OGH 15Os92/88

OGH15Os92/882.8.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.August 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Theresia P*** wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 11.April 1988, GZ 25 Vr 2121/86-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Stern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch laut Pkt b aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an den Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck zurückverwiesen.

Ansonsten wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Theresia P*** von der Anklage, sie habe in Innsbruck mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Mag. Erich G*** durch gefährliche Drohung zu Handlungen, die ihn am Vermögen schädigen sollten, zu nötigen versucht, und zwar

(a) am 29.November 1983 durch die Ankündigung, andernfalls seine Bemerkungen über Vorgesetzte, Mitarbeiter und Bekannte diesen mitzuteilen und ihn dadurch in seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung "fertig zu machen" sowie (unter gleichzeitiger Verweigerung der Herausgabe seiner Kleidung) seiner Gattin von seiner ehewidrigen Beziehung zu ihr berichten - zur Unterzeichnung einer Darlehensverzichtserklärung über 250.000 S, und (b) im Jänner oder Februar 1986 durch die (gegenüber Dr. KLaus E*** geäußerte) Ankündigung, ihn ansonsten (wie zuvor angeführt) in seiner beruflichen und gesellschaftlichen Stellung "fertig zu machen", in Verbindung mit der Androhung, seinen Vorgesetzten mitzuteilen, daß sie von ihm schwanger sei - zur Zurückziehung der von ihm eingebrachten Klage auf Darlehensrückzahlung, (und sie habe hiedurch das Verbrechen der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs. 1 StGB begangen,) gemäß 259 Z 3 StPO freigesprochen, weil das Erstgericht nach den Beweisergebnissen nicht auszuschließen vermochte, daß Mag. G*** auf die Rückzahlung des Darlehens aus freien Stücken, also rechtswirksam, verzichtet habe, sodaß ein tatbestandsmäßiger Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz der Angeklagten nicht erwiesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4 und Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht zielführend ist die Verfahrensrüge (Z 4), mit der sie in bezug auf beide Anklagefakten gegen die Abweisung (S 93 f.) ihrer Anträge auf Vernehmung der Zeugen Dr. B*** und L*** (S 93) remonstriert.

Denn das Begehren des Anklagevertreters auf Vernehmung des zuerst genannten Notarsubstituten über das Zustandekommen einer beglaubigten Ablichtung der in Rede stehenden Verzichtserklärung ließ in der Tat jede Erläuterung dahin vermissen, auf Grund welcher Umstände der beantragte Zeuge hätte in der Lage gewesen sein sollen zu erkennen, ob es sich bei der (allenfalls) ihm zur Anfertigung einer Fotokopie vorgelegten Originalurkunde tatsächlich um die von Mag. G*** ausgestellte oder aber - wobei die Relevanz jener Frage hier unerörtert bleiben kann - um eine Fälschung handelte; eines derartigen Hinweises auf eine konkret indizierte Erfolgsaussicht der begehrten Beweisaufnahme hätte es im vorliegenden Fall umsomehr bedurft, als dafür weder der Gegenstand des relevierten Beglaubigungsvorgangs, bei dem es nur um die "vollständige Wiedergabe des Originals" (./1 in ON 2) ging, noch die bereits vorgelegene Aussage des Notars Dr. B*** (S 87 f.) irgendeinen Anhaltspunkt boten. Insoweit war daher das bekämpfte Zwischenerkenntnis - nicht als vorgreifende Beweiswürdigung, wie die Beschwerdeführerin vermeint, sondern - als Ablehnung einer reinen Erkundungsbeweisführung durchaus gerechtfertigt.

Durch die Unterlassung einer Vernehmung des Zeugen L*** zum Beweis dafür jedoch, daß die Angeklagte im Jahr 1986 auch ihm gegenüber von einer angeblich durch Mag. G*** verursachten Schwangerschaft ihrerseits gesprochen habe, wurde deren Strafverfolgung schon deshalb nicht beeinträchtigt, weil das Schöffengericht den letztlich damit angestrebten Nachweis, daß sie entgegen ihrer leugnenden Verantwortung gegenüber dem Klagevertreter Dr. E*** eine dahingehende Behauptung als Druckmittel verwendet habe, ohnehin als erbracht ansah.

In Ansehung des ansonsten nicht angefochtenen Freispruchs vom Anklagefaktum a war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen. Mit Recht hingegen rügt die Anklagebehörde (Z 9 lit a), daß das Erstgericht das laut Pkt b inkriminierte Tatverhalten der Angeklagten (im Hinblick auf die Nichtannahme eines nach § 144 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen Bereicherungs- und Schädigungsvorsatzes) nicht immerhin einer Prüfung in bezug auf dessen Strafbarkeit als Nötigungsversuch (§§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB) unterzog.

In diesem Umfang erweist sich daher - mit Rücksicht darauf, daß die dazu getroffenen, von der Anklagedarstellung auch sonst teilweise abweichenden Urteilsfeststellungen (US 7) entgegen der Beschwerdeauffassung nicht zur abschließenden Beurteilung ausreichen, ob den als erwiesen angenommenen Äußerungen der Angeklagten die Qualität einer gefährlichen Drohung (§ 74 Z 5 StGB) und dem angedrohten Übel die Bedeutung einer Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung des Bedrohten (§ 106 Abs. 1 Z 1 StGB) zukam und der Tätervorsatz diese Umstände erfaßte - eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz als unumgänglich, sodaß insoweit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen war, wobei die Sache unter Bedacht auf die mittlerweilige Änderung der (funktionell-) sachlichen Zuständigkeit (§ 13 Abs. 2 Z 1 StPO) durch das StrÄG 1987 in sinngemäßer Anwendung des § 288 Abs. 2 Z 3 letzter Fall StPO an den Einzelrichter zu verweisen war (Art XX Abs. 4 letzter Satz StrÄG 1987).

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