OGH 1Ob640/88

OGH1Ob640/8831.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Schobel, Dr. Kropfitsch und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Gerald G***, Angestellter, Maria Enzersdorf, Dobrastraße 56, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Margarete G***, Angestellte, Maria Enzersdorf, Donaustraße 103/3, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Leistung von Unterhalt und Zahlung (Gesamtstreitwert S 435.950,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. März 1988, GZ 44 R 1013/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 27. Oktober 1987, GZ 2 C 20/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.171,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.288,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Dezember 1982, 8 Cg 174/82, gemäß § 55 a EheG im Einvernehmen geschieden. In dem vor Scheidung der Ehe abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich vereinbarten die Streitteile, daß die mj. Kinder Rainer, geboren 14. Mai 1972, und Nicole, geboren 21. Mai 1975, in Pflege und Erziehung der Mutter verbleiben. Der Kläger (dieses Verfahrens) verpflichtete sich, der Beklagten beginnend mit 1. September 1982 für die Dauer von zehn Jahren monatlich im vorhinein einen (wertgesicherten) Unterhaltsbetrag von S 10.000,-- zu bezahlen. Er verzichtete auf eine Herabsetzung dieses Betrages ungeachtet weiterer eigener Unterhaltsverpflichtungen bzw. anderen Einkommens der Beklagten. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers sollte ruhen, wenn die Beklagte eine "Wohngemeinschaft" mit einem anderen Mann eingeht. Der Kläger übertrug der Beklagten auch den ihm gehörigen Anteil an der ehelichen Eigentumswohnung Maria Enzersdorf, Donaustraße 103/3. Die Beklagte unterhält jedenfalls seit 1. Dezember 1986 intime Beziehungen mit Friedrich F***, der, wie auch die Beklagte, bei den A*** A***, Österreichische Luftverkehrs-AG, beschäftigt ist. Friedrich F*** nächtigt durchschnittlich an drei Tagen, manchmal an fünf Tagen der Woche bei der Beklagten. Die Beklagte und Friedrich F*** verbringen Wochenenden und Urlaube gmeinsam; sie waren seit Dezember 1986 gemeinsam 14 Tage in Südafrika, an drei Wochenenden in Amsterdam und drei Tage in England auf Urlaub. Friedrich F*** verfügt über Schlüssel zur Wohnung der Beklagten; er hat dort zwei bis drei Anzüge, einige Hemden, ein Paar Schuhe, Socken, Unterwäsche und einen Rasierapparat verwahrt. Wenn sich das Fahrzeug der Beklagten in Reparatur befindet oder zu wenig Benzin im Tank ist, überläßt ihr Friedrich F*** für einen oder mehrere Tage seinen Personenkraftwagen. Der Kläger leistete der Beklagten bis einschließlich Dezember 1984 den vereinbarten Unterhaltsbetrag samt den Wertsicherungsbeträgen, in der Folge leistete er bis September 1987 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 10.850,--.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten laut Punkt 3 des zu 8 Cg 174/82 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien abgeschlossenen Vergleichs ruht, so daß er ab 1. Dezember 1986 bis auf weiteres der Beklagten keinen Unterhalt zu leisten habe. Er begehrt weiters die Rückzahlung der von ihm ab Dezember 1986 bis zum Klagstag (23. Juni 1987) geleisteten Unterhaltsbeträge von insgesamt S 75.950,--. Die Beklagte unterhalte zumindest seit 1. Dezember 1986 nicht nur eine Wohnungs-, sondern auch eine Lebensgemeinschaft mit Friedrich F***, weshalb seine Unterhaltsverpflichtung ruhe. Die Beklagte sei auch schuldig, die von ihm irrtümlich erbrachten Unterhaltszahlungen zu refundieren.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe mit Friedrich F*** keine Wohngemeinschaft begründet, die geschlechtlichen Beziehungen, die sie mit Friedrich F*** unterhalte, berührten die Leistungsverpflichtung des Klägers nicht. Für den Fall der Stattgebung des Leistungsbegehrens machte sie einen Betrag von S 9.850,-- (nicht geleistete Wertsicherungsbeträge) einredeweise als Gegenforderung geltend.

