer Überprüfung nicht stand. Die für die Annahme der gewerbsmäßigen Tatbegehung (§ 70 StGB) wesentliche Feststellung, daß die Angeklagte die von ihr ausschließlich gestohlenen Schillingbeträge für sich verwendete, indem sie sie regelmäßig der Wirtschaftsführung zuführte (S 220, 238), findet nämlich - der Beschwerde zuwider - in der Verantwortung (der Beschwerdeführerin) vor dem Untersuchungsrichter (S 459 a/I) volle Deckung. Dieses Vorbringen genügt daher weder den gesetzlichen Erfordernissen einer Mängelrüge im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO noch vermag es erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 a) hervorzurufen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die auf der Behauptung aufbaut, daß die Angeklagte einem "nicht zu steuernden pathologischen Stehlzwang unterliege, der die Dispositionsfähigkeit aufhebt", übergeht die klare und deutliche - wie ausgeführt mängelfrei mit dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen begründete - Feststellung, daß die Dispositionsfähigkeit nicht völlig verloren und die Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt immer gegeben war (S 234, 235). Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt ebensowenig gesetzmäßig ausgeführt wie mit dem Einwand, daß Gewerbsmäßigkeit nicht vorliege, zumal "die Tendenz der wiederkehrenden Diebstähle nicht in der Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle, sondern in der übersprungartigen triebhaften Ersatzbefriedigung zum Zweck der Aggressionsabfuhr" lag (Z 10). Sie verläßt auch damit den Boden der tatsächlichen Urteilsannahmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher teilweise als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, im übrigen als unbegründet, weshalb sie nach dem § 285 d Abs 1 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war, was die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz für die Berufungsentscheidung nach sich zieht (§ 285 i StPO nF).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte