OGH 9ObA198/88

OGH9ObA198/8831.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Oder und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert N*** sen., Privater, Kitzbühel, Tiemberg 8, vertreten durch Dr. Klaus Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagten Parteien 1. Franz M***, Bäcker und Hausmeister, 2. Katharina Olga M***, Hausfrau, beide Kirchberg II/482, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000,--), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juni 1988, GZ 5 Ra 83/88-9, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2. Februar 1988, GZ 44 Cga 5/88-4, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis nicht mehr aufrecht sei. Das Erstgericht, das sowohl in der Verhandlung als auch bei der Entscheidung nur mit dem Vorsitzenden und einem fachkundigen Laienrichter besetzt war, wies das Klagebegehren ab. Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung des Klägers wegen Nichtvorliegens einer anfechtbaren Entscheidung zurück und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 30.000,-- übersteige. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß eine Entscheidung, die von einem im Gesetz nicht vorgesehenen Spruchkörper gefällt werde, ein "rechtliches Nichts" sei, so daß eine Heilung der unrichtigen Gerichtsbesetzung im Sinne des § 37 Abs. 1 ASGG von vorneherein nicht in Betracht komme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs der Beklagten ist zulässig (analog § 519 Abs. 1 Z 1 ZPO) und berechtigt. Richtig ist, daß sich die Senate der Landes(Kreis-)Gerichte zur Verhandlung und Entscheidung in Arbeits- und Sozialrechtssachen gemäß § 11 Abs. 1 ASGG aus einem Berufsrichter und zwei fachkundigen Laienrichtern zusammenzusetzen haben. Eine unrichtige Gerichtsbesetzung liegt im Falle eines Verstoßes gegen § 11 ASGG daher immer dann vor, wenn die Senatsbesetzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Regelung nicht entspricht, gleichgültig ob die Zahl der Richter oder fachkundigen Laienrichter über- oder unterschritten wird, oder ob nur (ein) Richter oder nur fachkundige Laienrichter dem Senat angehört haben (Kuderna, ASGG § 37 Erl. 27). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist aber § 37 Abs. 1 ASGG und somit sinngemäß § 260 Abs. 4 ZPO auch auf den vorliegenden Fall der unrichtigen Gerichtsbesetzung anwendbar. Nach § 37 Abs. 1 ASGG ist ein Verstoß gegen § 11 ASGG, welcher die Zusammensetzung und damit auch die Anzahl der Senatsmitglieder regelt, ohne jede Einschränkung hinsichtlich der Art des Verstoßes gemäß § 260 Abs. 4 ZPO heilbar, falls die Prozeßparteien zum Zeitpunkt des Verstoßes qualifiziert (§ 40 Abs. 1 ASGG) vertreten waren (vgl. Kuderna aaO Erl. 4 mwH; aM Fasching ZPR Rz 173, 1578). Beide Parteien waren in der Verhandlung vor dem mangelhaft besetzten Erstgericht nicht nur durch Rechtsanwälte vertreten, sondern diese erklärten sich auch ausdrücklich damit einverstanden, ohne fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber zu verhandeln. Es lag daher zwar ein eindeutiger und schwerwiegender Verstoß gegen die Besetzungsvorschrift des § 11 Abs. 1 ASGG vor, doch durfte dieser Verstoß vom Berufungsgericht infolge Heilung der unrichtigen Besetzung nicht mehr berücksichtigt werden. (Zu den Konsequenzen einer solchen Vorgangsweise siehe Kuderna aaO, 172.)

Das Berufungsgericht wird daher über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund des Nichtvorliegens einer anfechtbaren Entscheidung zu befinden haben. Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs. 1 ZPO begründet.

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