Der Erstrichter gab dem Feststellungsbegehren statt. Er stellte fest, daß die eingeklagte Forderung mit S 75.950,-- und die Gegenforderung mit 9.850,-- zu Recht bestehen und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger den Betrag von S 66.100,-- s.A. zu bezahlen. Der Erstrichter stellte fest, mit der vertraglichen Regelung, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten bei Eingehung einer Wohngemeinschaft ruhe, sollte die Nachprüfung, ob die Unterhaltsverpflichtung des Klägers wegen geschlechtlicher Beziehungen der Beklagten ruhe, erübrigt werden. Übereinstimmende Parteiabsicht sei es gewesen, daß der Unterhaltsanspruch, in Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsprechung, bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann erlöschen (bzw. ruhen) solle.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die Beklagte lebe seit Dezember 1986 mit Friedrich F*** in einer Lebensgemeinschaft. Daß eine dauernde Wohngemeinschaft nicht bestehe, weil Friedrich F*** noch über eine eigene Wohnmöglichkeit verfüge, schließe diese Annahme nicht aus. Demnach sei das Begehren auf Feststellung des Ruhens der Unterhaltsverpflichtung gerechtfertigt. Die Beklagte sei gemäß § 1435 ABGB zur Bezahlung der von ihr in der Zeit von Dezember 1986 bis Juni 1987 erhaltenen Unterhaltsbeträge abzüglich der vom Kläger nicht geleisteten Wertsicherungsbeträge verpflichtet. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die beim selben Dienstgeber beschäftigten Partner (die Beklagte und Friedrich F***) unterhielten eine sexuelle Beziehung, die einer Ehe entspreche; sie stimmten ihre Lebensführung gänzlich aufeinander ab, so daß sie nahezu alle Wochenenden gemeinsam verbringen und innerhalb weniger Monate auch mehrere gemeinsame Urlaube verbracht hätten. Friedrich F*** habe auch jederzeit Zutritt zur Wohnung der Beklagten; er verfüge über keine ihm ausschließlich gehörige Wohnung, sondern wohne bei seiner Mutter. Er bewahre einen Teil seiner persönlichen Fahrhabe bei der Beklagten auf, was ihn in die Lage versetze, für einige Zeit nicht auf die Wohnung seiner Mutter zurückgreifen zu müssen. Es wiesen hier nicht nur zwei individuelle Lebenspläne Berührungspunkte auf, wie dies im Falle der Entscheidung EFSlg 38.826 der Fall gewesen sei, auf die sich die Beklagte berufe; das Leben der Beklagten und des Friedrich F*** wurde vielmehr auf Grund eines gemeinsam erstellten Konzeptes gestaltet. Es erscheine dabei naheliegend, daß finanzielle Beiträge des Friedrich F*** sich schon deshalb in Grenzen halten können, weil die Beklagte über nicht unerhebliche Unterhaltsleistungen des Klägers verfüge und Friedrich F***, obwohl er selbst über keine eigene Wohnung verfüge, nicht ständig bei der Beklagten wohne, um die Verwirklichung der Wohngemeinschaft, zu vermeiden. Die auf Seiten der Beklagten gegebenen Umstände begründeten die Sittenwidrigkeit der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs und führten zu dessen Ruhen ab 1. Dezember 1986. Das Leistungsbegehren sei der Höhe nach nicht bekämpft worden.

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Auslegung der von den Streitteilen getroffenen Unterhaltsvereinbarung strittig ist und daher keine Bemessungsfrage iS des § 502 Abs 2 Z 1 ZPO vorliegt (vgl. EFSlg 52.226, 49.361 u.a.).

Die Ausführungen zu den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Auszugehen ist von der Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen, daß mit der vertraglichen Regelung, wonach die Unterhaltsverpflichtung des Klägers ruhen solle, wenn die Beklagte eine Wohngemeinschaft mit einem anderen Mann eingeht, nichts anderes gemeint war als daß (im Sinne der herrschenden Rechtsprechung) der Unterhaltsanspruch der Beklagten bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft ruhen soll.

Nach ständiger Rechtsprechung besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft darin, daß ein eheähnlicher Zustand vorliegt, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen die Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft; es kann aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen; es kommt regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an (EFSlg 51.553, 38.825, 29.651; in diesem Sinn auch die in der Revision zitierte Entscheidung 7 Ob 728/87). In der Rechtsprechung wird hervorgehoben, daß sich der Begriff "Lebensgemeinschaft" nicht auf die rein materielle Seite beschränkt; es handelt sich vielmehr um eine aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung, deren Vorliegen aber nur aus äußeren Anzeichen erschlossen werden kann (EFSlg 51.555, 38.825 u.a.). Zum Begriff der Lebensgemeinschaft gehört es, daß die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten (EFSlg 43.741). In der Entscheidung EFSlg 38.826 vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung, daß eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, gemeinsame Wochenendausflüge und zeitweiliger, wenn auch häufiger (regelmäßiger) Aufenthalt eines Mannes in der Wohnung einer Frau nicht über das hinausgehe, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet zu werden pflege, das noch nicht die Annahme einer Lebensgemeinschaft rechtfertige. Im vorliegenden Fall ist aber das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft anzunehmen. Daß zwischen der Beklagten und Friedrich F*** eine Geschlechtsgemeinschaft besteht, wie sie ehelichem Zusammenleben entspricht, ist nicht bestritten. Mit Recht gelangte das Berufungsgericht aber darüber hinaus zum Ergebnis, daß die Beklagte und Friedrich F***, die beide berufstätig sind, ihre Lebensführung aufeinander abstimmen und auf Grund eines gemeinsamen Konzepts gestalten. Ausdruck findet dies v.a. in den gemeinsamen (auch mit den Kindern der Beklagten) unternommenen Wochenendausflügen und in gemeinsamen Urlaubsaufenthalten. Friedrich F*** nimmt auch, wenn er in der Wohnung der Beklagten nächtigt, am Abendessen und am Frühstück (mit der Beklagten und ihren Kindern) teil und ist damit gleichsam in die Familie der Beklagten integriert (vgl. die Aussage der Beklagten ON 6, S 9 und 10). Er verfügt auch über Schlüssel zur Wohnung der Beklagten, die ihm den jederzeitigen Zutritt zu ihrer Wohnung ermöglichen. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem der Entscheidung EFSlg 38.826, bei dem die Beziehungen der Partner nicht als Ausdruck eines gemeinsamen Lebensplanes zu werten waren. Was die Wohngemeinschaft betrifft, so darf nicht übersehen werden, daß beide Partner bei einer Fluggesellschaft berufstätig sind, so daß ein tägliches Übernachten des Friedrich F*** bei der Klägerin schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommen wird. Darüber hinaus entspricht es der Lebensgemeinschaft als einer rechtlich nicht gesicherten Beziehung, daß sich ein Partner nicht leicht entschließen wird, eine Wohngelegenheit, die ihm zur Verfügung steht, zur Gänze aufzugeben. Auch eine Ehe kann einvernehmlich so gestaltet werden, daß ein Ehepartner zeitweilig eine andere Wohnung bewohnt. Was schließlich die Wirtschaftsgemeinschaft betrifft, so muß bedacht werden, daß beide Partner der Beziehung berufstätig sind und Einkommen beziehen. Auch in einer Ehe würden unter diesen Umständen finanzielle Leistungen des einen Partners an den anderen (ausgenommen Gelegenheitsgeschenke etc.) in den Hintergrund treten. Insgesamt kann daher im vorliegenden Fall von einer Lebensgemeinschaft gesprochen werden, die nach der vertraglich getroffenen Unterhaltsregelung zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs führt. Auf die Frage, ob die weitere Zahlung des Unterhaltes an den geschiedenen Ehegatten, der eine Lebensgemeinschaft unterhält, auch noch sittenwidrig ist, muß dann nicht eingegangen werden. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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